Das lernt jedes Kind: Wer etwas Saures isst, sollte nicht sofort die Zähne putzen, sondern mindestens eine halbe Stunde warten. Säure weicht den Zahnschmelz auf. Frühzeitiges Putzen schrubbt ihn weg. Der Speichel, so glaubte man bisher, könne den Zahn in kurzer Zeit ­wieder härten, weil er viel Kalzium und Phosphat enthalte.

«Auch ich habe im Studium gelernt, dass man nach Salatsauce oder Frucht­säften mit dem Putzen warten sollte», sagt Adrian Lussi, Professor für Präventiv- und Kinderzahnmedizin an der Universität Bern. Doch das stimme nicht, erklärt er. Mit seinem Team konnte er in Laborversuchen nachweisen: Abwarten nützt nichts.

Bisherige Anweisung ­entstand nach Tests mit künstlichem Speichel

Zuerst tauchten die Forscher Zähne in Orangensaft. Wie erwartet weichte das saure Getränk den Zahnschmelz auf. Danach legten sie die Zähne in Speichel ein. Das überraschende Ergebnis: «Selbst nach vier Stunden im Speichel war der Zahnschmelz noch genauso weich wie am Anfang.»

Die Empfehlung mit der Wartezeit beruht auf älteren Versuchen mit künstlichem Speichel. Lussi und sein Team nahmen aber Proben von echtem Speichel. Dabei zeigte sich, dass die natürliche Spucke bestimmte Eiweisse enthält, die den Wiederaufbau des Zahnschmelzes stark verzögern. Für Lussi ist klar: «Am besten putzt man die Zähne gleich nach dem Essen.» Die Warterei sei nämlich nicht nur umständlich – sie könne auch zur Folge haben, dass man das Zähneputzen ganz unterlasse. Etwa, wenn man nach dem Frühstück das Haus verlasse, um zur Arbeit oder in die Schule zu gehen.

Die Zähne nicht zu putzen sei mit Sicherheit schlecht. Denn dank des Zuckers im Frühstück könnten sich Bakterien stark vermehren und die Zähne angreifen. Lussi hält fest: «Löcher in den Zähnen sind das grös­sere Problem als Säure­schäden.» 

Thomas Attin, Vorsteher des Zentrums für Zahnmedizin an der Universität Zürich, bestätigt, dass es sich nicht lohnt, nach dem Genuss von Saurem mit Putzen zu warten: «Es macht ganz den Anschein, dass das nichts bringt.» Einzig bei Erbrechen oder ausgeprägtem saurem Aufstossen solle man mit dem Zähneputzen abwarten, sagt Lussi. Denn die Magensäure, die dann in den Mund gelangt, greift den Zahnschmelz besonders stark an. In diesen Fällen ist es besser, gleich den Mund mit Wasser oder Milch zu spülen und erst später die Zähne zu putzen.

Wer nur einen Apfel isst oder etwas trinkt, muss Zähne nicht putzen

Gar nicht nötig sei das Zähneputzen, wenn man nur eine Frucht esse, so Lussi. Denn beim Essen von frischen Früchten erzeuge der Körper in der Regel so viel Speichel, dass keine Speisereste an den Zähnen kleben blieben. 

Auch wer nur etwas trinke, könne sich den Griff zur Zahnbürste sparen: «Nach dem Trinken gibt es nichts, was mit Putzen entfernt werden müsste.» Das gelte auch für Süssgetränke und saure Fruchtsäfte. Diese solle man möglichst in einem Zug trinken, das greife die Zähne am wenigsten an. «Schädlich ist es, wenn man Softdrinks oder Apfelsaft über mehrere Stunden in kleinen Schlucken trinkt.»    

Tipps­: So schützen Sie Ihre Zähne

  • Putzen Sie nach jedem Essen die Zähne, mindestens zweimal täglich.
  • Verwenden Sie eine ­weiche Zahnbürste und drücken Sie nicht zu stark.
  • Saure Getränke (Süssmost, Cola, Energydrinks): Nuckeln Sie nicht über ­längere Zeit immer wieder an der Flasche.
  • Kauen Sie nach saurem Essen einen zahn­freundlichen Kaugummi.
  • Wenn Sie nur trinken oder eine Frucht essen, ist Zähneputzen nicht nötig.
  • Nehmen Sie maximal fünf Mahlzeiten und Snacks pro Tag zu sich. Sonst ­bekommen die Kariesbakterien zu oft Nahrung.