Wer seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber, einer Inkassofirma oder einem Telekomunternehmen vor Gericht durchsetzen möchte, muss sich dies seit dem letzten Jahr zweimal überlegen. Konkret: Seit Anfang 2011 gilt in der ganzen Schweiz ein neues Zivilprozessgesetz mit kostspieligen Neuerungen: Die klagende Partei muss einen Kostenvorschuss zahlen. Zudem müssen die Kläger die Gerichtskosten selbst dann bezahlen, wenn sie den Prozess gewinnen.

Sie können das Geld dann allenfalls von der beklagten Partei zurückverlangen, wenn diese genug Geld hat. Jetzt werden die Folgen des neuen Gesetzes deutlich: Immer weniger Leute wagen den Gang vor Gericht. Das zeigen Recherchen des Juristenmagazins «Plädoyer». Im Kanton Zürich zum Beispiel nahm die Zahl der Zivilprozesse in erster Instanz 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 18,5 Prozent ab.

Das Zürcher Obergericht stellt im Jahresbericht kritisch fest: «Die Möglichkeit, einen Vorschuss zu verlangen, wirkt prozesshemmend.» Der grüne Nationalrat Daniel Vischer, Mitglied der Kommission für Rechtsfragen, erstaunt das nicht: Die Abschreckung sei gewollt. Wer es sich nicht leisten kann, solle auch nicht klagen. Vischer: «Prozessieren können nur noch Reiche und Arme, denen die unentgeltliche Prozessführung gewährt wird, weil sie auf dem Existenzminimum leben.»