Implantate sind nicht für jeden geeignet
Implantat oder Brücke? Eine Entscheidung, die nicht nur der Zahnarzt fällt. Neben medizinischen Kriterien spielt die Kostenfrage eine wichtige Rolle.
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saldo 3/2004
18.02.2004
Lilo Wicki
Verena Kühnis Zähne sind eigentlich in einem guten Zustand. Der 53-Jährigen fehlt nur der obere Schneidezahn, den sie als Kind bei einem Unfall mit der Schneeschaufel verlor. Der damals eingesetzte Stiftzahn ging vor einem Jahr in die Brüche. Der Wurzelkanal entzündete sich, der künstliche Zahn musste ersetzt werden. Verena Kühni liess sich ein Implantat einsetzen.
Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer entschliessen sich für diese Variante des Zahnersatzes. Ein regelrech...
Verena Kühnis Zähne sind eigentlich in einem guten Zustand. Der 53-Jährigen fehlt nur der obere Schneidezahn, den sie als Kind bei einem Unfall mit der Schneeschaufel verlor. Der damals eingesetzte Stiftzahn ging vor einem Jahr in die Brüche. Der Wurzelkanal entzündete sich, der künstliche Zahn musste ersetzt werden. Verena Kühni liess sich ein Implantat einsetzen.
Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer entschliessen sich für diese Variante des Zahnersatzes. Ein regelrechter Boom zeichnet sich ab: Vergangenes Jahr wurden in der Schweiz schätzungsweise 70 000 Implantate eingesetzt.
Ein Implantat besteht aus einer 6 bis 14 Millimeter langen und 4 bis 5 Millimeter dicken Titanschraube, die in den Kiefer gedreht wird. Der Zahnarzt führt die 30- bis 60-minütige Operation unter Lokalanästhesie durch. Nach dem Eingriff wird der Patient meist mit einem Provisorium entlassen. Sechs bis zwölf Wochen später schraubt der Zahnarzt die kunstvoll gefertigte Prozellan-krone auf das Titanimplantat.
Für ein Implantat braucht es genügend Knochenvolumen
Einen wichtigen Beitrag zum passenden Zahnersatz leistet der Zahntechniker. In einem langwierigen Prozess giesst und modelliert er einen Kunstzahn, der am Ende an Form und Farbe nicht mehr von seinem originalen Vorgänger zu unterscheiden ist.
Was so perfekt ist, hat allerdings seinen Preis: Ein Implantat mit Krone kostet je nach Situation zwischen 3500 und 4500 Franken (siehe Kasten). Muss der Zahnarzt gar mehrere Implantate einsetzen, sind die Grenzen des mittleren Familienbudgets schnell überschritten.
Wichtige Voraussetzung für ein Implantat ist - neben der notwendigen Dicke des Geldbeutels - ein ausreichendes Knochenvolumen an der Implantatstelle. Ist das nicht vorhanden oder ist der Knochen defekt, kann er durch ein körpereigenes Transplantat aufgebaut werden. Ein kostspieliges Vorgehen, das viel Geduld erfordert: Der Knochen benötigt zwei bis drei Monate, um abzuheilen.
Auch bei Verena Kühni musste der Zahnchirurg lokal etwas Knochensubstanz aufbauen, ehe er zwei Monate später das Implantat setzen konnte. Das Resultat ist funktional wie ästhetisch sehr gut: Ganz normal kann sie wieder voller Lust in einen Apfel beissen.
Der Apfeltest funktioniert auch bei Regula Dünki. Ihre Zahnlücke füllt aber nicht ein Implantat, sondern eine Brücke. Um diese zu befestigen, muss der Zahnarzt die Nebenzähne anschleifen. Auf diese Pfeiler zementiert er eine dreigliedrige Brücke. Diese wird ebenfalls in vielen aufwändigen Arbeitsgängen im zahntechnischen Labor gefertigt. Da der Unterbau meistens aus Platin oder Gold besteht, kostet eine Brücke ungefähr gleich viel wie ein Implantat. Müssen allerdings mehrere Zähne ersetzt werden, ist die Brücke die günstigere Variante.
Drahtklammerprothese: Billigere Variante
Der kostengünstigste Zahnersatz ist die abnehmbare Drahtklammerprothese. Sie wird mit Stahlklammern an den Nachbarzähnen fixiert. Eine abnehmbare Einzelzahnprothese kostet gemäss Suva «nur» 2200 Franken. Der Experte Daniel Buser aber schränkt ein: «Diese Prothesen haben eine schlechtere Langzeitprognose. Zudem sind sie natürlich nicht annähernd so komfortabel und ästhetisch wie fest fixierte Kunstzähne.»
Nur können sich diesen Komfort nicht alle leisten. Bei grösseren Eingriffen oder bei Unsicherheit lohnt es sich auf jeden Fall, eine Zweitmeinung einzuholen.
Weitere Tipps und Infos:
«Zahnarztkosten: Der Kampf um erträgliche Rechnungen», «Spezial», Januar 2004, erhältlich am Kiosk oder unter Tel. 01 266 17 17.
"Gute Pflege und regelmässige Kontrollen sind wichtig"
Daniel Buser, Chefarzt der Klinik für Oralchirurgie der Universität Bern, über Vor- und Nachteile von Implantaten und Brücken.
Puls: Wem empfehlen Sie ein Zahnimplantat?
Daniel Buser: All jenen, die einen oder mehrere Zähne ersetzen müssen. Voraussetzung ist natürlich, dass genügend Knochensubstanz vorhanden ist. Und dass es sich nicht um einen Risikopatienten handelt.
Wer gehört zu den Risikopatienten?
Zum Beispiel starke Raucher; aber auch Menschen mit Autoimmunerkrankungen.
Und wem empfehlen Sie eine Brücke?
Allen oben erwähnten Risikopatienten. Aber auch Patienten, deren Nachbarzähne schon mit ausgedehnten Rekonstruktionen wie Füllungen versorgt sind, die sowieso ersetzt werden müssen. Oder wenn grosse Knochendefekte vorhanden sind, die einen grossen chirurgischen Aufwand notwendig machen würden.
Wann raten Sie von einer Brücke ab?
Wenn die Nachbarzähne noch gesund sind. Es ist unsinnig, gesunde Zähne mutwillig zu beschädigen.
Wie lange hält denn so ein Implantat?
Bei guter Pflege halten die heutigen Zahnersatzteile weit über zehn Jahre. Wichtig ist, dass der Zahnersatz - egal für welchen sich Patienten entscheiden - gut gereinigt wird. Regelmässige Kontrollen sind zudem unerlässlich.
So viel kostet der Zahnersatz
Die Kosten für einen Zahnersatz müssen selber übernommen werden. Es sei denn, der Zahnverlust ist die Folge eines Unfalles - dann ist die Unfallversicherung zuständig.
Gemäss Suva kostet das Einsetzen eines Einzelzahnimplantates mit Krone je nach Produkt zwischen 3500 und 4500 Franken (nach Sozialversicherungstarif). Für einen Knochenaufbau kommen noch 500 bis 800 Franken hinzu.
Eine dreigliedrige Brücke (2 Pfeiler, ein Zahn) kostet zwischen 3900 und 4200 Franken.
Der Preis für eine abnehmbare Einzelzahnprothese, bestehend aus einem Stahlgerüst mit Kunststoffzahn, liegt bei zirka 2200 Franken.
Bei einem intakten (füllungsfreien oder gut sanierten), jungen Gebiss kann es sich allemal lohnen, eine Zusatzversicherung für Zähne abzuschliessen. Auf jeden Fall empfiehlt sich, bei der jeweiligen Krankenkasse Erkundigungen einzuholen.