Spätestens um fünf Uhr schlichen mein ­Bruder und ich am Weihnachtsmorgen jeweils ins Wohnzimmer. Natürlich packten wir die Geschenke nicht aus. Unsere Eltern schliefen ja noch. Aber wir verschafften uns einen ­ersten Überblick. Tasteten das weiche Paket im A4-Format ab. Rollkragen-Pullover? Pyjama? Oder YB-Trainingsanzug? Wir nahmen das kleine, schwere Paket zur Hand. Schokolade? Oder Modelleisenbahn-Lokomotive? Wir legten uns wieder ins Bett. Und brachten kein Auge mehr zu.

Zwei, drei Stunden später durften wir endlich die Geschenke aus­packen. Und immer ­wieder zeigte sich: Manchmal hatten wir ­richtig gelegen, manchmal nicht. Die ganze Umherschleicherei brachte eigentlich nichts. Deshalb hörten wir irgendwann mit unseren vorpubertären Abenteuern auf.

Themenwechsel: Vor jeder Abstimmung veröffentlichen Schweizer Radio und Fernsehen Umfrageresultate. Ermittelt werden die Zahlen vom Umfrageinstitut GfS. Manchmal liegt das GfS richtig, manchmal nicht. In frischer Erinnerung sind die Flops bei der Minarett-, der Familien- und der ­Einwanderungsinitiative.

Deshalb sind die GfS-Verantwortlichen vorsichtig geworden. Sie sprechen nicht von einer Prognose, sondern von einer «Trend­studie». Und sie relativieren ständig: «Die Meinungsbildung ist noch wenig fort­geschritten.» Oder: «Die ersten Umfrage­-werte bedeuten wenig.» Anders gesagt: Die «Trendstudien» sind sinnlos. Trotzdem verlangen Kritiker immer wieder verfeinerte Methoden.

Mein Bruder und ich haben unsere Methoden nicht verfeinert. Wir haben einfach aufgehört, weil es nichts brachte. Vielleicht sollten auch Radio und Fernsehen mit den Politumfragen aufhören. Denn wir können durchaus auf Abstimmungs- und Wahlresultate warten. Auf die richtigen, meine ich. Das würde erst noch eine Menge Konzessionsgebühren sparen.