Dürfen Journalisten in ihren Artikeln eine ­eigene Meinung zum Ausdruck bringen? Oder müssen sie neutral berichten? Das ist eine Kardinalfrage im Journalismus. Die Lösung: In den meisten Zeitungen gibt es die Rubrik «Kommentar». Dort kann der Journalist den Lesern die Sachlage  aus seiner Perspektive erläutern.

Kritisch wird es, wenn in normalen Zeitungsberichten die persönliche Meinung des Journalisten durchsickert. Das nennt man dann unseriös. 

«Demagogische Kampagne»

Ein Beispiel: Die «Aargauer Zeitung» hat am 12. Mai gleich zweimal über die Pro-Service-public-Initia­tive geschrieben. Der erste Text ist eine «Analyse» des Leiters der Inland­re­dak­tion. Sie trägt den Titel «Spielwiese der Verfüh­rer». Darin bezeichnet der Ressortleiter den Mit­initianten Peter Salvisberg als «Agitator». Dem Initiativkomitee wirft er eine «demagogische Kampagne» vor. Ist dies das Vokabular, um eine Volksinitiative zu analysieren?     

Der zweite Artikel in derselben Ausgabe trägt den Titel «Die grosse Augen­wischerei». Der Schreiber stellt die dramatische Frage: «Wie gefährlich ist die Initiative wirklich?» Die «zehn wichtigsten Fragen» dazu lässt er von Experten beantworten – es sind unter anderem die  Mediensprecher von SBB, Swisscom und Post!

Ein Leserbriefschreiber kommentiert den Artikel träf: «Wenn betroffene Personen von der Zeitung als Experten befragt werden, hat das mit unabhängigem Journalismus nichts mehr zu tun. Oder sind neuerdings Verbrecher Experten für Rechtsfragen?»

Zum Schluss etwas Statistik: Vom 18. April bis zum 18. Mai erschienen in den Zeitungen laut Schweizer Mediendatenbank SMD 62 Artikel zur Pro-Service-public-Initiative. In 38 Beiträgen kamen nur Gegner zu Wort. Dabei gehört es zum journalistischen Kodex, die Gegenseite mit ihren besten Argumenten zu zitieren.