Südlich des havarierten Atomkraftwerks Fukushima liegen mehrere grosse Tee-Anbaugebiete. Wenige Wochen nach der AKW-Katastrophe hat die Tee-Ernte begonnen. Jetzt gelangt auch radioaktiv verstrahlte Ware in Schweizer Geschäfte. Das zeigt eine Stichprobe des Gesundheitstipps.
Der Gesundheitstipp kaufte in neun Läden in Basel, Bern und Zürich Grüntees ein, die laut dem Verkaufspersonal im Jahr 2011 geerntet wurden. Das Kantonale Laboratorium Basel-Stadt mass, wie stark die Tees mit radioaktivem Cäsium belastet sind. Das Resultat: Neun von zwölf japanischen Grüntee-Sorten sind mit radioaktivem Cäsium belastet. Markus Zehringer vom Kantonalen Laboratorium Basel-Stadt erklärt: «Dieses Cäsium stammt sicher von der Reaktorkatastrophe in Fukushima.»
Alle Shincha-Proben enthielten Cäsium
Den höchsten Wert mass das Labor in der Teesorte Shincha First Flush Ureshino, den das Kolonialwarengeschäft Schwarzenbach in Zürich verkauft. Dieser Tee enthält radioaktives Cäsium-137 in der Höhe von 6,1 Becquerel pro Kilogramm. Auch alle anderen Shincha-Proben, die der Gesundheitstipp untersuchen liess, enthalten Cäsium-134 und Cäsium-137 zwischen 0,5 und 5,9 Becquerel pro Kilogramm.
Zum Vergleich: Der Schweizer Toleranzwert für Tee liegt bei 10 Becquerel pro Kilogramm. Oberhalb des Toleranzwerts gilt die Ware als verunreinigt, was einen Rüffel des Lebensmittelkontrolleurs zur Folge haben kann. Seit der Fukushima-Katastrophe gilt jedoch nur noch der Grenzwert von 500 Becquerel. Solange der Cäsium-Gehalt darunter liegt, dürfen Händler den Tee verkaufen.
Dennoch sagt Stefan Füglister, Atom-Experte von Greenpeace: «Tee, der mit solchen Cäsium-Werten belastet ist, würde ich nicht kaufen.» Der Basler Krebsarzt Claudio Knüsli erklärt: «Es gibt keine biologisch harmlose Strahlendosis.» Cäsium sei wasserlöslich. Wenn die Teeblätter radioaktives Cäsium enthalten, gehe das Cäsium in den Aufguss über, sagt der Arzt. Experten halten das gesundheitliche Risiko des mit Cäsium belasteten Tees aber für gering. Dennoch rät Knüsli, man solle nur Tee kaufen, der nicht kontaminiert ist.
Zum Vergleich liess der Gesundheitstipp auch drei Beuteltees von Aldi, Coop und Migros im Labor testen. Die Beuteltees enthalten Cäsium-Spuren zwischen 0,36 und 0,68 Becquerel. Bei den Produkten von Aldi und Migros ist nicht deklariert, in welchen Ländern der Tee angebaut wurde. Auf den Packungen steht nur «Asien». Laut Markus Zehringer ist es unklar, ob das Cäsium der Beuteltees aus Fukushima stammt.
Tee wird in vielen japanischen Regionen angebaut (siehe Karte). Doch in Japan ist nicht nur Tee radioaktiv verseucht, sondern auch Fleisch, Reis, Milch, Fische und andere Lebensmittel. Letztes Jahr importierten Händler laut der Oberzolldirektion 23 Tonnen Reis, 23 Tonnen Gemüse, 24 Tonnen Algen und viele andere Lebensmittel in die Schweiz. Doch das Bundesamt für Gesundheit veröffentlicht nur einzelne Stichproben.
In ihren Stellungnahmen schreiben Länggass-Tee, Seï-un-do, Tea Gschwendner, Twinings, Aldi, Migros und Coop, die gemessenen Cäsium-Werte lägen weit unter dem Grenzwert. Länggass-Tee schreibt, die Firma habe bei einem eigenen Labortest keine erhöhten radioaktiven Werte festgestellt. London Tea beruft sich auf den Importeur, der bestätigt habe, die radioaktive Belastung sei «so klein, dass sie kaum nachweisbar ist».
Tea Gschwendner erklärt, für die Zubereitung eines Liters Tee würden nur 10 bis 15 Gramm Teeblätter verwendet. Schwarzenbach Kolonialwaren hat ausgerechnet, dass im Aufguss «nur noch Cäsium zwischen 0,01 und 0,138 Becquerel» vorhanden sei. Twinings teilt mit, die verwendeten Teeblätter kämen nicht aus Japan, sondern seien 2010 in China gepflückt worden.
Gratis-Merkblatt «Radioaktive Stoffe in Lebensmitteln»
Die vollständigen Testresultate finden Sie auf einem Merkblatt. Sie können es herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder mit einem frankierten C5-Antwortcouvert bestellen: Gesundheitstipp, «Radioaktiv», Postfach 277, 8024 Zürich.
Fische und Meeresfrüchte: Ebenfalls Spuren von Radioaktivität
Der Gesundheitstipp liess auch 20 Fisch- und Meeresfrüchte-Proben von Grossverteilern und Fischgeschäften im Labor auf radioaktive Stoffe untersuchen. Neun Fischproben enthalten Spuren von radioaktivem Cäsium-137 im Bereich zwischen 0,1 und 0,3 Becquerel pro Kilo. Bei elf weiteren Fischen und Meeresfrüchte fand das Labor keine radioaktiven Stoffe. Fünf Algenblätter-Proben, mit denen man Sushi und Suppen machen kann, sind ebenfalls frei von Cäsium.