Mikroben bewirken keine Wunder
Effektive Mikroorganismen sollen Pflanzen spriessen lassen, Wasser beleben und sogar gegen Krebs wirken. Nur: Wissenschaftlich bewiesen ist bis heute nichts.
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Haus & Garten 2/2007
09.05.2007
ESTHER DIENER MORSCHER
Als eine «biologische Revolution zur Rettung der Erde» werden die Kleinstlebewesen angepriesen: Sogenannte Effektive Mikroorganismen - oder kurz EM - haben in den letzten fünf Jahren einen Siegeszug durch Schweizer Gärten angetreten. Dass der teure Saft - das Grundkonzentrat kostet rund 40 Franken pro Liter - tatsächlich etwas nützt, ist allerdings unsicher.
Teruo Higa, ein japanischer Agrarwissenschafter, ist der Erfinder der EM. Er will der Natur nicht mit keimtötender Ch...
Als eine «biologische Revolution zur Rettung der Erde» werden die Kleinstlebewesen angepriesen: Sogenannte Effektive Mikroorganismen - oder kurz EM - haben in den letzten fünf Jahren einen Siegeszug durch Schweizer Gärten angetreten. Dass der teure Saft - das Grundkonzentrat kostet rund 40 Franken pro Liter - tatsächlich etwas nützt, ist allerdings unsicher.
Teruo Higa, ein japanischer Agrarwissenschafter, ist der Erfinder der EM. Er will der Natur nicht mit keimtötender Chemie an den Kragen, sondern macht sich winzige Lebewesen zu Diensten. Sie sollen wieder Leben in tote Böden bringen und so dafür sorgen, dass die Pflanzen gedeihen und widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge sind.
Alte Erkenntnisse neu aufgemischt
Higas Effektive Mikroorganismen bestehen aus einem Cocktail von über 80 verschiedenen Arten von Milchsäurebakterien, Hefen und anderen Mikroben. Neu ist die Anwendung dieser Mikroorganismen nicht: Mit Hefe wird schon seit Jahrhunderten Wein, Bier und Brotteig gegärt. Und mit Milchsäurebakterien wird Sauerkraut und Joghurt hergestellt. Sobald die Mikroorganismen organisches Material zersetzen, entstehen viele nützliche Substanzen.
«Das ist im Garten nicht anders», erklärt Ueli Rothenbühler, Präsident der Interessengemeinschaft EM Schweiz. «Die Mikroorganismen aktivieren den Boden. Es entsteht besserer Humus mit mehr Bodenlebewesen und mehr Nährstoffen.» Rothenbühler hat die Erfahrung gemacht, dass Anwender im ersten Jahr die Menge an Kunstdünger um rund einen Viertel und in den folgenden Jahren bis zur Hälfte reduzieren können.
Magdalena Jost, eine überzeugte Anwenderin, lobt: «Ich bespraye einmal pro Woche alle Pflanzen im Garten mit der EM-Lösung und brauche seither kein Gift mehr.»
Dass die EM tatsächlich zu üppigeren Ernten und weniger Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmittel führen, ist allerdings wissenschaftlich nicht bewiesen.
Zumindest Wunder darf man von den EM nicht erwarten: «Schnelle Erfolge gibt es nicht», warnt selbst Ueli Rothenbühler vor übertriebenen Hoffnungen. Und Hans Balmer, Berater für Humuspflege und Kompostierung beim Kompostforum Schweiz, betont: «Wenn jemand wenig oder gar keine Ahnung von sachgerechter Bodenpflege hat, dann nützt es nichts, mit EM nachzuhelfen.»
Im Biolandbau sind die EM erlaubt. «Empfehlungen geben wir aber keine ab», sagt Jacqueline Forster-Zigerli, die Sprecherin von Bio Suisse. «Ob man EM einsetzt und damit Erfolg hat, hängt von den eigenen Überlegungen und Überzeugungen ab - ähnlich wie bei alternativen Heilmethoden beim Menschen», glaubt sie.
Derzeit steht an der Eidgenössischen Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ein mehrjähriger Feldversuch mit EM kurz vor dem Abschluss. Versuchsleiter Jochen Mayer kann bereits jetzt sagen: «Die Wunderwirkung, die den EM oft zugesprochen wird, haben wir nicht entdeckt.»
EM als Heilmittel: Unseriös und verboten
Nicht nur als Dünger und Komposthilfe, sondern auch als angebliches Heilmittel bei Krebskranken machen EM immer wieder Schlagzeilen. Der japanische Mediziner Shigeru Tanaka empfiehlt in seinem Buch «EM-X» sogar, Krebsmittel abzusetzen und EM-X zu trinken. «Solche Empfehlungen sind unseriös», sagt Silvia Den, Leiterin des Krebstelefons der Krebsliga. Ausserdem ist es in der Schweiz verboten, EM als Heilmittel anzupreisen.
TIPPS
- Verwenden Sie nicht direkt das teure Grundkonzentrat EM-1, sondern vermehren Sie es selber zu EM-A. Das ist viel günstiger.
- Vorsicht mit konzentrierter EM-Lösung. Die Flüssigkeit ist sauer und kann Blätter und Wurzelhaare verbrennen, wenn sie nicht genug verdünnt ist.
- Ein gesunder Boden lässt sich mit EM kaum verbessern. Umgekehrt lässt sich ein schlecht gepflegter Boden nicht einfach mit der Zugabe von EM verbessern.
Unterschiedliche EM-Lösungen
- EM-1: Das Grundkonzentrat. In einer sauren Flüssigkeit befinden sich die Mikroorganismen «im Ruhezustand». Erst in Kontakt mit anderem organischem Material, etwa mit Gartenabfällen, werden sie aktiviert. Damit werden alle anderen EM-Produkte hergestellt. Ein Liter kostet rund 40 Franken.
- EM-A: Aktiviertes EM-1. Es lässt sich mit dem Grundkonzentrat EM-1 und Zuckerrohrmelasse selber herstellen. Da die Mikroorganismen bereits aktiviert sind, muss EM-A innerhalb von zwei Wochen aufgebraucht werden, danach verliert es an Wirkung. Ein Liter selbst vermehrtes EM-A kostet rund Fr. 1.50.
- EM-Bokashi: Rüst- und Gartenabfälle oder anderes organisches Material, das mit Hilfe von EM gereift ist. Es dient als Dünger oder Kompost. Mit Getreidekleie oder Mehl wird auch Futter-Bokashi für Nutztiere hergestellt.
- EM-5: Aktiviertes EM-1. Es enthält zusätzlich Obstessig, Alkohol, Kräuter und Knoblauch und soll deshalb als Pflanzenschutzmittel gegen Insektenbefall und Pilzkrankheiten wirken. Ein Liter kostet rund 30 Franken.
- EM-X-Keramik: Röhrchen, Ringe oder Pulver aus Ton, in welchen die EM eingebrannt sind. Einige Mikroorganismen überleben gemäss den Herstellern die hohen Brenntemperaturen. Die Tonprodukte sollen Wasser beleben und verbessern. Das Pulver wird auch Farben, Baustoffen und Geschirr beigemischt. Dort soll es zahlreiche positive Wirkungen entfalten. Ein EM-X-Keramikring zur Wasseraufbereitung kostet je nach Grösse 30 bis 50 Franken.