Kaffee gut - Wartezeit endlos
Elvetino serviert frischen Kaffee in den Zügen - und spricht von einer Sensation. Doch die Maschinen sind überfordert.
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saldo 5/2007
21.03.2007
Sabine Rindlisbacher
Was wir den Passagieren früher angeboten haben, hat die Bezeichnung Kaffee nicht verdient», gibt Yvo Locher, Chef der SBB-Gastrofirma Elvetino, offen zu. Vor einem Jahr hat Elvetino deshalb die erste Railbar mit einer Lavazza-Maschine ausrüsten lassen. Heute kann man bereits bei jedem zweiten Wägelchen frischen Kaffee oder Espresso bestellen. Für Locher ist das eine Sensation.
Weit weniger begeistert sind viele Pendler. Zwar ist der Kaffee tatsächlich viel besser als früher...
Was wir den Passagieren früher angeboten haben, hat die Bezeichnung Kaffee nicht verdient», gibt Yvo Locher, Chef der SBB-Gastrofirma Elvetino, offen zu. Vor einem Jahr hat Elvetino deshalb die erste Railbar mit einer Lavazza-Maschine ausrüsten lassen. Heute kann man bereits bei jedem zweiten Wägelchen frischen Kaffee oder Espresso bestellen. Für Locher ist das eine Sensation.
Weit weniger begeistert sind viele Pendler. Zwar ist der Kaffee tatsächlich viel besser als früher, und deshalb wird auch die Preiserhöhung von 20 Rappen auf Fr. 3.70 hingenommen. Doch dauert es mit den neuen Maschinen über eine Minute, bis ein einziger Becher gefüllt und serviert ist. Die Folge: Die Railbar-Angestellten kommen verspätet oder gar nicht mehr in die letzten Waggons. Dutzende von Passagieren warten vergeblich auf ihren Kaffee - und sind sauer.
Beispiel Linie Luzern-Zürich: Am Morgen und Abend ist dies eine klassische Pendlerstrecke. Ein Fahrgast, der unter der Woche jeden Tag mit dem 8.10-Uhr-Zug von Luzern nach Zug reist, kritisiert: «Wenn ich bis zur Ankunft meinen Kaffee will, muss ich jetzt im vordersten Wagen der ersten Klasse einsteigen.»
«Wir verlieren viele Kunden aus der 2. Klasse»
Auch andere SBB-Reisende auf dieser Strecke sind verärgert: «Früher trank ich täglich einen Kaffee im Zug», sagt ein weiterer Pendler. «Aber seit einigen Monaten kommt das Wägeli bis Zürich häufig nicht mehr in der 2. Klasse vorbei.»
Die Railbar-Angestellten leiden unter dem Frust der Passagiere. «Ich hatte Stammkunden in den hintersten Wagen, die sich immer auf mich gefreut haben. Jetzt sehe ich sie nur noch selten», erzählt Giuseppe Monti*. Wenn er dennoch zu ihnen durchkommt, seien sie verärgert; einige würden ihn nicht mal mehr grüssen. Monti ist sich sicher: «Wegen der Lavazza-Maschinen verlieren wir viele Kunden aus der 2. Klasse.»
Doch auch in der 1. Klasse tauchen Probleme auf: Die Maschinen sind öfter defekt oder müssen sich nach vier, fünf Kaffees während mehrerer Minuten neu aufheizen. Der Ärger der Kunden wirkt sich auf das Trinkgeld aus - für Monti besonders belastend: «Bei einem Monatslohn von knapp 3200 Franken brutto haben wir jeden Rappen bitter nötig.»
Elvetino gibt mögliche Engpässe zu
Fritz Lang* schiebt seit zwölf Jahren Railbars durch die Züge. Auch er hat Mühe mit den neuen Kaffeemaschinen. «In der 1. Klasse freuen sich die Passagiere über den feinen Kafi, die anderen drücken sich die Nase breit.» Lang vermutet ein System dahinter. «Ich glaube, dass unsere Chefs die vernachlässigten Passagiere dazu bringen wollen, sich direkt beim Bahnhof an den mobilen Elvetino-Ständen einzudecken.»
All dem hält Elvetino-Chef Yvo Locher Zahlen entgegen. Der Gesamtumsatz der Railbars sei um gut 10 Prozent gestiegen. «Wir verkaufen 20 Prozent mehr Kaffee. Allein im Februar haben wir 50 000 Becher verkauft, im März könnten es 75 000 werden.» Bald sollen nur noch Railbars mit Lavazza-Maschinen im Einsatz sein. Locher gibt jedoch zu, dass es zu Engpässen kommen kann. Ab April sind deshalb für die Strecke Zürich-Bern-Zürich zwei Mitarbeiter mit zwei Maschinen im Einsatz.
Zudem sollen die 300 Railbar-Stewards geschult werden, um die Wartezeit für den Kaffee zu überbrücken - sprich mehr zu verkaufen.
Locher: «Die Umstellung war für die Mitarbeiter natürlich nicht ohne. Doch während sie noch etwas nervös wirken, freuen sich die Kunden über guten Kaffee.»
Dass seine Angestellten vermehrt unter Druck kommen und weniger Trinkgeld erhalten, dementiert der Elvetino-Chef. Im Gegenteil. «Sie machen jetzt mehr Umsatz und damit auch mehr Trinkgeld. Und die Mitarbeiter haben eine Umsatzbeteiligung von 3 Prozent.» Elvetino-Chef Locher ergänzt: «Ohne die neuen Kaffeemaschinen hätte die Elvetino Railbar keine Zukunft mehr gehabt.»
* Namen geändert
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