In der Mathematik das sogenannte Laplace-Experiment nicht begriffen? In der Physik beim Induktionsgesetz nur Bahnhof verstanden? Und in der Biologiestunde die Photosynthese verpasst? Wo früher ein Mitschüler, die Eltern oder Geschwister auf die Sprünge helfen mussten, reichen heute ein paar Klicks: Auf der Internetvideoplattform Youtube stehen Hunderte von Videos zur Verfügung, in denen Schulstoff Schritt für Schritt erklärt wird.
Die meisten Nachhilfe-videos gibt es für die naturwissenschaftlichen Fächer Mathematik, Physik, Biologie und Chemie. Doch auch für Englisch, Geschichte und Geografie finden sich Internetlektionen. Einige Videos sind mit Grafiken, Animationen und Hintergrundmusik aufwendig gestaltet. In anderen erklären Schüler oder Studenten Schulstoff auf Tafeln oder einem Blatt Papier. In der Regel sind diese Videolektionen gratis.
Die Video-Nachhilfe via Youtube wird breit benutzt. Eine aktuelle Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zum Medienverhalten von 12- und 19-Jährigen in der Schweiz stellt fest: «Vier von fünf Jugendlichen informieren sich etwa für Hausaufgaben regelmässig über Videoportale wie Youtube.» An der Befragung nahmen über 1000 Schülerinnen und Schüler teil – je etwa ein Drittel in der Deutschweiz, in der Romandie und im Tessin.
Schulstoff wird ein zweites Mal vermittelt
Georg Waller, Mitverfasser der Studie, sieht den Lerneffekt positiv: «Eine mathematische Formel, die vom Lehrer wenig verständlich erklärt wurde, kann man sich so zu Hause in Ruhe nochmals durch den Kopf gehen lassen.» Vorteil: So wird der Stoff ein zweites Mal und – je nachdem – anders dargestellt und vermittelt. Das führt laut Waller zu einem «besseren Verständnis des Schulstoffs».
Allerdings veröffentlichen auch unbedarfte Schwätzer und Witzbolde via Youtube Nachhilfevideos. Eine Qualitätskontrolle existiert nicht. Angesichts des riesigen Angebots stellen sich daher Fragen: Stimmt überhaupt, was in den Videos gezeigt wird? Wie wird der Stoff vermittelt? Und worauf müssen Schülerinnen und Schüler achten, damit sie möglichst gute Nachhilfevideos finden?
Stichprobe: Lehrer beurteilten Lernvideos
Mit einer Stichprobe ist der K-Tipp zusammen mit Lehrerinnen und Lehrern der Kantonsschule Glarus solchen Fragen nachgegangen. Die Redaktion wählte nach dem Zufallsprinzip 20 Videos der Fächer Mathematik, Physik, Chemie, Geografie, Biologie, Englisch und Geschichte aus und liess sie von den Pädagogen beurteilen.
Das Fazit: Der Inhalt in Youtube-Videos mit Schulstoff-Erklärungen ist in den allermeisten Fällen zutreffend – aber zum Teil nicht vollständig. Das stellten gleich mehrere Lehrer fest. In Einzelfällen wurden auch Fehler verbreitet. Die kritischen Kommentare der Experten galten vor allem folgenden Punkten: «zu viele Informationen», «zu hohes Tempo» und «viel Vorwissen notwendig».
Als «altmodisch», «langweilig» oder «wenig anregend» kritisiert werden Videos, bei denen bloss eine Tafel oder ein Blatt Papier abgefilmt wird. Das war in der Stichprobe zum Beispiel in den Fächern Geografie («Erklärungen Föhn» von «KantiamBrühl St. Gallen») und Geschichte («Kaiserreich_Der Erste Weltkrieg 1914–1918» von abiweb.de) der Fall. Dass es auch anders geht, zeigt etwa die Englischlektion «Theme Thongs! Crashkurs Aussprache» von «Let’s say». Gleich zwei Lehrerinnen lobten den «witzigen» Beitrag, der «sofort den Blick auf das Wesentliche lenkt».
Nachhilfe auf Youtube: Präzise Suchbegriffe wählen!
Das grösste Problem beim Nachhilfeunterricht via Youtube: Wie findet man gute Lernhilfen? Folgende Tipps können helfen:
- Möglichst präzise Suchbegriffe wählen, damit die Trefferzahl übersichtlich wird. Beispiel: Anstatt unter dem allgemeinen Begriff «Der 1. Weltkrieg» zu suchen, ist es besser, mehrere Begriffe zu kombinieren, wie «Attentat von Sarajevo» und «der 1. Weltkrieg» oder «Die Schlacht um Verdun» und «der 1. Weltkrieg». Falls weitere Begriffe bekannt sind, werden die Treffer präziser.
- Nachhilfevideos auf Youtube eignen sich in den meisten Fällen nicht für blutige Anfänger. Nur wer sich schon ein wenig auskennt, kann abschätzen, ob das Video nur oberflächliches Basiswissen vermittelt oder das Nötige richtig erklärt.
- Auf überschwängliche Kommentare und Klickzahlen als angebliches Qualitätsmerkmal von Youtube-Nachhilfevideos ist kein Verlass. Deswegen gilt: Neben Youtube auch andere, redigierte Quellen beachten. Zum Beispiel: www.srf.ch/sendungen/myschool, Leifiphysik.de oder Planet-schule.de.
- Vorsicht: Bei jedem Treffer schlägt Youtube gut sichtbar immer eine Menge weiterer Videos vor. Da besteht schnell die Gefahr, dass man abgelenkt wird und abschweift.