Werner Müller leitet das Amt für Öffentlichen Verkehr und Tourismus des Kantons Thurgau. Müller nimmt kein Blatt vor den Mund. Er spricht von einem «Kahlschlag» bei den Poststellen. Es sei an der Zeit, ­Gegensteuer zu geben. «Nur so können wir verhindern, dass Teile des Thurgaus zu postalischem Ödland verkommen», sagt Müller. 

Der Ostschweizer Kanton hat seit dem Jahr 2001 nicht weniger als 64 Prozent seiner Poststellen verloren – zwei von drei Postfilialen wurden geschlossen. In der ganzen Schweiz hat die Post in der gleichen Zeit 55 Prozent der Poststellen abgebaut – also mehr als jede zweite. Der Kanton Thurgau ist zusammen mit den Kantonen Graubünden, Schaffhausen, den beiden Appenzell und Freiburg extrem stark vom Abbau betroffen. Die sechs Kantone verloren in den vergangenen 15 Jahren mindestens 60 Prozent der Postfilialen (siehe Ta­belle). 

Die Zahlen stammen vom Schweizer Verein der Poststempelsammler. Er stützt sich dabei auf Informationen der Post über Poststellenschliessungen. 

Landesweit machte die Post demnach seit dem Jahr 2001 total 1799 Poststellen dicht. Dafür gibt es heute 728 Postagenturen. Verschiedene Dienstleistungen wie etwa Bargeldeinzahlungen sind dort nicht mehr möglich (saldo 10/12). 

Post hält Zahlen unter Verschluss

Die Post will weitere Filialen schliessen. Allein im Thurgau befinden sich acht Poststellen auf der Abschussliste. Das Thurgauer Volkswirtschaftsdepartement fordert deshalb jetzt von der Post ­einen Marschhalt. Im November wird es zu einem Treffen zwischen Volks­wirtschaftsdirektor Kaspar Schläpfer und der Post kommen. 

Die Kantone ärgern sich auch darüber, dass die Post Zahlen zum Abbau in den Kantonen geheim hält. Die Post will nicht einmal offenlegen, wie viele Poststellen und Postagenturen es heute pro Kanton noch gibt. Ausgewiesen werden nur gesamtschweizerische Zahlen. 

Eine Übersicht gibt es lediglich dank des Vereins der Poststempelsammler. Er führt über alle Änderungen im Poststellennetz minuziös Buch. Diese Daten zeigen, wie unterschiedlich die Kantone vom Abbau betroffen sind: In Graubünden sind seit 2001 drei Viertel aller Poststellen verschwunden, in Zug nur ein Viertel (siehe Grafik rechts). Die Post behauptet, die Zahlen stimmten nicht. Andere Zahlen nennt sie jedoch nicht.

Die Konferenz der Kan­tonalen Volkswirtschaftsdirektoren gelangte unterdessen mit einem Brief an die Postaufsicht Postcom. Die Regierungsräte verlangen Zahlen zur Erreichbarkeit der Poststellen pro Kanton. Hintergrund: Laut Gesetz müssen 90 Prozent der Bevölkerung die Poststellen in maximal 20 Minuten zu Fuss oder per Bahn oder Bus erreichen können. Dies gilt aber nur im gesamtschweizerischen Durchschnitt: Wenn im Kanton Graubünden oder in Schaffhausen nur 50 Prozent der Bevölkerung in 20 Minuten die nächste Poststelle erreichen, ist das irrelevant – solange der nationale Durchschnitts­wert stimmt.

Da es keine Transparenz zur Erreichbarkeit der Poststellen pro Kanton gibt, empfiehlt der Kanton Thurgau allen Gemeinden, sich gegen geplante Schliessungen zu wehren und die Aufsichtsstelle Postcom anzurufen. 

«Die Post ist nicht transparent» 

Auch im Parlament regt sich Widerstand gegen den nicht endenden Abbau bei der Post. Zwei breit abgestützte Vorstösse – sie wurden sowohl von SP- wie von SVP-Nationalräten unterzeichnet – fordern von der Post mehr Transparenz bei der kantonalen Erreichbarkeit von Poststellen. 

«Die Post ist nicht transparent. Sie sollte die kantonale Er­reich­bar­keit ausweisen, das kann keine grosse Sache sein», sagt der ­Thurgauer CVP-Nationalrat Christian Lohr. Er kritisiert zudem das Vorgehen bei Schliessungen: «Die Post betreibt hier eine Salamitaktik.» Oft werden laut Lohr zuerst die Öffnungszeiten gekürzt. Dann kämen weniger Kunden und der Umsatz sinke. Damit begründe dann die Post später die Schliessung. 

Zahlen der Postcom be­stätigen diesen Eindruck: 

Viele kleine Poststellen mit ­kurzen Öffnungszeiten wurden geschlossen, trotzdem nimmt die durchschnittliche Dauer der Öffnungszeiten nicht zu. Im Gegenteil: Der Anteil der Poststellen, die nur zwei bis sechs Stunden pro Tag geöffnet sind, stieg zwischen 2013 und 2014 von 20 Prozent auf 23 Prozent. 

Die Post widerspricht dem Vorwurf der Salamitaktik. Am Schalter würden weniger Geschäfte getätigt, deshalb müsse man aus Kostengründen die Öffnungszeiten kürzen. Die Post erklärt auch, die gesetzlichen Vorgaben zur Erreichbarkeit einzuhalten. Diese Vorschrift würde aber nur auf nationaler Ebene gelten. Deshalb weise sie keine kantonalen Zahlen zum Poststellennetz aus. 

Die Postcom sieht ebenfalls keinen Anlass, kanto­nale Zahlen zu verlangen. Allerdings bestätigt die Aufsicht, «dass sich die Verkürzung der Öffnungszeiten ­einer Poststelle negativ auf deren Geschäftszahlen auswirkt».