Die Finanzmarktaufsicht (Finma) soll Gläubiger, Anleger und Versicherte schützen. So steht es im Finanzmarktaufsichtsgesetz. Doch die Behörde macht nicht den Eindruck, als ob Kundenschutz bei ihr grossgeschrieben wird. Drei Beispiele:
Retrozessionen
Entschädigungen, die Banken hinter dem Rücken ihrer Kunden für deren Anlagen als Vermögensverwalter heimlich einkassieren, gehören dem Kunden. Diesen Grundsatz betonte das Bundesgericht am 30. Oktober 2012 – nicht zum ersten Mal (saldo 18/12). Seither müssen die Banken diese Retrozessionen oder Kickbacks zurückzahlen. Viele Banken wimmeln ihre Kunden aber ab mit Ausreden. Andere offerieren nur Teilrückzahlungen, spielen auf Zeit oder belasten unrechtmässige Kosten («K-Geld» 2/13).
«Eine Schande», wie Banken ihre Kunden und das Bundesgericht vorführen, findet der Zürcher Wirtschaftsanwalt Daniel Fischer. «Die Finma müsste viel aktiver eingreifen.» Immerhin gesteht ihr Fischer zu, dass sie sich heute aktiver um den Anlegerschutz kümmert.
Was hat die Aufsichtsbehörde konkret gemacht? Ende November 2012 hat sie den Banken mitgeteilt, sie müssten alle potenziell betroffenen Kunden über das Urteil in Kenntnis setzen und bei Nachfragen über erhaltene Rückvergütungen informieren. Weiter hat sie die Banken aufgefordert, ihre Geschäftstätigkeit so zu organisieren, dass sie die gesetzlichen Pflichten einhalten.
Die Basler Advokatin und Dozentin Monika Roth kritisiert in einer Studie von Anfang Jahr die Finma als «sehr zaghaft». Sie widerspricht dem Sprecher der Finma. Dieser behauptete gegenüber den Medien, es fehle ein Gesetz, das die Herausgabe der Kickbacks an die Kunden verlange. Dass sich die Finma erst jetzt nach dem neusten Urteil des Bundesgerichts «klar fordernd und mahnend» äussere, sei zu bedauern.
Mehr als fordernd und mahnend tritt die Finma nicht auf. Sie will nicht überprüfen, ob die Banken das Urteil umsetzen und die Kickbacks den Kunden zurückerstatten. «Für die Klärung zivilrechtlicher Fragen sind die Zivilrichter zuständig», wiegelt Finma-Sprecher Tobias Lux ab. Die Berner Professorin Susan Emmenegger konstatiert: «Die Kundinnen und Kunden sind im Wesentlichen auf sich selbst gestellt.»
Und wie weit haben sich die Banken so organisiert, dass sie ihre gesetzlichen Pflichten einhalten? Antwort der Finma: «Der Prozess läuft. Die Finma kann sich wie üblich weder zu Einzelheiten ihrer Aufsichtstätigkeit noch zu Einzelfällen äussern.»
Lehman-Konkurs
Als die US-Bank Lehman Brothers 2008 Pleite machte, verloren Schweizer Anleger über 4 Milliarden Franken. 10 000 Credit-Suisse-Kunden mussten sich 1,32 Milliarden Franken ans Bein streichen. Die Verkäufer legten Kleinanlegern Anteile von 50 Prozent und mehr an Lehman-Produkten ins Depot. In den Verkaufsinformationen verschleierte die Bank, dass es sich um risikoreiche Fremdprodukte handelte.
Das hält ein interner Bericht der Finma vom März 2009 fest. Dieser wurde der Zeitung «Schweiz am Sonntag» zugespielt. Im Schlussbericht der Aufsichtsbehörde vom März 2010 fehlt die deutliche Kritik an der Credit Suisse. Die unterschiedlichen Versionen werfen Fragen auf. Offenbar wollte die Finma die Bank schonen und hat die Schlussfassung des Berichts angepasst.
Die Finma hält auf Anfrage von saldo fest, dass es sich bei der ersten Version nur um einen Zwischenbericht gehandelt habe. Für René Zeyer, der als Sprecher des Vereins der Lehman-Opfer tätig war, steht hingegen fest: Die Finma ist mehr «Erfüllungsgehilfin des Schweizer Finanzplatzes» als ein Schutz für Anleger.
Anders in den USA. Dort hat die Finanzmarktaufsicht Finra Lehman-Opfer besser unterstützt. So büsste die Behörde 2011 die UBS, weil sie US-Anlegern Lehman-Papiere verkauft hatte, ohne korrekt über die Risiken zu informieren. Diesen August erklärte sich die UBS bereit, Lehman-Anlegern 120 Millionen Dollar zurückzuzahlen.
Namensnennung
Aus dem Finma-Jahresbericht 2012 geht hervor, dass der Chef einer Bank mit einem Berufsverbot belegt wurde, weil er «weder über die fachlichen Kompetenzen noch über die Charaktereigenschaften verfügte, die für die Führung eines Bankinstituts erforderlich sind.» Um welche Person und Bank es sich handelt, hält die Finma geheim. Letztes Jahr hat die Behörde ferner gegen 25 Finanzdienstleister sogenannte «eingreifende Verwaltungsverfahren» eröffnet «wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Vorschriften». Aber auch hier erfährt man nicht, um wen es sich handelt und welche Verfehlungen untersucht werden.
Im angelsächsischen Raum stellen die Finanzaufsichtsbehörden fehlbare Institute und Personen konsequent an den Pranger. Die Überlegung dahinter: Wenn die Anleger erfahren, wer Vorschriften verletzt, ist das ein wirksamer Kundenschutz. Anonymisierung schützt nämlich nur die Täter.
Finma-Sprecher verweist auf mangelhaftes Gesetz
Ein Zürcher Wirtschaftsanwalt kritisiert gegenüber saldo die Finma scharf. Selbst wenn klare Hinweise vorliegen, dass bei einer Bank Missstände herrschen, werde sie kaum aktiv. «Sehr oft schreibt die Finma nur die betroffene Bank an und gibt sich mit deren abwehrender Antwort zufrieden. Den geschädigten Kunden hört sie nicht einmal an.»
Sprecher Tobias Lux verweist auch hier auf das angeblich mangelhafte Gesetz: «Der Kundenschutz geht in der Schweiz zurzeit weniger weit als in vielen anderen Staaten.» Auf Initiative der Finma lässt der Bundesrat deshalb seit März 2012 ein Finanzdienstleistungsgesetz erarbeiten. Ein erster Entwurf zeigt: Die Banken sollen Anleger besser informieren und beraten. Und Privatkunden sollen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegenüber Finanzdienstleistern gestärkt werden.
Laut dem Zürcher Anwalt wären Verbesserungen heute schon möglich: «Bei der Finma herrscht eine Schonhaltung gegenüber den Banken. Sie sollte den Spielraum nutzen, den sie hat. Es ist unverständlich, dass sie von ihrer Anzeigepflicht bei Delikten keinen Gebrauch macht.»