Mit Gentech gegen Schuppenflechte
Seit Anfang Jahr muss die Krankenkasse neue Gentech-Medikamente gegen Schuppenflechte bezahlen. Doch der Nutzen und die langfristigen Folgen der Therapie bleiben unklar.
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Gesundheitstipp 5/2005
11.05.2005
Sonja Marti - smarti@gesundheitstipp.ch
Das Schicksal» - unter diesem Titel zeigte die Sendung «Gesundheit Sprechstunde» am 24. Oktober 2004 einen Bericht über das Leben von Hansjörg Morf, Psoriasis-Patient aus Adliswil ZH.
Dramatische Musik unterstreicht die Szene: Hände, Kopfhaut und Ellbogen von Morf sind mit schuppenden Flecken überzogen. Es juckt, der Patient kratzt sich und hinterlässt überall Hautschuppen. «Eklig», «peinlich» und «zum Verzweifeln» sei ein solches Leben, sagt die Stimme der Erzähle...
Das Schicksal» - unter diesem Titel zeigte die Sendung «Gesundheit Sprechstunde» am 24. Oktober 2004 einen Bericht über das Leben von Hansjörg Morf, Psoriasis-Patient aus Adliswil ZH.
Dramatische Musik unterstreicht die Szene: Hände, Kopfhaut und Ellbogen von Morf sind mit schuppenden Flecken überzogen. Es juckt, der Patient kratzt sich und hinterlässt überall Hautschuppen. «Eklig», «peinlich» und «zum Verzweifeln» sei ein solches Leben, sagt die Stimme der Erzählerin.
Doch dann die Wende: Liebliche Klaviermusik setzt ein. Morf erhält von seinem Hautarzt ein «Medikament auf biologischer Basis». Und tatsächlich: Die Schuppen verschwinden und Morf fühlt sich «wie neugeboren», Lebensfreude und Selbstvertrauen kehren zurück. Der Film endet mit einem Kameraschwenk auf Morf, der sich im Spiegel betrachtet.
Hergestellt aus Eierstockzellen von Hamstern
Zurück im Fernsehstudio. Dort sitzt Morfs Hautarzt. Fernsehdoktor Samuel Stutz fragt ihn: «Ist das nicht zu schön, um wahr zu sein? Ist das wirklich so?» Der Hautarzt bejaht. «Was ist das für eine wundervolle Therapie?», will Stutz wissen.
Das angebliche Wundermittel heisst Raptiva. Hergestellt aus Eierstockzellen von chinesischen Hamstern im Gentechlabor der Pharmafirma Serono. Seit rund einem Jahr ist es auf dem Markt. Und seit Anfang 2005 muss die Krankenkasse das teure Medikament bezahlen. Genauso wie Amevive, das eine ähnliche Wirkung hat. Es stammt aus dem Labor des Pharmakonzerns Biogen-Dompé. Amevive und Raptiva gehören zur Medikamentengruppe der so genannten «Biologica». Eine Therapie mit diesen Mitteln ist extrem teuer: Sie kostet 20000 bis 30000 Franken pro Jahr.
Biologica blockieren bestimmte Abwehrzellen. Bei Psoriasis-Patienten richten sich diese Zellen fälschlicherweise gegen körpereigenes Gewebe. Die Folge: Die Haut entzündet sich und die Produktion der Hautzellen läuft viel schneller als normal. Dadurch bilden sich schuppende und juckende Stellen auf der Haut. Die neuen Medikamente sollen den Patienten endlich wirksame Hilfe bringen - so versprechen es die Hersteller.
Doch jetzt wird Kritik laut: Fachleute der deutschen Zeitschrift «Arznei-Telegramm» nahmen die neuen Psoriasis-Medikamente unter die Lupe. Ihr Fazit zu Raptiva: Horrender Preis, mässiger Nutzen.
Raptiva: Wirkt nicht bei allen Patienten
Das «Arznei-Telegramm» kritisiert, dass sich bei Raptiva nach drei Monaten unter der empfohlenen Dosis nur bei 25 bis 30 Prozent der Patienten die Symptome deutlich besserten. Auch nach sechs Monaten nützten die Medikamente nur jedem Zweiten. Bei Amevive liegen die Daten ähnlich, wie die US-Fachzeitschrift «The Medical Letter» schreibt. Und: Raptiva könne bei einigen Patienten die Schuppenflechte sogar verschlechtern. Wolfgang Becker-Brüser vom «Arznei-Telegramm»: «Es kann zu einem bedrohlichen Krankheitsverlauf kommen.» Er rät deshalb, die Patienten auch nach dem Absetzen «engmaschig zu überwachen». Zudem nützten die Medikamente nur, solange man sie anwendet.
Nach dem Absetzen bekommt die Hälfte der Patienten schon nach zwei bis drei Monaten einen Rückfall. Setzt man die Spritzen danach wieder ein, wirken sie deutlich schlechter. Das heisst: Es braucht eine Dauertherapie. Allerdings weiss man noch nicht, welche gesundheitlichen Folgen diese haben kann.
«Von harmlosen natürliche- Mitteln kann keine Rede sein»
Wolfgang Becker-Brüser warnt vor den Nebenwirkungen: «Da die Medikamente das Immunsystem unterdrücken, kann es zu lebensbedrohlichen Infektionen kommen.» Vermutlich würden sie auch das Risiko von bösartigen Tumoren erhöhen.
Für ihn ist klar: «Die neuen Psoriasis-Medikamente sind keine risikoarmen Wundermittel.» Die Bezeichnung «Biologica» hält er deshalb für «reichlich verharmlosend». Becker-Brüser: «Von harmlosen natürlichen Mitteln kann keine Rede sein.»
Die Hersteller wollen diese Kritik nicht gelten lassen. Ihre Medikamente hätten ein ausgesprochen gutes Verhältnis von Nutzen und Risiken. Raptiva-Hersteller Serono betont, dass sich nur bei 1,2 Prozent der Patienten die Krankheit verschlechtert. Ein Rückfall sei beim Absetzen jeder Therapie normal. «Psoriasis ist nicht heilbar.» Zudem habe eine 3-Jahres-Studie kein erhöhtes Risiko für Infektionen und Tumore gezeigt.
Auch Amevive-Hersteller Biogen-Dompé verweist darauf, dass bei seinem Medikament nur selten gefährliche Nebenwirkungen aufträten. Zudem müsse man Amevive nicht dauernd verwenden. «Nach einer zwölfwöchigen Behandlung folgt eine therapiefreie Zeit von rund sieben Monaten.» In dieser sei die Lebensqualität der Patienten gut.
Beide Hersteller erklären, dass man die Gesamtkosten berücksichtigen müsse: Dank Biologica blieben die Patienten arbeitsfähig. Das spare Kosten. Der Begriff «Biologica» verharmlose nicht, sondern sei eine in der Wissenschaft etablierte Bezeichnung für Wirkstoffe, die in lebenden Zellen hergestellt werden.
Ralph Trüeb, Dermatologe und Leitender Arzt am Universitätsspital Zürich, betont, dass der Arzt bei jedem Patienten genau abklären müsse, ob die Mittel geeignet sind. Das heisst für Trüeb: «Nur bei starker, ausgedehnter Schuppenflechte und nur wenn andere - preisgünstigere - Therapien nichts bringen oder schwere Nebenwirkungen haben.» Für diese Patienten seien die Medikamente «vielversprechend». Einen Vorteil sieht Trüeb auch in der einfachen Anwendung: «Die wöchentliche Spritze bedeutet für Betroffene deutlich weniger Aufwand als die bisherigen Therapien.»
Zu diesen gehört in erster Linie die lokale Behandlung mit Salben und Cremen. Bei schwereren Fällen hilft eine Licht- und Badetherapie - ob am Toten Meer oder in dermatologischen Kliniken. Eine neue Studie aus Deutschland hat nachgewiesen, dass die Kombination von Salzbädern und UV-Bestrahlung sehr gut nützt - und zudem keine sehr hohen Kosten verursacht.
Weitere Informationen:
Schweizerische Psoriasis und Vitiligo Gesellschaft SPVG, Gryphenhübeliweg 38, Postfach 345, 3000 Bern 6, Tel. 031 359 90 18, www. spvg.ch
«Die neuen Mittel eignen sich nur, wenn andere Therapien nichts bringen»
Ralph Trüeb, Dermatologe und Leitender Arzt am Universitätsspital Zürich