Kurz nach Olten geschah Erstaunliches: Der Zugbegleiter fragte: «Braucht jemand eine ­Fahrplanauskunft? Oder einen Klassenwechsel? Nein? Dann wünsche ich Ihnen allen noch eine gute Fahrt!» Und weg war er. Unsere Billette kontrollierte er nicht. Wir Pendler nickten uns ­erstaunt zu. Genau so könnte es sein. Denn die mit «Fahrausweise, bitte!» angekündigten Kontrollen nerven.

Ich habe nachgerechnet, wie oft ich in den ­vergangenen 25 Jahren ­meines Pendlerlebens von Thun nach Bern, ­Lausanne und Zürich das GA hervorsuchen musste: Bei täglich 4 Mal und 220 Arbeitstagen pro Jahr ergibt das rund 22 000 Mal. Setzt man pro Kontrolle 20 Sekunden ein, summiert sich das Ticketritual, über die 25 Jahre gerechnet, auf 122 Stunden.

Die Billettkontrolle ist nicht nur ein Zeichen des Misstrauens gegenüber den Kunden. Sie stört auch bei der Lektüre, bei der Über­arbeitung ­einer Rede, beim Schreiben eines Konzepts, beim Lernen von Fremd­wörtern. Und beim erhol­samen Schlaf. Kontrolliert werden ohne Pardon alle: Auch die aus dem Wallis pendelnde ­Bundesrätin muss sich beim konzen­trierten ­Arbeiten stören ­lassen und ihr Gratis-GA ­zeigen. Der Kondukteur ­begrüsst sie zwar artig mit ­«Guten Tag, Frau Bundesrätin» – doch ­kontrolliert wird trotzdem. 

Ich wünsche mir Zugbegleiter, die mich auf der Reise tatsächlich begleiten, bei Verspätungen freundlich und korrekt informieren, den zum Teil hilflosen Touristen helfen und den Reisenden bei Pannen Sicherheit geben. Personal, das seine Kunden wie die Polizei ­kontrolliert, braucht es nicht. In den Regional­zügen gilt ja auch die Selbstkontrolle: Wer kein gültiges Ticket hat und in eine Stichkontrolle ­gerät, zahlt. Von mir aus darf die Busse sogar höher sein. Schwarzfahren darf nicht rentieren. Aber liebe SBB: Hört auf, eure treuesten Kunden permanent zu belästigen.

Übrigens: Als Autofahrer musste ich den ­Führerausweis in den vergangenen 40 Jahren genau zwei Mal zeigen.