Bauernschinken, Model- oder Hinterschinken muss vom hinteren Oberschenkel eines Schweins stammen. Dieses Stück hat den höchsten Anteil an Muskelfleisch: Es enthält viel Eiweiss und ist besonders zart.
saldo wollte wissen, wie es um die Qualität des in den Läden verkauften Schinkens steht, und machte eine breit angelegte Stichprobe: 20 im Offenverkauf angebotene und 20 abgepackte Schinken wurden im Labor auf Hygiene, Wassergehalt und den Anteil an Muskelfleisch untersucht.
Resultat: In 5 Proben fand das Labor zu viele Verderbniskeime. Im Hinterschinken Nature Suisse von Aldi hatte es insgesamt 19 Millionen koloniebildende Einheiten (KBE) pro Gramm. Der Toleranzwert der Hygieneverordnung für die Gesamtkeimzahl liegt bei höchstens 10 Millionen KBE pro Gramm. Auch die zweite Aldi-Probe «Alpina Delikatess Hinterschinken» überschritt diesen Wert deutlich. Negativer Spitzenreiter war jedoch der «La Felinese Prosciutto Cotto» von Globus, mit Fr. 7.90 pro 100 Gramm der weitaus teuerste Schinken. Er überschritt den Toleranzwert um das 21-Fache (210 Millionen KBE).
Zu viele durchfallauslösende Keime in zwei Schinken
Eine erhöhte Gesamtkeimzahl deutet auf unsaubere Produktion, schlechte Ausgangsprodukte oder unsorgfältige Lagerung hin. Solches Fleisch ist unappetitlich, wenn nicht gar verdorben.
Zwei Schinken enthielten zu viele Enterobakterien. Diese Keime können Durchfall auslösen. Der Toleranzwert für Enterobakterien im Schinken liegt bei 100 KBE pro Gramm. Der «M-Budget Hinterschinken» überschritt diesen Wert um das 9-Fache, der «Bauernschinken Alpschwein» der Basler Metzgerei Kuhn um das 13-Fache.
Bei jedem fünften Produkt ist der Wasseranteil zu hoch
Die restlichen 35 Proben lagen innerhalb der Toleranzgrenzen für Bakterien. Bei mehr als einer Million Verderbniskeimen pro Gramm vergab saldo noch eine genügende Note. Schinken mit bis zu einer Million Keimen wurden als gut bewertet.
Beim Konservieren wird dem Schinken meist Wasser mit Pökelstoff zugesetzt. Das Wasser muss beim Kochen aber wieder entzogen werden. Laut den Qualitätsleitsätzen des Schweizerischen Fleisch-Fachverbandes darf das Verhältnis von Eiweiss zu Wasser im Schinken nicht höher als 3,7 sein. Das Labor fand auch höhere Werte. Die Note «ungenügend» gab es etwa für «Coop Prix Garantie Cotto». Dieses Produkt ist allerdings nicht als Schinken bezeichnet, sondern als «Schweinefleischerzeugnis, gekocht». Zu viel Wasser enthielten auch die Produkte der Zürcher Metzgereien Bär, Ziegler und Schär (Jelmoli, Zürich), der offene «Hinterschinken» aus der Frische-Theke des Migros Neumarkt, St. Gallen, sowie der «Vuillamy Hinterschinken» von Manor (St. Gallen).
Laut Ziegler-Geschäftsführer Jürg Baumgartner hat der Hinterschinken bei internen Kontrollen noch nie einen erhöhten Wassergehalt aufgewiesen. Dennoch würden Arbeitsabläufe und Rezepturen noch einmal überprüft. Vuillamy-Hersteller Bell verweist darauf, dass der Wasser- und Proteingehalt geringe Schwankungen aufweisen könne: «Wir haben den Vuillamy-Schinken kürzlich analysiert und konnten keinen erhöhten Wert feststellen», sagt Bell-Sprecher Fabian Vetsch. Auch Micarna, Hersteller der Schinken von Schär und Migros, sagt, dass sich der Wassergehalt je nach Produktion und Messmethode unterscheiden könne.
«Kochschinken ist ein sensibles Produkt»
Aldi ist überrascht über die hohe Gesamtkeimzahl: «Bei internen Kontrollen wurden keine Beanstandungen festgestellt», sagt Sprecher Philippe Vetterli. Er vermutet, dass die Kühlkette unterbrochen wurde. Auch Migros und Globus verweisen auf eigene Untersuchungen, die keine erhöhten Bakterienzahlen ergeben hätten. Globus-Sprecher Andreas Brügger vermutet ebenfalls Probleme bei der Kühlung: «Kochschinken ist ein sensibles Produkt und toleriert keine Temperaturschwankungen bei Transport und Lagerung.»
Das Labor untersuchte zudem die Fleischqualität. Sie ist umso höher, je mehr Muskeleiweiss und je weniger Bindegewebe der Schinken enthält. Laut den Leitsätzen des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sollte der Anteil Muskeleiweiss in Hinter-, Bauern- oder Modelschinken mindestens 85 Prozent betragen. Alle getesteten Schinken liegen klar darüber.