Ringier: Kampagnenjournalismus für die eigene Kasse
Die Ringier-Blätter «Schweizer Illustrierte» und «Blick» unterstützen Graubündens Kandidatur für die Olympischen Spiele – aus eigenen kommerziellen Interessen. Das wird den Lesern verschwiegen.
Inhalt
saldo 04/2013
06.03.2013
Rolf Hürzeler
Die SP-Nationalrätin Silva Semadeni ist ein nationales Aushängeschild. Sie ist auch eine «Jeanne d’Arc der Olympia-Gegner». Das behauptet zumindest der «Blick» in einem kurzen Porträt über die Bündner Politikerin, in dem sie sich gegen die Spiele 2022 in der Schweiz aussprechen darf.
Dieser Artikel hatte Seltenheitswert in der gesamten Ringier-Presse. Denn «Blick» und «Schweizer Illustrierte» propagieren...
Die SP-Nationalrätin Silva Semadeni ist ein nationales Aushängeschild. Sie ist auch eine «Jeanne d’Arc der Olympia-Gegner». Das behauptet zumindest der «Blick» in einem kurzen Porträt über die Bündner Politikerin, in dem sie sich gegen die Spiele 2022 in der Schweiz aussprechen darf.
Dieser Artikel hatte Seltenheitswert in der gesamten Ringier-Presse. Denn «Blick» und «Schweizer Illustrierte» propagieren die Grossveranstaltung. Dahinter stecken geschäftliche Interessen: Ringier ist nicht nur ein Verlag. Unter vielem anderen betreibt der Konzern auch die Sportvermarktungsfirma Infront. Diese hat den Auftrag, das Sponsoring zu organisieren, wenn die olympischen Winterspiele in Davos und St. Moritz durchgeführt würden. Das ist zwar legitim, zumal Ringier auf der Infront-Homepage über dieses Engagement informiert. Aber die Leser der Ringier-Blätter wurden in diesen Publikationen nirgends auf diese geschäftlichen Interessen aufmerksam gemacht.
Ganzseitige Werbehymnen im Sportteil des «Blick»
«Blick»-Leser konnten sich höchstens wundern, warum ihr Blatt auf einer ganzen Seite für diese Spiele geworben hatte: Der Sportchef erging sich dabei in geradezu hymnischen Bekenntnissen: «Wir öffnen die Arme und präsentieren die faszinierende Bergwelt.» Und weiter: «Vor mehr als hundert Jahren ist die olympische Idee wiedergeboren worden. Die Jugend dieser Welt sollte sich vereinen. Der Sport als integrative, friedensstiftende Kraft lebt vor allem von diesem, dem olympischen Gedanken.»
Ins gleiche Horn wie der «Blick»-Sportchef stiess der Bundeshausredaktor. Olympische Spiele seien «für die kleine Schweiz eine Gemeinschaftsaufgabe. Und für die Skination ein gemeinsames Fest.» Auch für die Kosten fand «Blick» beruhigende Worte: «Laufen die Finanzen aus dem Ruder, muss Maurer die Olympiaübung ohne Wenn und Aber abbrechen» – als wären jemals Olympische Spiele aus Kostengründen abgesagt worden.
Sportler und Promis sollen die Leser für Olympia begeistern
Ringier-Blätter wie die «Schweizer Illustrierte» mit ihren vielen farbigen Köpfen eignen sich für eine Kampagne: Politische Forderungen lassen sich über Prominente am besten verbreiten. Das Blatt setzt damit auf einen Solidaritätseffekt bei der Leserschaft. Denn wenn erfolgreiche Sportler und Leute aus dem Showbusiness sich für die Spiele einsetzen, muss man wohl als Stimmbürger ebenfalls begeistert sein.
So trommelte die «Schweizer Illustrierte» gleich hundert Promis zusammen, die sich als Olympiafans geben mussten. Und der Chefredaktor zitierte die wichtigsten von ihnen wie Roger Federer oder den ehemaligen Skifahrer Silvano Beltrametti mit begeisterten Aussagen über das Vorhaben: «Wir könnten beweisen, dass wir fähig sind, etwas Grosses auf die Beine zu stellen.» Selbst der Adel setzte sich für das Anliegen ein. Fürst Albert von Monaco sagte dem Blatt: «Die Schweiz hat Olympia verdient!» Und er würdigt seinen «guten alten Freund Dölf» Ogi, der schon zwei Mal vergeblich für Olympia gekämpft habe.
Die Ringier-Blätter vermischen redaktionelle Leistungen und Werbung ohne Bedenken. Ein Gefälligkeitsinterview in der «Schweizer Illustrierten» war in dieser Beziehung Spitzenklasse. Der Werbechef des Autoimporteurs Amag darf brave Fragen beantworten – etwa warum sein Unternehmen die Dachorganisation Swiss Olympic finanziell unterstützt. Der Leser erfuhr, dass Amag nicht aus geschäftlichen Interessen bezahle, sondern aus gemeinnützigen: «Es ist nicht zwingend die Idee dieses Engagements, mehr Autos zu verkaufen. Wir wollen den Schweizer Spitzensport unterstützen. Ist die Schweiz gut, kommt ein Wir-Gefühl auf und das tut der ganzen Schweiz gut.»
«Sonntagsblick» spannt Bundesrat für sich ein
Gut zum Bild passt in der gleichen Nummer der «Schweizer Illustrierten» auch ein weiteres Gefälligkeitsinterview mit Gian Gilli, dem Sportdirektor von Swiss Olympic und Leiter des Vereins für Olympische Winterspiele. Auch Gilli stellte das Projekt in einen grösseren Zusammenhang: «Die Olympischen Spiele sind ein Anlass mit Weltausstrahlung, mit dem sie die Schweiz nach aussen imagemässig ins Gespräch bringen können. Und nach innen brauchen wir mal wieder eine gemeinsame Herausforderung.» Mit anderen Worten: Ein vaterlandsloser Geselle, wer gegen ein solches Vorhaben ist.
Der «Sonntagsblick» stand ebenfalls im Dienst von Olympia, wenn auch deutlich zurückhaltender als die Tageszeitung. Das Blatt lobte «Sportminister Ueli Maurer», der zur «Olympia-Hochform aufläuft». Denn er versprach grosszügig: «Der Bund wird die Defizitgarantie übernehmen.» Und sagte wie alle anderen auch: «Wir Schweizer haben es nötig, mal wieder gemeinsam etwas Grosses zu veranstalten.» Allerdings kamen im «Sonntagsblick»-Bericht auch kritische Stimmen zu Wort.