Jetzt sagen die Raiffeisenbanken «Spesen adieu!»
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Haus & Garten 1/1999
01.05.1999
Mit ihrer neuen Spesenpolitik wollen die Raiffeisenbanken Kundschaft dazugewinnen. Das neue gebührenfreie Mitglieder-Privatkonto ist in der Tat attraktiv - aber nur für Ortsansässige.
Für den Umgang mit ihrem Geld haben die meisten Schweizerinnen und Schweizer die folgenden Grundbedürfnisse:
- Erstens gilt es, den Lohn (oder sonstige Einkünfte) auf ein Konto überweisen zu lassen. Den Zahltag bar auf die Hand zu verlangen ist ziemlich «out» und überdies gef...
Mit ihrer neuen Spesenpolitik wollen die Raiffeisenbanken Kundschaft dazugewinnen. Das neue gebührenfreie Mitglieder-Privatkonto ist in der Tat attraktiv - aber nur für Ortsansässige.
Für den Umgang mit ihrem Geld haben die meisten Schweizerinnen und Schweizer die folgenden Grundbedürfnisse:
- Erstens gilt es, den Lohn (oder sonstige Einkünfte) auf ein Konto überweisen zu lassen. Den Zahltag bar auf die Hand zu verlangen ist ziemlich «out» und überdies gefährlich.
- Zweitens muss man für seine Einkäufe von diesem Konto regelmässig Geld abheben können - und zwar nicht nur am Schalter, sondern auch am Automaten.
- Drittens ist es praktisch, wenn das kontoführende Institut die Rechnungen des Kunden direkt und bargeldlos abwickelt und dem Kundenkonto belastet.
- Viertens soll das Geld auf dem Konto von möglichst attraktiven Zinsen profitieren.
Diese Bedürfnisse befriedigen die Banken sowie die Post - allerdings zu unterschiedlichsten Bedingungen und Kosten für den Kunden sowie mit vielen möglichen Zusatzleistungen. Auch die Zinsen variieren stark.
Bei Gebühren- und Kostenvergleichen kommt es deshalb entscheidend darauf an, wie die Testanlage aufgebaut ist. Für diesen Test ist K-Tip Spezial von folgenden Annahmen ausgegangen:
- Unvermeidlich und damit gesetzt sind Grundgebühren, Portokosten des Kunden, Spesen für Zahlungs- und Daueraufträge, monatliche Kontoauszüge sowie Gebühren für Bargeldbezüge am bankeigenen Automaten beziehungsweise am Postomaten der Post. Dafür haben Bankkunden eine Bankkarte (meist eine EC-Karte) und Postkunden die gelbe Postcard zur Verfügung.
- Umstritten hingegen ist der Spesenposten «Bargeldbezüge am fremden Apparat». Wie oft sind etwa die Kundinnen und Kunden der Migros-Bank darauf angewiesen, am Bancomaten einer anderen Bank Bargeld zu beziehen? Bei der Migros-Bank ist dieses Fremdgehen nicht gratis, wie die Tabellen zeigen. K-Tip Spezial hat diesen Posten deshalb in den Gebührenvergleich integriert, weil die Möglichkeit offensichtlich rege benützt wird: Bei der Migros-Bank zum Beispiel erfolgt jeder dritte Bezug an bankfremden Automaten. Tipp für Migros-Kunden: An den Postomaten und an den Migros-Ladenkassen können Sie mit der M-Card gratis Bargeld beziehen.
- Auch die Post bittet ihre Kundschaft in solchen Fällen zur Kasse - und zwar massiv: Jeden zehnten Bezug machen Inhaber eines Postkontos an einem Bancomaten der Banken - was sie jedes Mal happige 3 Franken kostet. Gerade für die Post wirken sich diese Gebühren in der vorliegenden Testanlage negativ aus: Die 36 beziehungsweise 72 Franken lassen das Gelbe Konto in der Rangliste ganz weit nach hinten rutschen.
- Dass die beiden Posten EC-Karte (in beiden Konten) und Kreditkarte (nur in Musterkonto B) mit den entsprechenden Gebühren in der Vergleichstabelle auftauchen, mag ebenfalls erstaunen. Tatsache ist aber, dass sowohl EC-Karte als auch Kreditkarte für bargeldloses Einkaufen heute in sehr vielen Portemonnaies stecken. So gesehen ist es gerechtfertigt, die beiden Spesenverursacher im Test mit einzubeziehen (abgesehen davon, dass Bargeldbezüge an bankfremden Automaten ohne EC-Karte gar nicht möglich sind).
- Überhaupt nicht berücksichtigt sind hingegen die Spesen, die durch Einkäufe und Bargeldbezüge im Ausland anfallen.
- Entscheidend für die Rangierung ist natürlich auch der Zins, der wiederum vom jeweiligen durchschnittlichen Kontostand abhängig ist (beim Musterkonto A sind es 5500 Franken, beim Musterkonto B 15 500 Franken). Hier zeigte sich von den getesteten Banken die Berner Kantonalbank am grosszügigsten (im Betrachtungszeitraum März 1998 bis Februar 1999 waren es 1,5 bzw. 1,25 Prozent). Die Post verzinst traditionell schlecht, steht aber mit ihrem Magerzins von einem halben Prozent nicht mehr allein da.
Erstes Fazit: Unter den gegebenen Voraussetzungen platzieren sich die beiden im Test berücksichtigten Raiffeisenbanken ganz vorne. Sie verzinsen überdurchschnittlich und erheben praktisch keine Gebühren, was unter dem Strich den besten Saldo ergibt.
«Wir sind eben unseren Mitgliedern verpflichtet. Das günstige Lohnkonto soll die Kundschaft dazu bewegen, auch weitere Geschäfte mit uns zu tätigen», sagt Adrian Töngi vom Schweizer Verband der Raiffeisenbanken in St. Gallen.
Allerdings sind viele Raiffeisenbanken nur für Ortsansässige attraktiv.
Bei der Raiffeisenbank Gossau SG zum Beispiel gibt es das ganz gebührenfreie Mitgliederprivatkonto (Lohnkonto) nur für Einheimische und nur nach Zeichnung eines Anteilscheines von 200 Franken, der mit 6 Prozent verzinst wird.
Viele der übrigen 700 Raiffeisenbanken (mit 1300 Geschäftsstellen) haben diese Art des kostenlosen Mitglieder-Privatkontos auch eingeführt.
Weil aber die einzelnen Raiffeisenbanken punkto Zinsen und weiteren Konditionen frei sind, tanzt beispielsweise Villmergen AG aus der Reihe. Hier ist das Lohnkonto schon seit Jahren für sämtliche Kundinnen und Kunden spesenfrei.
Wenn bei der Kontoführung von den teils hohen Spesen die Rede ist, betonen gerade grosse Banken immer wieder, «bessere» Kunden würden günstiger fahren. In diesem Zusammenhang wird jeweils die «gesamte Kundenbeziehung» erwähnt. Das heisst: Wer bei der betreffenden Bank nicht nur ein simples Lohnkonto führt, sondern daneben beispielsweise noch ein Sparkonto, ein 3.-Säule-Konto oder ein Aktiendepot, muss beim Lohnkonto weniger Spesen zahlen.
Dieser Test zeigt aber klar: An der Reihenfolge der Banken ändert das wenig. Der Inhaber des Musterkontos B hat nicht nur einen hohen durchschnittlichen Kontostand von 15500 Franken, sondern besitzt daneben noch weitere 50000 Franken auf anderen Konten - und fährt beispielsweise bei der CS dennoch eher schlecht. Zwar fallen für ihn die 72 Franken Konto-Grundgebühren weg, dafür fällt in dieser Testanlage die teure Kreditkarte der CS mit 100 Franken stärker ins Gewicht.
Zweites Fazit: Banken mit hohen Spesen sind für Gutsituierte ebenfalls eher teuer. Und auch für Grossverdiener ergibt sich in diesem Test auf solchen Lohnkonten ein Minussaldo, weil die Spesen höher sind als der Zinsertrag.
Der Banken-Ombudsman Hanspeter Häni sieht hier aber durchaus Spielraum: «Wenn Banken mit hohen Spesen wieder vermehrt Neu-Kunden gewinnen wollen, müssen sie mit den Spesen runter», ist er überzeugt.
Inhaberinnen und Inhaber eines Lohnkontos dürfen aber nicht vergessen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, um unliebsame Gebühren zu vermeiden. Das sind die wichtigsten Spartipps:
- Nutzen Sie nur diejenigen Dienstleistungen, die Sie wirklich brauchen. Unter Umständen kommen Sie auch ohne EC- und Kreditkarte durchs Leben.
- Werfen Sie Zahlungsaufträge wenn möglich direkt bei der Bank ein. Das erspart Ihnen die Portokosten.
- Passen Sie auf beim Bargeldbezug. Er kann ins dicke Tuch gehen, wenn Sie unbedingt zu jeder Tages- und Nachtzeit jeden verfügbaren Apparat «melken» wollen.
- Achten Sie darauf, dass Sie von der Bank nicht zu viele Briefe bekommen. Im Prinzip verrechnet Ihnen die Bank dafür jedes Mal die Portokosten. Es genügt, wenn Sie die Belastungsanzeigen für Ihre Zahlungsaufträge zusammen mit dem Monatsauszug erhalten.
- Lassen Sie nicht allzu viel Geld auf dem Lohnkonto liegen, sondern transferieren Sie es regelmässig auf besser verzinste Sparkonten oder auf andere Geldanlage-Möglichkeiten. Zwei Besonderheiten zu diesem Punkt: Die Post verzinst auf dem Gelben Konto nur Gelder bis zur Höhe von 10 000 Franken; liegt mehr Geld auf dem Konto, trägt es gar keine Früchte mehr. Die Spar + Leihkasse in Bern gewährt im Gegenteil ab 20000 Franken automatisch ein Viertelprozent mehr Zins.
- Achten Sie auf Sonderkonditionen, die Sie erfüllen müssen, damit man Ihnen beispielsweise die Grundgebühren erlässt. Das kann ein hoher Betrag der übrigen «gesamten Kundenbeziehung» sein, mit der allenfalls auch die EC-Karte gratis wird. Die kostenlose Führung des Kontos nützt aber nichts, wenn die Bank dafür andernorts umso kräftiger zulangt.
- Ein gutes Angebot macht in diesem Zusammenhang die Post: Sie müssen lediglich 2000 Franken in einen der Gelben Fonds investieren - und schon ist die 36-Franken-Grundgebühr vom Tisch (der Kontozins wird aber deswegen nicht besser).
- Lassen Sie sich von den so genannten Bonus-Programmen der Grossbanken nicht irreführen. Keyclub von UBS und Bonviva von Credit Suisse sollen nicht in erster Linie die Gebühren senken, sondern die Kundschaft emotional an die Bank binden.
- Prüfen Sie die Möglichkeit der elektronischen Kontoführung via Internet. Die meisten Banken und die Post bieten auf diesem Weg eine spesenfreie Kontoführung an.
- Vergessen Sie nicht, dass alle Kostenvergleiche stark von den gewählten Testvorgaben abhängen und damit in erster Linie von den Dienstleistungen, die integriert sind und die Sie vielleicht nicht brauchen. In diesem Test zeigt sich das bei der Post in besonders krasser Art und Weise: Würde der Modellkonto-Inhaber auf die teuren Barbezüge mit der Postcard an Bancomaten verzichten, wäre die Post rangmässig im Mittelfeld. Das zeigte auch der letzte Kostenvergleich des K-Tip.
Dem Magazin «Saldo» gelang kürzlich gar eine Testvorgabe, bei welcher die Post auf Platz 1 landete. Grund: Keine Bargeldbezüge am fremden Automaten und eine Zinsberechnung aufgrund des aktuellen Zinssatzes, welche die besseren Zinsen der Banken in der Vergangenheit unberücksichtigt liess.
Tipp zum Schluss: Wer am Wohnort eine Raiffeisenbank hat, ist dort mit ziemlicher Sicherheit gut bedient. Ansonsten empfiehlt es sich, bei der Bank in der Region nach der Zinspolitik zu fragen.
Diesbezüglich waren im vergangenen Jahr die Berner Kantonalbank sowie die Spar + Leihkasse in Bern führend (was natürlich keine gültige Voraussage für die Entwicklung in der Zukunft ist).
Wer nur die lästigen Spesen weghaben will und mit einem mageren Zinsertrag zufrieden ist, investiert in Gelbe Fonds der Post und wickelt dann den Zahlungsverkehr dort ab. Nachteil: Die Möglichkeiten des Bargeldbezugs und des bargeldlosen Einkaufens sind eingeschränkt, wenn man nur die Postcard, aber keine EC-Karte zur Verfügung hat.
Was viele aber nicht wissen: Mit der gelben Postcard können die Inhaberinnen und Inhaber auch an 750 Bahnhöfen spesenfrei Bargeld beziehen und übrigens auch an den Ladenkassen in den einzelnen Migros-Filialen.
Ernst Meierhofer, Pirmin Schilliger
SPESEN-WIRRWARR - Undurchsichtiges von der Kantonalbank
Wie schwierig Kontoreglemente oft zu lesen sind, zeigt das Beispiel der Kantonalbank Schwyz. In ihrem Prospekt steht, das Privatkonto (Lohnkonto) sei «kostenlos».
Das stimmt aber aus der Sicht des Kunden überhaupt nicht, denn die Bank verrechnet ihm für alle Bankmitteilungen das Porto. Dieser Hinweis ist im Faltblatt nur als unklare Fussnote versteckt.
K-Tip Spezial hat das Kontoreglement Hanspeter Häni vorgelegt, dem Ombudsman der Schweizer Banken. Häni wiederum hat das Faltblatt sieben Personen aus seinem Bekanntenkreis gezeigt. Von diesen konnten nur zwei die Fussnote bezüglich Portokosten richtig deuten.
SO WURDE GETESTET - Zwei Musterkonten im Vergleich
Musterkonto A: Durchschnittlicher Kontostand 5500 Franken, keine weiteren Konten, keine Neukunden-Sonderkonditionen, 12 Zahlungseingänge (Lohn), 12 Zahlungsaufträge mit je 12 Einzahlungsscheinen, 3 Daueraufträge pro Monat, 3 Bargeldbezüge pro Monat am bankeigenen Automaten (dazu 1 Bezug an fremdem Geldinstitut), 12 Bankauszüge, EC-Karte.
Musterkonto B: Durchschnittlicher Kontostand 15500 Franken, weitere Geldanlagen im Wert von 50000 Franken, keine Neukunden-Sonderkonditionen, 24 Zahlungseingänge, 24 Zahlungsaufträge mit je 8 Einzahlungsscheinen, 5 Daueraufträge pro Monat, 4 Bargeldbezüge pro Monat am bankeigenen Automaten (dazu 2 Bezüge an fremdem Geldinstitut), 12 Kontostands-Mitteilungen (das heisst Bankauszüge), EC-Karte, Kreditkarte ohne Umsatzbonus.
Für den Zinsertrag galt der Zeitraum 1. März 1998 bis 28. Februar 1999. Gerechnet wurde mit den effektiven Zinssätzen.