Die Krankenkasse Swica schrieb einem Versicherten aus Uetikon am See ZH: «Die Rechnung für diesen Aufwand ist korrekt.» Sie betreffe «ein Aktengesuch», das er gestellt habe. Das koste Fr. 15.80.
Doch die Rechnung war nicht korrekt. Denn der Mann hatte den Hausarzt gewechselt und deshalb von seinem bisherigen Arzt die Herausgabe der Krankengeschichte verlangt, um sie seinem neuen Arzt zu geben – und dafür dürfen Ärzte nichts verlangen (siehe Unten «Einsicht in die Krankenakte»).
Bis zu diesem Zeitpunkt war der Mann Patient bei der Santémed Zürich Wiedikon. Das ist eine Gemeinschaftspraxis mit mehreren Ärzten und Therapeuten verschiedener Fachrichtungen. Mit den anderen Santémed-Gesundheitszentren gehört sie seit 2015 mehrheitlich der Migros-Tochter Medbase, vorher war sie im Besitz der Krankenkasse Swica. Auf ihrer Website bezeichnet sich die Santémed als «führende Ärzte- und Therapieeinrichtung».
Als der Patient seine Krankengeschichte verlangte, stellte Zentrumsleiter Patrick Holzer die umstrittene Position «Ärztliche Leistung in Abwesenheit des Patienten» in Rechnung (siehe Unten). So kam er auf Fr. 15.80. Die Rechnung ging direkt an die Swica, die sie anstandslos zahlte und dem Patienten weiterbelastete.
Arztrechnung immer genau anschauen!
Noch bedenklicher: Die Swica beharrte stur darauf, dass die Rechnung korrekt sei. Obwohl der Patient hartnäckig insistierte und auf die Bestimmungen des Datenschutzes hinwies, wollte ihm die Swica den Betrag nicht zurückerstatten: Der Arzt «hatte Ihre Akten vorbereitet, damit Sie sie mitnehmen konnten, und dann die Leistung verrechnet», schrieb sie ihm.
Erst ein Brief eines Anwalts machte der Swica Beine. Die Generaldirektion antwortete, die verrechnete «Gebühr für Akteneinsicht» werde dem Versicherten zurückerstattet: «Swica legt auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften grossen Wert und schenkt insbesondere dem Datenschutz erhöhte Aufmerksamkeit.»
Es lohnt sich, Arztrechnungen genau anzuschauen – das zeigt auch das Beispiel von Daniel Vetterli aus Zollikofen BE. Er war für eine medizinische Abklärung im Berner Inselspital und erhielt eine Rechnung über rund 100 Franken. Darunter waren Fr. 45.80 für «Ärztliche Leistung in Abwesenheit des Patienten». Als er reklamierte, schickte das Inselspital vier Monate später kommentarlos eine korrigierte Rechnung ohne die Gebühr.
Auf eine Erklärung wartet der Mann heute noch. Dem K-Tipp sagte das Spital, die Stornierung sei aus Kulanz erfolgt, aber die Belastung sei korrekt gewesen.
Einsicht in die Krankenakte: Das sind Ihre Rechte
Die wichtigsten Grundsätze für Patientinnen und Patienten:
Sie haben jederzeit das Recht, von Ihrem Arzt die Gesundheitsdaten bzw. die Krankengeschichte zu verlangen. Sie müssen keine Begründung angeben. Die Herausgabe muss innert 30 Tagen erfolgen.
Der Arzt muss Ihnen Kopien von sämtlichen über Sie vorhandenen Daten herausgeben: die Krankengeschichte, Diagnosen, Labor- und Röntgenbefunde, Untersuchungsergebnisse, Bild- und Tonaufzeichnungen über durchgeführte medizinische Massnahmen, Gutachten, Berichte, Zeugnisse usw. Dies gilt unabhängig davon, wer die Unterlagen angefertigt hat. Röntgenbilder werden oft auf CD übergeben.
Die Auskunft bzw. die Herausgabe der Daten darf grundsätzlich nichts kosten. Der Arzt darf seinen Aufwand für die Erteilung der Auskunft auch nicht wie eine normale Konsultation verrechnen.
Ausnahme: Die Auskunft darf maximal 300 Franken kosten, falls sie einen «besonders grossen Arbeitsaufwand» erfordert. So stehts im Datenschutzgesetz. Dann muss Ihnen der Arzt aber die Kosten vorher mitteilen, damit Sie Ihr Gesuch innert zehn Tagen allenfalls zurückziehen können.
Tarifziffer 00.0140: Ein «Selbstbedienungsladen»
Arztrechnungen müssen die ärztlichen Tätigkeiten genau aufschlüsseln. Deshalb sind Rechnungen gemäss den Vorgaben des sogenannten Tarmed nach den einzelnen Tarifpositionen aufgebaut. Die Tarifziffer 00.0010 zum Beispiel steht für die ersten 5 Minuten der Konsultation. Über 4600 einzelne Positionen gibt es insgesamt.
Die Tarifziffer 00.0140 heisst «Ärztliche Leistung in Abwesenheit des Patienten (inkl. Aktenstudium), pro 5 Min.». Darunter fallen gemäss Tarmed «alle ärztlichen Leistungen zur Behandlung des Patienten in dessen Abwesenheit (ausgenommen telefonische Konsultation)».
Insbesondere sind das «Erkundigungen bei Dritten, Auskunft an Angehörige oder andere Bezugspersonen des Patienten, Besprechung mit Therapeuten und Betreuern, Überweisung an andere Ärzte sowie Ausstellen von Rezepten oder Verordnungen ausserhalb der Konsultation».
Der Krankenkassenverband Santesuisse kritisiert diese Position als «Selbstbedienungsladen». Im Jahr 2010 seien unter dieser Tarifposition noch 200 Millionen Franken in Rechnung gestellt worden, 2016 seien es schon 454 Millionen Franken gewesen. Auffallend oft werde diese Position bei ambulanten Behandlungen in Spitälern verrechnet.
Tipp: Schauen Sie Ihre Arztrechnung genau an. Sie haben Anspruch auf eine Kopie – entweder vom Arzt direkt oder von der Krankenkasse.
Die vollständige Übersicht über die Tarmed-Tarifziffern und ihre genaue Umschreibung finden Sie im Internet unter www.tarmed-browser.ch.