Seit langem stehen Energydrinks im Verdacht, die Zähne zu schädigen. Jetzt konnten Forscher nachweisen, wie gross der Schaden ist. Die neuste Studie erschien im Mai im Fachblatt «General Dentistry». Zahnforscher der US-Universität in Edwards, Illinois, massen, wie viel Prozent des Zahnschmelzes verlorengeht durch das Trinken von Red Bull oder dem Sportdrink Powerade. Sie entfernten eine 2 Millimeter dicke Schicht des Zahnschmelzes von gesunden, gezogenen Backenzähnen und tauchten sie fünf Tage lang jeweils 4-mal für 15 Minuten in die Getränke. Zwischendurch durfte sich der Schmelz in einer künstlichen Speichellösung erholen. Das Fazit: Energydrinks zerstörten auf diese Weise im Schnitt rund 3 Prozent des Schmelzes, Sportdrinks rund 1,5 Prozent.
Adrian Lussi von der Klinik für Zahnerhaltung der Universität Bern erstaunt das nicht. Auch Lussi hat Anfang Jahr eine Studie im «British Journal of Nutrition» veröffentlicht, die zeigt, wie saure Lebensmittel den Zahnschmelz attackieren. Lussis Forschergruppe hat 60 Getränke, andere Lebensmittel und Medikamente untersucht. Die Wissenschafter tauchten präparierten Zahnschmelz in die Getränke oder in die pürierten Lebensmittel. Dann massen sie, wie weich der Zahnschmelz nach 2 und 4 Minuten war.
Kaffee, Tee, Joghurt und Mineralwasser schaden dem Zahnschmelz nicht
Resultat: Süssgetränke wie Cola light oder Rivella blau weichten den Zahnschmelz in den zwei Minuten um gegen die Hälfte auf. Apfelsaft, Smirnoff Ice Vodka oder Bacardi Breezer um rund einen Drittel (siehe Tabelle.)
Red Bull und der Sportdrink Powerade senkten die Härte zwar zunächst nur um 15 Prozent. Doch während sich der Schmelz bei den meisten anderen Lebensmitteln nach zwei Minuten erholt und wieder härter wird, sackt er bei beiden Getränken noch einmal um mehr als einen Drittel ab. Ähnliches beobachteten die Berner Forscher bei Orangensaft.
Gewisse Medikamente sind fast so riskant wie Süssgetränke: Gelöste Brausetabletten wie Neocitran oder Vitamin C Actilife weichen den Zahnschmelz beträchtlich auf. Auch Hagebuttentee weichte den Schmelz um einen Drittel auf, pürierte Früchte wie Aprikosen oder Kiwi um rund einen Viertel.
Die gute Nachricht: Kaffee, die meisten Tees, Mineralwasser und Joghurt konnten dem Zahnschmelz nichts anhaben. Für Lussi ist klar: Häufigkeit und Dauer der Säureattacken entscheiden über den Schaden. Zwar kann sich der Schmelz regenerien. Doch gelangt zu oft und zu lange Säure in den Mund, kommt es zu bleibenden Defekten. Lussi empfiehlt, nicht mehr als vier saure Portionen pro Tag zu essen oder zu trinken (siehe Kasten). Zudem sollte man nach Saurem den Mund mit Wasser spülen. Lussi: «Das neutralisiert die Säure und schützt so die Zähne.»
Massive Schäden bei der Hälfte der 50-Jährigen
Adrian Lussi schätzt, dass in der Schweiz jeder fünfte 30-Jährige und jeder zweite 50-Jährige bereits tiefe, irreparable Defekte im Zahnschmelz hat. Annette Wiegand vom Zentrum für Zahnmedizin der Universität Zürich empfiehlt zusätzlich nach sauren Mahlzeiten Kaugummis, die den Speichelfluss erhöhen. Und: «Zähne sollte man erst eine halbe bis eine ganze Stunde nachher putzen.»
Red Bull schreibt saldo, die Studien hätte man nicht am Menschen durchgeführt, sie seien deshalb nicht realistisch. Ein Lebensmittel alleine könne man nicht für den Verlust von Zahnschmelz und Karies verantwortlich machen. Dafür seien neben der persönlichen Zahnhygiene auch Lebensstil, Ernährung und die Gene entscheidend.
Schädigende Wirkung: Viele Hersteller äussern sich nicht
Sinalco sagt, man halte sich an die gesundheitlichen Vorschriften, zur Zahnhärte könne man keine Aussage machen. Rivella schreibt, das Getränk enthalte Kalzium, das den Zahnschmelz härte und die Zähne remineralisiere. Novartis Consumer Health erklärt, bei Neocitran handle es sich um ein Arzneimittel, das man nicht dauerhaft anwenden soll.
Zahnschmelz: Tipps zum Schutz
- Höchstens vier saure Portionen pro Tag.
- Süssgetränke rasch trinken, nicht daran nuckeln.
- Mund mit Wasser spülen.
- Zuckerfreien Kaugummi kauen.
- Zweimal pro Tag die Zähne mit einer weichen Bürste putzen genügt.
- Zähne erst 30 bis 60 Minuten nach dem Genuss von Saurem putzen.
- Zahnpaste mit Fluor und geringem Abrasionswert (RDA 40 bis 80) benützen.
- Zahnbürste mit abgerundeten Borsten («K-Tipp»-Test, Ausgabe 9/2009) wählen.
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