Pelz boomt. Letztes Jahr importierte die Schweiz 463,5 Tonnen Pelz – so viel wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr (siehe Grafik im PDF). Besonders gefragt sind ­Jacken und Mützen mit Pelzbesatz. Seit drei Jahren müssen die Läden angeben, woher und von welchem Tier ein Pelz stammt (saldo 18/2015). Und ob es gejagt oder gezüchtet wurde. 

Die Internationale Vereinigung der Pelzindustrie propagiert das neue ­Label Welfur. Es steht für Zuchtpelz aus Europa, der aus Farmen mit artgerechter Tierhaltung stammen soll. Thomas Aus der Au, Vizepräsident des Branchenverbands Swissfur, empfiehlt, Pelz aus Europa zu kaufen. «Das ist eine gute Wahl. In EU-Ländern sind der moralisch-ethische Hintergrund und die Tierschutzgesetzgebung ähnlich wie in der Schweiz.»

Fakt ist jedoch: Die EU kennt keine Vorschriften mit detail­lierten Vorgaben für die Haltung der Zuchttiere. Es gibt lediglich eine «Empfehlung in Bezug auf Pelztiere» aus dem Jahr 1999. Darin wird von den Tierhaltern verlangt, «dass alles getan wird, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der betreffenden Pelztierarten zu schützen». Die Stallungen müssen so gestaltet sein, dass die Tiere «gemäss ihren artspezifischen Bedürfnissen jederzeit genügend Platz haben». Was das heisst, steht im Anhang: Ausgewachsenen Nerzen, Iltissen und Frettchen muss im Käfig eine Fläche von mindestens 36,5 x 70 cm zur Verfügung stehen. Die Käfig­höhe beträgt 45 cm (siehe Grafik im PDF). Füchsen wird eine ­Minimalgrundfläche von 80 x 100 cm zugestanden. 

TV-Reporter dokumentieren ­skandalöse Zustände

Die einzelnen EU-Staaten dürfen Gesetze erlassen, die über diese Mindestregeln hinausgehen. So hat Deutschland vor elf Jahren strengere Vorschriften für Pelztierfarmen eingeführt: Die Böden müssen fest sein und die Käfige grösser. Zudem müssen die Tiere herumklettern können. Laut Recherchen des TV-Senders ARD erfüllt aber keine der sechs Pelztierfarmen in Deutschland die Auflagen.  Grund: Sie wehren sich mit juristischen Mitteln gegen die Vorgaben.

Heimliche Aufnahmen auf einer Farm in Schleswig-Holstein zeigen aufgereihte ­Käfige mit Nerzen. Die Tiere stehen auf Gitterböden und haben ganze 0,26 Qua­dratmeter Platz. Das entspricht genau den Mindestempfehlungen der EU. Viele Nerze sind verhaltensgestört. 

Die Fernsehreporter wollten auch eine Farm in Polen besichtigen, wurden aber überall abgewiesen. Deshalb drangen sie während der Nacht in eine Farm ein. Dort fanden sie ­Füchse in winzigen Drahtkäfigen. Manche drehten in der Enge durch, andere waren völlig apathisch. Trinkwasser und Futter waren gefroren. 

Tierhaltung in Europa nicht besser als in China

Helen Sandmeier vom Schweizer Tierschutz hält die Bilder aus Polen für repräsentativ für die Pelztierhaltung in Europa. Diese sei nur «marginal» besser als in China und anderen ­fern­östlichen Ländern. Einige euro­päi­sche Länder schränkten die Pelztierhaltung ein. Deshalb wichen Pelz­produzenten auf Polen aus. Dort seien die Gesetze und Kontrollen lasch. Mit 1144 Farmen ist Polen nach Dänemark der zweitgrösste Pelzproduzent Europas. In der Schweiz gibt es keine Pelztierfarmen.

Thomas Aus der Au kennt die Schockbilder aus Pelztierfarmen. Der Vize der Schweizer Pelztierbranche sagt: «Ich hätte Mühe mit meinem Beruf als Kürschner, wenn eine solche Tierhaltung der Normalfall wäre.»  Er habe mehrmals Farmen in Dänemark und Finnland besucht und gute Haltungsbedingungen  angetroffen. 

Für Sandmeier gibt es keine artgerechte Massenhaltung von Wildtieren wie Fuchs, Nerz oder Marderhund – Label hin oder her. Sie empfiehlt, auf Echtpelz zu verzichten. Viele Unternehmen und Bekleidungsmarken haben sich den Fur-Free-Retailers angeschlossen und geben an, bei ihren Kollektionen ganz auf Echtpelz zu verzichten. Dazu gehören etwa Manor, Schild, H&M, C&A, Zara oder Chicorée.

So erkennen Sie synthetischen Pelz

Wer Kleider mit Kunstpelz sucht, bekommt teilweise echtes Fell untergejubelt. Das haben 2016 Testkäufe der Stiftung Warentest in Berlin gezeigt. Im Labor entpuppte sich Kunstpelz mehrmals als nicht deklarierter Echtpelz. 

Konsumenten können vermeiden, unfreiwillig echten Pelz zu kaufen. Pustet man leicht über den Pelz, bewegen sich die Haare bei echtem Fell zur Seite. Kunstpelz ist unbeweglicher und die Haare sind häufig gleich lang geschnitten. Zieht man das Fell auseinander, kommt beim Echtpelz Leder zum Vorschein, beim synthetischen Pelz eine Webstruktur.