Das Leben als Jude ist nicht einfach. Vor allem im Sommer. Wir wohnen im ­dritten Stock und riechen jeden Abend gebratene Würste. Es duftet unkoscher – also verführerisch. Der Nachbar über uns ist ein arabischer Grillmeister, unter uns wohnt ein indischer Curry-King. Ich habe bisher keine Grill-Medaille gewonnen. Meine Koscher-­Cervelats schmecken wie panierter Tofu.

Letzte Woche keimte ein bisschen Hoffnung auf, dass auch ich endlich etwas Feines essen könnte. Ich war in einem Migros-Outlet. Dort gibt es Produkte wie «Sharri – Balkan­käse», «Sunday – Mala tulumba» und «Deli­kates Gerieben». Sachen, die es in keiner ­normalen Migros gibt. In einem Kühlschrank entdeckte ich rosarote «Einhornbratwürste». Ja, Einhornbratwürste, «hergestellt in der Schweiz aus Schweizer Fleisch». Das stand auf der ­Verpackung. Ich jubelte. Einhörner sind ­sicher koscher. Ich habe die Thora schon zweimal durchgelesen. Darin steht nirgends: «Und esset keine Einhornbratwürste – denn ich bin Euer ewiger und strafender Gott!»

Ich füllte den Einkaufskorb mit allen ­verfügbaren Einhornbratwürsten und freute mich auf das Gesicht meiner vierjährigen Tochter. Sie liebt die Farbe Pink, und sie liebt Einhörner! Papi würde heute Abend Mami vom ersten Rang verdrängen. 

Als ich allerdings einen Blick auf die ­Inhaltsstoffe warf, kippte meine gute Laune: «Zutaten: Schweinefleisch, Kalbfleisch,  Schwarten usw.» Also doch nicht koscher. 

Ich legte die gesammelten Würste wieder zurück in die Tiefkühltruhe. Ich fluchte ­einmal laut und füllte dann den Korb mit «Mala tulumba». Das ist eine Süssspeise aus frittiertem Teig. Den Blick auf die Zutatenliste liess ich bleiben.