Schluss mit der Anonymität für Grüsel-Wirte
Immer wieder müssen Lebensmittelkontrolleure Restaurants wegen gravierender hygienischer Mängel beanstanden. Die Konsumenten erfahren aber nicht, um welche Lokale es sich handelt. Der Kanton Zug will das nun ändern.
Inhalt
saldo 13/2008
24.08.2008
Letzte Aktualisierung:
26.08.2008
Thomas Lattmann
Schmutzstarrende Küchen, verdorbene Lebensmittel, Kakerlaken in den Vorratsschränken: Die kantonalen Lebensmittelkontrolleure treffen bei ihren unangemeldeten Inspektionen in Gaststätten immer wieder auf viel Unappetliches.
Besonders alarmierend sind die Zahlen in der Stadt Zürich: Dort mussten im letzten Jahr wegen unhaltbarer hygienischer Zustände in 68 Fällen Betriebe geschlossen oder Benützungsverbote ausgesprochen werden. «Die Sc...
Schmutzstarrende Küchen, verdorbene Lebensmittel, Kakerlaken in den Vorratsschränken: Die kantonalen Lebensmittelkontrolleure treffen bei ihren unangemeldeten Inspektionen in Gaststätten immer wieder auf viel Unappetliches.
Besonders alarmierend sind die Zahlen in der Stadt Zürich: Dort mussten im letzten Jahr wegen unhaltbarer hygienischer Zustände in 68 Fällen Betriebe geschlossen oder Benützungsverbote ausgesprochen werden. «Die Schwere der Fälle hat zugenommen», sagt Christina Weber, Leiterin Gesundheitsschutz der Stadt Zürich. «Inzwischen müssen wir sogar Restaurants im Hochpreissegment verzeigen. Das ist bedenklich.»
Stadt Basel: Jedes vierte Restaurant mit Hygiene-Mängeln
Auch anderswo ist es gemäss den Statistiken des vergangenen Jahres mit der Hygiene nicht zum Besten bestellt: Im Kanton Luzern wiesen rund 13 Prozent der geprüf-ten Betriebe erhebliche oder grosse Mängel auf. In der Stadt Basel hat sich die Situation gegenüber dem Vorjahr verschlechtert. Rund ein Viertel der überprüften Gaststätten schnitt mangelhaft bis schlecht ab. Und im Kanton Aargau mussten vorübergehend von Amtes wegen 15 Betriebe geschlossen werden.
In dieses Bild passt das Ergebnis einer Anfang August veröffentlichten Untersuchung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) über Lebensmittelvergiftungen. Häufigster Grund für die Erkrankungen waren Salmonelleninfektionen – ein klarer Hinweis auf mangelnde Küchenhygiene.
Das Amtsgeheimnis sorgt bei manchen Gästen für Bauchweh
Das grösste Risiko zu erkranken hatten die Kunden von Restaurants. An zweiter Stelle lagen Spitäler und Heime – erst dann folgen die Privathaushalte.
Peter Grütter, Präsident des Verbandes der Kantonschemiker, stuft rund fünf Prozent der Gastrobetriebe in der Schweiz als «prekär» ein für die Konsumenten. Obwohl den staatlichen Kontrolleuren in der Regel bekannt ist, wo Schmutzfinken wirten, werden diese Beizen – mit Verweis auf das Amtsgeheimnis – nicht publik gemacht. Ob es sich um eine Gammelbeiz handelt, erfährt der Gast erst, wenn er sich nach dem Restaurantbesuch vor Bauchschmerzen windet oder ein Lokal von den Behörden geschlossen wird.
Im Kanton Zug soll nun Schluss sein mit dieser Heimlichtuerei. Das neue Gesundheitsgesetz sieht vor, dass alle Betriebe, die von der Lebensmittelkontrolle geprüft werden, nebst dem Kontrollbericht eine amtliche Qualitätsbescheinigung erhalten. Sie gibt in leicht verständlicher und vergleichbarer Form wieder, wie hygienisch ein Betrieb arbeitet. Den Wirten ist es überlassen, ob sie das Dokument in ihrem Restaurant aufhängen oder in einer Schublade verschwinden lassen.
Die Zuger Regierung wollte ursprünglich noch weiter gehen und die Beizer verpflichten, den letzten Inspektionsbefund öffentlich zugänglich zu machen. Doch dem Kantonsparlament ging ein solches Obligatorium zu weit.
Transparenz für Gäste: Saubere Wirte haben nichts zu verbergen
Der Zuger Kantonschemiker Werner Ettel erwartet, dass die Restaurants mit guten Noten ihre Beurteilungen von sich aus gut sichtbar aufhängen werden. Das werde auf die schlechter bewerteten einen gewissen Druck erzeugen.
Das sieht auch Josef Rüttimann vom Restaurant Bären in Baar ZG so: «Wer das Papier künftig nicht aufhängt, gerät in den Verdacht, dass etwas nicht stimmt.» Die Mehrheit der von saldo angefragten Zuger Wirte plant denn auch, die Qualitätsbescheinigung für die Gäste zugänglich zu machen. «Das hängen wir auf. Wir haben ja nichts zu befürchten», sagt etwa Lena Seemann vom Restaurant Ascot in Zug.
«Kein Zusammenhang zwischen Ausbildung und Hygiene-Mängeln»
«Gar nicht glücklich» über die neue Regelung ist Peter Iten, Präsident des Zuger Wirteverbands. Wenn ein Betrieb sich etwas zuschulden kommen lasse, sei das wie ein Brandmal, das selbst nach einem Wirtewechsel nicht mehr verschwinde, prophezeit er. Der Wirteverband werde deshalb seine Mitglieder nicht dazu ermuntern, die Qualitätsbescheinigung aufzuhängen.
Keine Freude an der neuen Tranparenz haben auch einige Kantonschemiker wie etwa Rolf Etter aus Zürich: «Das ist eine völlig wirkungslose Massnahme.» Für ihn und andere Berufskollegen ist es keine Lösung für die ganze Schweiz. Sie fordern stattdessen eine verbesserte und verstärkte Hygiene-Ausbildung für Wirte.
Das BAG wird noch dieses Jahr eine neue Verordnung vorbereiten, welche die Anforderungen an die Hygieneausbildung von Personen, die mit Lebensmitteln arbeiten, genau festlegt. Gemäss BAG besteht allerdings kein Zusammenhang zwischen dem Besitz eines Fähigkeitsausweises zum Führen eines Restaurants und dem Auftreten von Hygienemängeln. Das zeige der Vergleich von Daten aus Kantonen mit und ohne Wirteprüfung.
Transparente Bewertung als Ansporn für die Wirte
Seit 1998 existiert in der US-amerikanischen Metropole Los Angeles ein Hygiene-Einstufungssystem für Restaurants. Aufgrund der Resultate der amtlichen Lebensmittelkontrollen werden die Gaststätten in die Kategorien A, B oder C eingeteilt. Die Lokale sind verpflichtet, die Bewertung gut sichtbar beim Eingang anzubringen. Zu Beginn der neuen Regelung erreichten 58 Prozent der Restaurants die Höchstbewertung A. Innert sechs Jahren stieg dieser Anteil auf 83 Prozent. Zudem belegen wissenschaftliche Studien, dass sich das System positiv auf die Einnahmen der gut bewerteten Restaurants auswirkt. Auch die Zahl der Spitalaufenthalte wegen Lebensmittelvergiftungen ging zurück.