"Schon ein einziger Brotkrümel macht mich krank" - Petra Geissmann, 37: Leben mit Zöliakie
Inhalt
Gesundheitstipp 2/2005
16.02.2005
Aufgezeichnet: Evi Biedermann
Ein einziges Brotkrümchen kann meinen Darm völlig durcheinander bringen. Ich bekomme Durchfall, Bauchkrämpfe und fühle mich einfach elend. Denn Brot enthält Gluten, und das vertrage ich nicht. Ich muss mich deshalb nach einem strikten Diätplan ernähren.
Oft koche ich für meine Familie und für mich separat. In meiner Küche gibt es zwei Zubereitungsplätze: einen für mich, den anderen für die Familie. Ich darf zum Beispiel nicht mit ihrem Brotmesser mein Spezialbrot schn...
Ein einziges Brotkrümchen kann meinen Darm völlig durcheinander bringen. Ich bekomme Durchfall, Bauchkrämpfe und fühle mich einfach elend. Denn Brot enthält Gluten, und das vertrage ich nicht. Ich muss mich deshalb nach einem strikten Diätplan ernähren.
Oft koche ich für meine Familie und für mich separat. In meiner Küche gibt es zwei Zubereitungsplätze: einen für mich, den anderen für die Familie. Ich darf zum Beispiel nicht mit ihrem Brotmesser mein Spezialbrot schneiden. Denn dort haften Spuren von Gluten. Das reicht bereits, um bei mir eine Kolik auszulösen. Nur wenn ich das alles konsequent einhalte, fühle ich mich gesund und leistungsfähig.
Die Diagnose Zöliakie erhielt ich erst vor fünf Jahren. Doch ich bin überzeugt, dass ich seit meiner Geburt daran leide. Denn ich kam untergewichtig zur Welt, obwohl ich nicht zu früh geboren wurde. Als Kind war ich immer kränklich, klein und dünn. Mein Bauch war stets gebläht und tat mir weh. In der Pubertät war ich müde und es fehlte mir der Appetit. Nachts wurde ich oft wegen Koliken und Durchfallattacken wach. Ich litt und verlor immer mehr Energie und Gewicht. Auch die häufigen Arztbesuche zermürbten mich. Niemand fand heraus, was mir fehlte. Ich kam mir langsam blöd vor.
Vor fünf Jahren dann hatte ich eine Lebensmittelvergiftung und musste viele Bluttests machen lassen. Dabei kam heraus, dass ich Zöliakie habe. Eigentlich hatte ich ja schon länger den Verdacht. Ich wusste also, was Zöliakie heisst: Kein Brot, keinen Kuchen, keine Guetzli. Und ich backe doch so gerne! Dass damit nun Schluss war, konnte ich nur schwer ertragen.
Die Diagnose kam kurz vor unserem Italien-Urlaub. Der Arzt meinte, ich solle jetzt nochmals alles essen und geniessen, was nachher verboten sei. Als ich dann aber die Broschüre las, die er mir mitgegeben hatte, verging mir der Appetit, und ich räumte den Lebensmittelschrank aus. Und mit dem Verzicht kam auch das Glücksgefühl: Schon nach zwei Tagen glutenfreier Ernährung hörten die Bauchschmerzen auf.
Das Backen habe ich trotzdem nicht aufgegeben. Im Gegenteil. Weil glutenfreie Produkte oft fad schmecken, habe ich immer wieder neue Rezepte ausprobiert. Heute isst die ganze Familie von meinen Kuchen. Ich habe auch am ersten Kochbuch für Zöliakie-Patienten mitgearbeitet und gebe Kochkurse für Betroffene. Der einzige Nachteil: Glutenfreie Produkte sind sehr teuer. Ein Kilo Mehl kostet 10 Franken und die Krankenkasse bezahlt nichts.
Wenn ich im Restaurant esse, gebe ich jeweils mein Zöliakie-Kärtli ab. Darauf steht, was ich nicht essen darf. In der Regel klappt das gut. Das grössere Problem ist das «versteckte» Gluten in Lebensmitteln. Auf den Packungen ist noch längst nicht alles sauber deklariert. Manchmal steht nur «enthält Stärke» oder «kann Gluten enthalten». Dann kaufe ich es nicht. Manchmal ist es schon anstrengend, das Essen immer vorsichtig und äusserst diszipliniert zu planen. Doch wenigstens muss ich keine Medikamente nehmen. Dank der Diät habe ich wieder sehr viel Lebensqualität gewonnen.
Eine strikte Diät verhindert schmerzhafte Darmkoliken
Zöliakie ist eine chronische Krankheit des Dünndarms. In der Schweiz sind 5 von 1000 Menschen betroffen. Viele wissen nicht, dass sie krank sind, denn die Beschwerden sind nicht eindeutig.
Betroffene vertragen kein Gluten. Dieses Kleber-Eiweiss kommt in Getreide wie Weizen, Dinkel, Grünkern, Gerste, Roggen und Hafer vor. Bereits kleinste Mengen reichen, damit sich die Darmschleimhaut entzündet und der Körper wichtige Mineralien und Vitamine nicht mehr aus der Nahrung aufnehmen kann. Die Folgen sind Mangelerscheinungen, Blutarmut, Bauchweh, Durchfall oder Verstopfung und Gewichtsverlust.
Bei Verdacht auf Zöliakie kann eine Blutuntersuchung weitgehend Klarheit schaffen. Die definitive Diagnose erfolgt mittels Biopsie. Zöliakie kann man nicht heilen. Aber dank einer glutenfreien Ernährung können die Betroffenen beschwerdefrei leben.
- Kontakt:
IG Zöliakie der Deutschen Schweiz, Sekretariat Anita Dimas, Birmannsgasse 20, 4055 Basel, Tel. 061 271 62 17, E-Mail: sekretariat@ zoeliakie.ch, www.zoeliakie.ch.
- Buchtipp:
Carine Buhmann: «Glutenfrei kochen und backen. Ein praktischer Ratgeber mit über 130 Rezepten bei Zöliakie», AT-Verlag, Fr. 38.-