Weihnachten feiere ich bei einem Bruder, seinen Kindern und Enkelkindern. In die Kirche gehe ich selten. Mein Gottesbild ist heute ganz anders. Ich glaube nicht mehr an einen Vater-Gott dort oben, den wir anbeten müssen. Sondern an eine allumfassende Lebensenergie, die in uns allen ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir von klein auf lernen, innerste Regungen ernst zu nehmen.
1970 trat ich ins Kloster ein. Nonnen hatten mich beeindruckt. Heute weiss ich: Der Eintritt war ein Fehler. Im Lauf der 24 Jahre wurde ich immer unglücklicher. Die Oberin verwehrte mir etwa Kurse in alternativer Medizin. Stattdessen setzte sie mich dort ein, wo es mich gerade brauchte. Ich sprach mit meinem Beichtvater darüber. Seine Antwort war immer gleich: «Du bist schon glücklich, du musst einfach mehr beten.»
Doch Beten berührte mich nie so sehr wie die anderen Nonnen. Mit der Zeit fühlte ich mich leer und ausgelaugt. Ich rutschte in eine Depression. Einmal stand ich am Fenster im 9. Stock eines Gebäudes und dachte: Jetzt springst du einfach, dann ist es endlich zu Ende. Die Oberin erkannte, dass ich Hilfe brauchte. Sie sandte mich zur Therapie in ein Heim in England.
Dort reifte mein Entschluss, aus dem Orden auszutreten. Nach dieser Entscheidung ging es mir seelisch besser. Im gleichen Heim war eine englische Nonne mit Ohrringen. Das faszinierte mich. Denn bei uns war das verboten. Eines Tages fragte ich sie, wo sie ihre Ohrlöcher stechen liess. Sie begleitete mich zum Juwelier und seither trage auch ich Ohrringe. Das war ein richtiger Befreiungsschlag. Ein Symbol dafür, dass ich selber entscheiden möchte, wie ich lebe.
Mit dem Austritt aus dem Orden musste ich das normale Leben lernen. Kurz nach meinem 50. Geburtstag kochte ich zum ersten Mal – einen Eintopf mit frischem Gemüse, Reis und Poulet. Kochen musste ich als Nonne nämlich nie. Als gelernte Krankenschwester war ich stets in der Pflege tätig. Ich bewarb mich auf ein Inserat und konnte als Praxisassistentin bei einem Hausarzt arbeiten.
In der Freizeit lese ich gerne stundenlang. Ich brauche viel Zeit für mich selbst. Mein Leben lang hatte ich das Gefühl, nicht genug Zeit für mich zu haben. Als Kind waren sechs jüngere Geschwister da. Und als Nonne kamen sowieso andere an erster Stelle.
Eigene Kinder wollte ich nie. Verpasst habe ich aber die Nähe und Zärtlichkeit eines Partners. Das fehlt mir heute noch. Nicht die Sexualität, sondern eine tiefe, einzigartige Freundschaft. Mich hat noch nie jemand in die Arme genommen. Andererseits: Vielleicht ist mir auch eine unglückliche Ehe erspart geblieben. Ich kenne nämlich nicht nur viele unglückliche Nonnen, sondern auch viele unglückliche Ehefrauen.
Depression: Traurig und antriebslos
Die psychische Störung ist gekennzeichnet durch negative Stimmungen und Gedanken. Wer sich häufig traurig, antriebslos und energielos fühlt, hat erste Anzeichen einer Depression.
Die Ursachen sind unterschiedlich: Oft spielen die Gene eine Rolle, aber auch äussere Faktoren können ein Auslöser sein. Betroffene erlebten häufig Situationen, in denen sie ihre Lebensumstände nicht beeinflussen konnten. Häufige Behandlungen sind Psychotherapie und Medikamente.
Information und Beratung: Pro Mente Sana, www.promentesana.ch 0848 800 858