Prostata-Pillen erhöhen das Risiko für Krebs
Neue Studien zeigen: Pillen gegen Prostatabeschwerden können aggressive Tumoren begünstigen. Dazu gehören Medikamente wie Proscar oder Avodart.
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saldo 14/2011
10.09.2011
Letzte Aktualisierung:
13.09.2011
Tobias Frey
Ab dem 60. Altersjahr kämpft jeder zweite Mann gegen eine vergrösserte Prostata. Kein Wunder, entwickelt die Pharmaindustrie Wirkstoffe für diesen gigantischen Markt. Zwei sind mittlerweile zugelassen: Finasterid und Dutasterid. Finasterid ist im Präparat Proscar enthalten, Dutasterid in Avodart.
Doch jetzt warnt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde: Die Medikamente können aggressive Formen von Prostatakrebs auslösen. Alle Medikamente müs...
Ab dem 60. Altersjahr kämpft jeder zweite Mann gegen eine vergrösserte Prostata. Kein Wunder, entwickelt die Pharmaindustrie Wirkstoffe für diesen gigantischen Markt. Zwei sind mittlerweile zugelassen: Finasterid und Dutasterid. Finasterid ist im Präparat Proscar enthalten, Dutasterid in Avodart.
Doch jetzt warnt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde: Die Medikamente können aggressive Formen von Prostatakrebs auslösen. Alle Medikamente müssen deshalb in den USA einen Warnhinweis tragen. Studien haben gezeigt: Wer Finasterid schluckt, hat ein um ein Drittel höheres Risiko, einen aggressiven Tumor zu entwickeln. Bei Dutasterid ist das Risiko sogar doppelt so hoch.
Das Paradoxe: Mit den Studien wollten die Hersteller eigentlich zeigen, dass die Medikamente nicht nur gegen die Beschwerden der Prostata nützen, sondern auch vor Tumoren schützen könnten. Das tun sie zwar auch, aber nur vor den weniger aggressiven Formen. Die amerikanischen Gesundheitsbehörden haben berechnet: Um statistischerweise drei bis vier weniger aggressive Tumoren zu verhindern, müsste man einen Fall von besonders aggressivem Krebs in Kauf nehmen. Das Fazit der Behörden: «Diese Medikamente eignen sich nicht zum Vorbeugen gegen Prostatakrebs.»
Medikamente haben auch negativen Einfluss auf Libido und Potenz
Für den Arzt Etzel Gysling, Herausgeber des Fachblattes «Pharmakritik», ist klar: «Über diese Risiken muss man die Patienten aufklären.» So könnten sie die Option wahrnehmen, auf die Medikamente zu verzichten. Gegen eine vergrösserte Prostata braucht es nicht unbedingt Medikamente, sagt Gysling: «Die Symptome muss man nicht in jedem Fall behandeln.» Dies bestätigt auch der Zürcher Hausarzt Thomas Walser: «Ich verschreibe die Medikamente praktisch nie.» Denn sie hätten weitere Nebenwirkungen. So vermindern sie Libido und Potenz. Gelangten zudem nur Spuren der Wirkstoffe auf die Haut von Schwangeren, könnten sie den Fötus schädigen. Das deutsche «Arznei-Telegramm» empfiehlt als Alternative Medikamente mit dem Wirkstoff Doxazosin.
Bei ersten Beschwerden einer vergrösserten Prostata setzt Walser auf pflanzliche Präparate wie Extrakte aus Blättern der Sägezahnpalme oder Brennnesselwurzeln. «In diesem Stadium wirken sie gleich gut wie Medikamente.» Erste Studien gibt es auch zu Kürbiskern-Extrakten.
Auch vor Tumoren in der Prostata können sanfte Mittel sowie ein geeigneter Lebensstil schützen. Darauf weisen viele Studien hin. Dazu gehören regelmässige Bewegung und ausgewogene Ernährung. Und das heisst: Viel Gemüse – vor allem Tomaten – und Früchte, dafür wenig rotes Fleisch und Milchprodukte. Es gibt Hinweise, dass auch grüner Tee und Omega-3-Fettsäuren vor Prostatakrebs schützen. Die Fettsäuren sind in Raps- und Leinöl, aber auch in fettem Fisch enthalten. Wer zudem mehr als vier Mal in der Woche Sex hat, senkt das Risiko ebenfalls.
Swissmedic prüft Änderung der Beipackzettel
Hans-Georg Lippman von der Heilmittelbehörde Swissmedic sagt gegenüber saldo, der Schaden für die Patienten durch die beiden Wirkstoffe sei «nicht völlig eindeutig». Dennoch prüfe Swissmedic, ob die Hersteller die Packungsbeilage ändern müssten.
Die Firma Merck Sharp & Dohme schreibt, es sei «nachgewiesen», dass ihr Medikament Proscar gegen vergrösserte Prostata wirke. Avodart-Herstellerin Glaxo-Smith-Kline sagt, zum Behandeln von «moderaten bis mittelschweren Symptomen» habe ihr Medikament ein «positives Nutzen-Risiko-Verhältnis». Swissmedic und beide Firmen betonen, dass die Medikamente nicht zum Vorbeugen von Prostatatumoren zugelassen seien.