Kinder können unter hohem Blutdruck leiden, wenn auch nur selten: Gerade mal etwa 2 von 100 sind betroffen. Das zeigen verschiedene Untersuchungen. Dennoch raten immer mehr Kinderärzte den Eltern, Kindern beim Routineuntersuch den Blutdruck messen zu lassen, so auch Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser: «Dann ist es sinnvoll.»
Erhöhter Blutdruck: Es gibt Warnzeichen
Der Kinderarzt Giacomo Simonetti am Inselspital in Bern sagt: «Ein erhöhter Blutdruck kann auf schwere Krankheiten hinweisen.» Am häufigsten handle es sich dabei um Krankheiten der Niere, die man behandeln müsse. Aber auch übergewichtige Kinder neigen zu erhöhtem Blutdruck (siehe Gesundheitstipp 6/12). Er ist ein Warnzeichen, dass das Kind sich schlecht ernährt und zu wenig bewegt. Zudem: Passivrauchen wirkt sich nicht nur negativ auf die kindliche Lunge aus, sondern auch auf den Blutdruck des betroffenen Kindes. Simonetti beobachtete im vergangenen Jahr in einer Studie mit über 4000 Kindern im Kindergartenalter, dass sie einen höheren Blutdruck hatten, wenn die Eltern rauchten. Forscher in Heidelberg (D) kamen bereits 2011 bei einer Untersuchung mit 4200 Vorschulkindern zu ähnlichen Ergebnissen.
Zwar gibt es noch keine exakten Daten, welcher Blutdruck bei Kindern normal ist, doch er ist generell tiefer als bei Erwachsenen. Mittlerweile haben sich die Kinderärzte auf Richtwerte geeinigt (siehe Tabelle). So hat ein 8-Jähriger mit einem Wert von 120 bereits hohen Blutdruck – für Erwachsene ist dieser Wert normal. Doch auch zum Richtwert gibts nur wenige Studien. Deren Aussagekraft ist noch nicht eindeutig. Zudem mischt die Pharmaindustrie wacker mit. Im Vorstand der schweizerischen Gesellschaft für Hypertonie, die die Richtlinien herausgibt, sitzen zwei Pharmavertreter. Ein hoher Blutdruck im Kindesalter hat Folgen. Kinderarzt Simonetti: «Neue Erkenntnisse zeigen: Einen Bluthochdruck im Kindesalter nimmt man mit hoher Wahrscheinlichkeit mit ins Erwachsenenleben.» Ein frühes Erkennen und eine allfällige Therapie beuge daher Schäden an der Niere sowie Herzkrankheiten, Hirnschlag oder Hirnblutung vor.
Medikamente nur, wenn Organ geschädigt ist
Kinderärzte empfehlen, den Blutdruck erstmals bei etwa 6-jährigen Kindern kontrollieren zu lassen. Dann sei der Nutzen belegt, so Simonetti: «Früher macht in der Regel wenig Sinn.» Ausnahme: bei Kindern mit Risikofaktoren. Dazu gehören niedriges Geburtsgewicht, eine zu frühe Geburt und eine genetische Veranlagung.
Hat ein Kind erhöhten Blutdruck, raten Ärzte den Eltern, in erster Linie die Ernährung des Kleinen umzustellen und die Bewegung zu fördern. Simonetti: «Bei den meisten kleinen Patienten bessert sich dann der Blutdruck ohne Medikamente.» Nur wenn Organe erste Schäden zeigen, verschreiben Ärzte Medikamente. Das ist nötig bei verschlechtertem Sehen oder einem vergrössertes Herz. Es gibt allerdings kein Blutdruckmittel, das für Kinder zugelassen ist. Nur wenige Studien untersuchten Sicherheit und Nutzen von Blutdruckmitteln für Kinder.
Gioacomo Simonetti rät zudem strikt davon ab, Kindern in Eigenregie zu Hause den Blutdruck selber zu messen und eine Diagnose zu stellen. Zudem sei die Messung nicht unproblematisch. Die Manschette müsse speziell für Kinder ausgelegt und richtig angelegt sein.