Für ihre Familie buchte Jrene Bühler aus Flawil SG bei der Swiss vier Tickets Zürich–Barcelona retour. Pro Ticket zahlte sie 440 Franken. Bühler und ihre Mutter flogen nach Barcelona, um die zwei kleinen Kinder ihres verstorbenen Bruders abzuholen. «Beim Check-in in Zürich erwähnte ich, dass die Kinder erst auf dem Rückflug dabei sind», so Bühler. Antwort: Das sei kein Problem.

Doch am Flughafen in Barcelona verweigerte die Swiss den Kindern den Rückflug. Begründung: Die Rückflüge seien verfallen, weil die Kinder den Hinflug nicht angetreten hätten. Folge: Bühlers mussten auf eigene Faust bei der Lufthansa für 1000 Franken vier neue Rückflugtickets kaufen und einen Umweg über München in Kauf nehmen. Denn der gebuchte Swiss-Flug war voll.

Mit andern Worten: Die Swiss hat die Plätze für die vierköpfige Familie zweimal verkauft – und deshalb den Bühlers die Rückreise verweigert. Zudem machte die Lufhansa gleich noch ein Geschäft mit dem Verkauf der Ersatztickets. Unter dem Strich hat der Lufthansakonzern für Bühlers Rückflug dreimal kassiert.

Dieses Vorgehen hat ­System. Arnold F. Rusch, Rechtsanwalt und Dozent für Privatrecht an der Uni Zürich, nahm die Klauseln der Airlines in den All­gemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unter die Lupe. Bei der Swiss lautet sie: «Der Flugpreis ist nur gültig, wenn die Flüge in gebuchter Reihenfolge absolviert werden.»

Solche Klauseln sind laut Rusch unzulässig. Sie verstossen gegen Artikel 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Dieser verbietet AGB, die Konsumenten stark benachteiligen. Ruschs Begründung: Gemäss Obligationenrecht könne der Kunde bei einer voll bezahlten Flugreise auf eine Teilstrecke verzichten, ohne dass ihm daraus ein Nachteil entstehen dürfe. Doch die Airlines verlangen in diesen Fällen einen Mehrpreis oder lassen die weiteren Flüge verfallen. Das schaffe ein grosses Ungleichgewicht zwischen Preis und Leistung. Rusch zitiert das Landesgericht Frankfurt: «Niemand wird bezweifeln, dass es unangemessen wäre, wenn ein Gastwirt einem Gast, der ein Menü bestellt hat, den Hauptgang verweigert oder nur gegen einen Aufpreis serviert, weil er seine Suppe nicht aufgegessen hat.»

Die Swiss sagt, sie bedauere die Umstände der Familie Bühler, halte jedoch an der Klausel fest.


Musterprozesse: Das Gericht wird entscheiden

Seit 1. Juli dürfen Unternehmen laut Gesetz keine AGB mehr verwenden, die Konsumenten stark be­nachteiligen. Die Vertragsbedingungen der Swiss sind laut dem Rechtsgutachten des Zürcher Do­zen­ten Arnold F. Rusch un­lauter. saldo wird deshalb eine Klage gegen die Be­stimmungen finanzieren.

saldo und «K-Tipp» ini­tiieren und unterstützen Musterprozesse von grosser Bedeutung für Konsumenten – und das mit Erfolg: Siehe dazu den Artikel links zum Bundesgerichtsurteil in Sachen UBS und Retrozessionen.