Ich bin seit exakt 30 Jahren als Berufspendler mit den SBB unterwegs. Zuerst mit einem Streckenabonnement, dann mit einem Zweitklass-Generalabonnement, anschliessend 18 Jahre lang mit Erstklass-GA. 

Seit August fahre ich nun wieder zweiter Klasse. Dieser Klassenabstieg war eigentlich als Sparmassnahme gedacht. Immerhin beträgt die Differenz zwischen erster und zweiter Klasse 2315 Franken im Jahr. 

Nach knapp zwei Monaten Umstieg stelle ich jedoch erfreut fest, dass ich nicht nur Geld gespart, sondern auch einige schöne Erkenntnisse gewonnen habe: 

  • Die «Zweitklässler» ellbögeln weniger beim Ein- und Aussteigen. 
  • Sie teilen klagloser und unkomplizierter den knappen Platz, der den Reisenden zur Verfügung steht. 
  • Sie rammen einem weniger Aktenkoffer in die Kniekehlen. 
  • Sie verbarrikadieren ihren freien Nebenplatz seltener mit irgendwelchem Gepäck. 
  • Sie behandeln die Frauen und Männer mit dem Minibar-Wägelchen deutlich freundlicher. 
  • Und vor allem: Sie führen markant weniger wichtigtuerische und laute Handytelefonate.

Apropos knapper Platz: Wenn ich mir nach zwei Monaten zweiter Klasse nochmals überlege, welchen Aufpreis ich für die wenigen Zentimeter mehr, die einem in der ersten Klasse zustehen, 18 Jahre lang bezahlt habe, muss ich zugeben: Ich war jahrelang ein dummer Erstklässler.

Noch etwas fällt mir seit meinem Klassenwechsel auf: Der Anteil junger Leute und Frauen ist in der zweiten Klasse auffallend höher als in der ersten Klasse. 

Diese Zweitklässler haben vielleicht weniger Geld – dafür mehr Anstand. Die zweite Klasse wäre eine gute Schule für Erstklässler.