Sei es, dass nach dem Aufenthalt im Spital das operierte Hüftgelenk monatelang schmerzt, eine Wunde ständig eitert oder gar eine Folgeoperation nötig wird: Der Patient weiss heute nicht, ob im Spital geschlampt wurde oder ob er einfach Pech hatte.
Das wird anders: Ab nächstem Jahr veröffentlicht das Bundesamt für Gesundheit seinen Spital-Check mit den Namen der Spitäler und Zahlen zu ihrer Qualität. Das hilft den Patienten, die Qualität der Spitäler selbst besser zu beurteilen.
100 Spitäler legen ihre Daten noch nicht offen
Mit einem freiwilligen Pilotversuch wollte das Bundesamt herausfinden, wie die Qualität der Behandlungen in Akutspitälern ist. Während letzten Herbst erst 34 Spitäler ihre Daten offenlegten, waren es dieses Jahr bereits 71 von 172 untersuchten Spitälern, darunter alle Universitäts- sowie 13 Zentrumsspitäler.
Ab nächstem Jahr gibt es für die Spitäler kein Kneifen mehr: Dann wird das Bundesamt die Daten aller Spitäler auch ohne deren Einverständnis veröffentlichen.
Spitalvergleiche führen zu besserer Behandlung
Bis heute sträuben sich viele Spitäler gegen Vergleiche jeglicher Art. Wer wissen will, weshalb im einen Spital bei einem Herzinfarkt oder einer Lungenentzündung mehr Menschen sterben als in einem andern Spital, erhält zur Antwort: Vergleiche seien nicht möglich, Qualität in Spitälern nicht messbar. Die einzelnen Risiko- und Patientenprofile seien zu unterschiedlich.
Die Qualitätsvergleiche des Bundesamtes beruhen auf einer Methode, die in Deutschland und Österreich bereits angewendet wird. Sie basiert auf Sterberaten, Fallzahlen und Informationen zu Behandlungsverfahren.
Die Kriterien beziehen sich auf dreissig Krankheitsgruppen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenentzündung, Eingriffe an der Brust bei Frauen oder Hüft- und Kniegelenkersatz. Aus den Fallzahlen wird ersichtlich, wie viel Erfahrung ein Spital bei der Behandlung einer Krankheit hat.
Die Sterberaten dienen als Ausgangspunkt für vertiefte Analysen und Verbesserungen in den Spitälern. Spitalvergleiche aufgrund von Sterbefällen führen nicht nur zu einer besseren medizinischen Behandlung, sie verlängern konkret das Leben der Patienten.
Eine US-amerikanische Erhebung der öffentlichen Krankenkassenorganisation Medicare von 2004 bis 2006 und eine Studie der deutschen Privatklinikengruppe Helios von 2003 bis 2005 belegen, dass die Todesfälle im Spital mit der Einführung von vergleichbaren Qualitäts- und Leistungsindikatoren stark zurückgingen.
Lungenentzündungen mit tödlichem Ausgang nahmen in US-Spitälern um 22 Prozent, in deutschen Kliniken um 20,3 Prozent ab. Bei der Herzinsuffienz mit tödlichem Ausgang betrugen die Rückgänge gar 36 respektive 29,3 Prozent.
Das überrascht die Experten des Bundesamtes nicht. In ihrem Qualitätsbericht schreiben sie: «Bei Sterbefällen im Spital handelt es sich um unzweideutige Ereignisse, die manipulationsresistent sind.» Auf Deutsch: Der Todesfall ist der Endpunkt einer Behandlungskette.
Deren Ausgang hätte eventuell anders sein können, wenn beispielsweise Wundinfektionen vermieden oder Leitlinien eingehalten worden wären. Das hat sehr wohl mit der medizinischen Qualität zu tun.
Von Spital zu Spital grosse Unterschiede
Der Pilotversuch bringt eine wesentliche Erkenntnis: Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen der Anzahl der von einem Spital behandelten Fälle und der Sterblichkeit. Beispiel Hüftgelenkersatz: Bei dieser Operation ist das Sterblichkeitsrisiko gering.
Im Jahr 2006 gab es total 6380 solche Operationen, die Sterblichkeitsrate lag durchschnittlich bei 0,157 Prozent. Das sind zehn Personen. Gerade in dieser Gruppe zeigen sich aber je nach Spital deutliche Unterschiede: Bei Spitälern, die weniger als 50 Mal ein Hüftgelenk ersetzten, lag die Sterblichkeitsrate bei 0,312 Prozent.
Bei jenen mit 50 bis 99 Fällen war sie bei 0,271 Prozent und bei der Gruppe mit 100 bis 199 sank sie auf 0,144 Prozent. Kliniken mit 200 bis 499 Eingriffen erreichten eine Rate von 0,070 Prozent. Die einzige Klinik, die über 500 Patienten jährlich versorgt, weist – auch über mehrere Jahre hinweg – eine Sterblichkeit von 0 auf.
Solche Informationen sind nicht nur für Patienten wertvoll. Auch Felix Schneuwly vom Krankenkassenverband Santésuisse ist zufrieden: «Es ist höchste Zeit, dass das BAG handelt.» Die Krankenversicherer seien in der Vergangenheit immer wieder gescheitert, mit den Leistungserbringern messbare Qualitätsindikatoren zu vereinbaren und sie zu publizieren.
Schneuwly betont: «Transparente Qualität ist die entscheidende Voraussetzung für Patienten, ihr Spital nach relevanten Kriterien auszusuchen.» Spitäler, die sich bisher stets geweigert hätten, das Gesetz zu beachten, seien nun im Zugzwang, es besser zu machen.
«Wir sind überzeugt, dass man mit zusätzlichen Qualitätsindikatoren wie Rehospitalisationsraten, Infektionsraten aber auch mit der Patientenzufriedenheit einige einheitliche Qualitätsindikatoren messen und publizieren kann.»
Zu den Tabellen: Nur bedingt vergleichbar
71 der 172 Spitäler haben für den jüngsten Qualitätsvergleich des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) ihre Daten offengelegt. Das BAG hat 30 Krankheitsgruppen untersucht. Für die Tabellen (siehe pdf-Artikel) hat saldo jeweils 20 mittlere und grössere Spitäler ausgewählt und nach der Höhe der Sterberaten geordnet.
Die Zahlen des BAG beziehen sich auf das Jahr 2007. Ein Vergleich allein aufgrund der Sterberaten ist nur bedingt möglich, da sich die Patientenstruktur (u.a. Alter, Geschlecht) und die Anzahl Fälle von Spital zu Spital erheblich unterscheiden.