Die Frühzusteller tragen bei Wind und Wetter Tages- und Sonntagszeitungen aus. Von Montag bis Samstag sind sie von 5 Uhr bis 6.30 Uhr auf der Tour, am Sonntag bis 7.30 Uhr. 

Wer als Frühzusteller bei der Post-Tochter Presto Presse-Vertriebs AG tätig ist, wird schlecht bezahlt. Gemäss dem Gesamt­arbeitsvertrag (GAV) von Presto beträgt der Mindestlohn pro Stunde ganze 21 Franken brutto (in­klusive Zuschlägen und 13. Mo­natslohn). Zum Vergleich: Zusteller, die direkt bei der Post angestellt sind, haben gemäss GAV der Post Schweiz AG pro Stunde 26 Franken zugute. Aktuell beschäftigt Presto 8500 Frühzusteller.

Gleiche Tour, ein ­Drittel weniger Lohn

Und nun wird der anstrengende Job noch schlechter entlöhnt: Denn die Presto Presse-Vertriebs AG hat gewisse Zustelltouren neu berechnet. Die Folge: Die betroffenen Zeitungsverträger erhalten ab 1. Juni rund einen Drittel weniger Lohn. Das, obwohl die Anzahl der zu bedienenden Haushalte etwa gleich geblieben ist.

 Davon betroffen ist Benny Dalle Carbonare Meier (30) aus Rüfenacht BE. Die Presto Presse-Vertriebs AG hat ihm bisher für seine vier Kilometer lange Verträgertour 86 Minuten bezahlt – ab dem 1. Juni soll er nur noch 60 Minuten bezahlt bekommen. 

Apropos: Die gleiche Tour hatte schon der Schwiegervater von Dalle Carbonare in den 90er-Jahren gemacht, als sie noch von der Vorgänger­firma der Presto  betreut wurde. Damals wurden für die Tour 100 Minuten berechnet.

Benny Dalle Carbonare sagt: «Die Tour in 60 Minuten zu schaffen, wie es Presto gemessen hat, ist unmöglich – selbst wenn man die ganze Strecke rennen würde. Und bei Regen braucht man noch mehr Zeit, weil man aufpassen muss, dass keine Zeitung nass wird.»

Laut dem Presto-Sprecher Bernhard Bürki wurde «die besagte Tour noch nie bemessen». Die Post habe für die Berechnung der Touren einheitliche Parameter festgelegt – wie etwa die erwartete Geschwindigkeit für eine Fusstour oder die Zeit fürs Handling der Zeitung beim Depot. Warum Presto die bisherige Tour so stark zusammenkürzte, erklärt die Post nicht. Bürki sagt bloss: «Das kann mit der Neuberechnung nach einheitlichen Parametern zusammenhängen oder mit den stark rückläufigen Zeitungsmengen.» 

Der K-Tipp kennt den wahren Grund: Die Rückfahrt vom Schluss der Tour nach Hause wird nicht mehr bezahlt. Und was die angeblich «rückläufige Zeitungsmenge» betrifft: Pro Monat verteilt Dalle Carbonare rund 2000 Zeitungen – etwa gleich viel wie 2010, als er bei Presto seinen Dienst begann.

«Die Messung ist nicht realistisch»

Ein zweites Beispiel: Edith Kläy (62) ist in Muri bei Bern für Presto unterwegs. Auch sie erhält ab Sommer weniger Lohn. Statt bisher 70 Minuten werden ihr für die gleiche Route nur noch 64 Minuten bezahlt: «Die Messung ist nicht realistisch. Ich benötige zu Fuss 85 Minuten für meine Tour. Mit dem Auto dauert es rund 70 Minuten – aber auch nur, wenn das Wetter schön ist.» 

Die Gewerkschaft Syndicom, die mit der Post den Gesamtarbeitsvertrag für die Presto Presse-Vertriebs AG aushandelte, erklärt gegenüber dem K-Tipp: «Diese Art von Zeitmessung ist unfair. Mit ­unrealistischen Vorgaben werden indirekt Löhne gesenkt.» Der gültige GAV läuft am 1. Februar 2017 aus. Zu den Löhnen erklärt David Roth von Syndicom: «Der Lohn ist tief und entspricht überhaupt nicht unseren Vorstellungen.»

Benny Dalle Carbonare hat die Konsequenzen bereits gezogen: «Ich hab bei Presto gekündigt. Der neu berechnete Lohn ist definitiv zu tief. Das lohnt sich nicht mehr.»