Käse und Joghurt zum Frühstück, ein Schnitzel am Mittag oder Wurst am Abend: Die westliche Ernährung enthält meist viel Fett und viel Eiweiss – vor allem tierisches Eiweiss besteht aus vielen sauren Bausteinen. Zwar kann ein gesunder Körper diese Säure als Kohlendioxid über die Lunge abatmen oder dann mit dem Urin über die Niere ausscheiden.
Dennoch: Jahrelang stark sauer zu essen, kann bei älteren Menschen seinen Tribut fordern. Dies in erster Linie dann, wenn die Nieren schwächer werden, sagen nun Ernährungswissenschafter. Alexander Ströhle von der Leibniz Universität in Hannover (D) hat kürzlich im deutschen Fachblatt «Ernährung im Fokus» die bisherigen Studien ausgewertet. Ströhles Fazit: «Das Risiko für gewisse Krankheiten steigt.» Dazu gehören Osteoporose, Harnsteine und Diabetes.
Zu viel Säure entzieht Knochen Kalzium
Beispiel Osteoporose: Nierenspezialist Reto Krapf vom Osteoporosezentrum der Klinik St. Anna in Luzern hat in einer Studie bei jungen Männern festgestellt, dass die Knochen Kalzium und Phosphat abbauten, wenn sie zu sauer gegessen hatten. Ernährten sich die Männer hingegen von viel Gemüse und Früchten, konnten sie die Säurelast und den Verlust der Mineralien in den Knochen verhindern. Krapfs Fazit: «Je mehr tierisches Eiweiss man isst, umso grösser ist das Risiko für Knochenbrüche.» Auch Ernährungswissenschafter Ströhle stellte fest, dass eine stark saure Ernährung die Knochendichte vermindere.
Ähnliches gilt bei Nieren- oder Harnsteinen. Zahlreiche Studien belegten einen Zusammenhang von eiweissreicher Ernährung und erhöhtem Risiko, schreibt Ströhle. Nierensteine enthalten viel Kalzium. Der Körper löst es aus den Knochen, wenn er gegen zu viel Säure ankämpfen muss.
Saure Ernährung kann Diabetes begünstigen
Selbst beim Entstehen von Diabetes kann Säure eine Rolle spielen. Guy Fagherazzi von der Uni Paris-Süd in Villejuif wertete vor zwei Jahren die Daten von 66 000 Lehrerinnen aus. Dabei zeigte sich: Je säurehaltiger sich eine Frau ernährte, umso grösser war ihr Diabetesrisiko – und zwar unabhängig von weiteren Risikofaktoren. Fagherazzi veröffentlichte seine Befunde im Fachblatt «Diabetologia». Für Ernährungsforscher Alexander Ströhle ist klar: «Die vorliegenden Befunde sprechen dafür, den Säureanteil in der Nahrung zu reduzieren.»
Wer herausfinden will, ob ein Lebensmittel sauer ist, darf sich nicht nur auf seine Zunge verlassen. So schmeckt zwar eine Zitrone sauer, belastet den Körper aber nicht. Jürgen Vormann vom privaten Institut für Prävention und Ernährung in Ismaning (D) nennt den Grund: «Eine Zitrone enthält viel Kalium und Magnesiumsalze, die die Säure binden.»
Verschiedene Forscher, darunter Vormann, haben in den letzten Jahren versucht, im Labor und mit Testpersonen zu ermitteln, wie sauer bestimmte Lebensmittel im Körper wirken. Pioniere waren die Wissenschafter Thomas Remer und Friedrich Manz. Sie entwickelten die «Pral-Tabelle» mit rund 180 Lebensmitteln. Daraus kann man ablesen, wie viel Säure ein bestimmtes Lebensmittel im Urin erzeugt. Je höher der Pral-Wert, desto saurer ist das Lebensmittel.
Einen hohen Wert weisen Fleisch, Fisch oder Käse auf. Gemüse wie Kartoffeln, Kohl oder Spinat haben einen negativen Wert. Das bedeutet: Sie enthalten viel Kalzium, Magnesium und Kaliums. Diese Stoffe binden die Säure im Körper, wirken deshalb basisch.
Vegetarier nehmen mit ihrer Ernährung also viel weniger Säure auf als Fleischliebhaber. Forscher Ströhle nennt vegetarisches Essen denn auch «basisch bis neutral». Ähnlich sieht es bei der populären Paläo-Diät aus. Sie zeichnet sich durch einen hohen Obst- und Gemüsekonsum aus. Bodybuilder und Kraftsportler hingegen setzen auf sehr viel Eiweiss. So wachsen zwar die Muskeln am schnellsten, doch für Fachmann Ströhle ist eine solche Diät «stark säurend». Er empfiehlt eine Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Hülsenfrüchten. Milchprodukte, Vollkorn, Fisch und mageres Fleisch sollte man nur in kleinen Mengen essen: «Das ist die beste Investition in die Gesundheit», so der Forscher.
Basenpulver sind überflüssig
Basenpulver aus Apotheken und Drogerien sind für gesunde Menschen überflüssig. Carsten Wagner vom Physiologischen Institut der Uni Zürich sagt: «Eine ausgeglichene Ernährung genügt.» Auch Urintests aus Apotheken machten keinen Sinn. Urin sei immer etwas sauer. Wagner: «Um zu messen, ob der Körper übersäuert ist, müssten die Patienten über 24 Stunden Urin sammeln und erst noch eine Blutanalyse durchführen lassen.»
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