Aldi Suisse ist einem Honig-Schummler auf den Leim gegangen: Der Detailhändler schloss mit einem jungen Deutschen einen mündlichen Vertrag über die Lieferung von 30 Tonnen Schweizer Honig pro Jahr. Nur: Der Lieferant plante, südosteuropäischen Honig statt «Schweizer Bienenhonig» zu liefern. Er füllte ihn für die erste Lieferung von 5,3 Tonnen eigenhändig in Dosen mit Schweizer Etikett ab.
Zur Lieferung an Aldi kam es nur deshalb nicht, weil der junge Deutsche kurz vor der ersten Lieferung verhaftet wurde. Das steht in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Der Beschuldigte hatte die Polizei mit weiteren Delikten wie Versicherungsbetrug, illegalem Waffenbesitz und unlauterem Handel mit Bienenschwärmen (siehe Kasten) auf sich aufmerksam gemacht.
Honig aus Südosteuropa in Rheinau in Schweizer Dosen abgefüllt
Bei der Hausdurchsuchung am Firmensitz in Rheinau ZH beschlagnahmte die Polizei rund 6 Tonnen Honig. Eine Laboranalyse und ein Gutachten ergaben: Der Honig stammt höchstwahrscheinlich aus Südosteuropa – wegen des hohen Sonnenblumenanteils. Auch eine am Firmensitz sichergestellte Etikette mit der Aufschrift «Bulgari» legt eine osteuropäische Herkunft nahe. Der Beschuldigte hatte den Honig nachweislich aus Deutschland in die Schweiz eingeführt. Das Bezirksgericht Bülach verurteilte den Deutschen Mitte Juni wegen versuchten Betrugs und einer Reihe weiterer Delikte zu achteinhalb Monaten Gefängnis unbedingt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Wäre der Beschuldigte nicht aufgeflogen, hätte er allein mit der ersten Honiglieferung an Aldi rund 60 000 Franken Gewinn gemacht.
Wie konnte es zur Täuschung kommen? Überprüft Aldi seine Lieferanten nicht? Diese Frage stellte sich auch das Gericht. Die Antwort des Richters: Aldi treffe keine «Opfermitverantwortung». Begründung: Der Angeklagte habe Aldi ein gefälschtes Gutachten über die Schweizer Herkunft des Honigs vorgelegt.
Aldi sagt, man hätte den Schwindel vor dem Verkauf bemerkt
Aldi-Suisse-Sprecher Philippe Vetterli betont, dass Aldi zu keiner Zeit Honig des erstinstanzlich verurteilten Lieferanten im Sortiment führte. Der Grossverteiler ist überzeugt, dass er den Deklarationsschwindel rechtzeitig vor dem Verkauf des Honigs im Laden bemerkt hätte: «Vor der ersten Lieferung müssen unsere Lieferanten ein Laborzeugnis vorlegen, in dem die Verkehrsfähigkeit bestätigt wird.» Zudem führe Aldi mehrmals pro Jahr chemische und mikrobiologische Untersuchungen aller Produkte durch. Laut Vetterli kann Aldi falsch deklarierten Honig mit einer sogenannten «isotopischen Untersuchung» erkennen.
Über die Internetadresse www.schweizer-honig.com bietet der Deutsche weiterhin «Schweizer Honig» an. Auch bei diesem Honig zweifelt der Richter an der Herkunft: «Dass der Beschuldigte Bienen in der Schweiz hat, ist wohl frei erfunden», sagte er in der Urteilsbegründung. Eine Untersuchung von Honigproben habe aber ergeben, dass eine Schweizer Herkunft nicht völlig ausgeschlossen sei. Deshalb gab es in diesem Punkt einen Freispruch.
Sperrung der im Ausland registrierten Website schwierig
Die Homepage des Deutschen funktioniert weiterhin. Websites werden nach einer Verurteilung nicht automatisch gesperrt. «Eine Website kann nur zwangsweise gelöscht werden, wenn dies in einem rechtskräftigen Strafurteil so vorgesehen ist», sagt Sandra Schweingruber vom Kompetenzzentrum Cybercrime des Kantons Zürich. Da die Domain im Ausland registriert sei, sei eine Sperrung schwierig.
Tipp: Wer Schweizer Honig direkt vom Imker kaufen möchte, erkundigt sich am besten beim Verband Deutschschweizerischer und Rätoromanischer Bienenfreunde www.swisshoney.ch.
Bienenschmuggel gefährdet Honigproduktion
Das Bezirksgericht Bülach verurteilte den beschuldigten Honighändler auch wegen unlauterem Handel mit Bienenschwärmen. Er hatte Imkern «Schweizer Bienenschwärme» zum Kauf angeboten, obwohl er gar keine Schweizer Bienenschwärme besass. Vielmehr plante er, deutsche Bienenschwärme in die Schweiz zu transportieren, um sie anschliessend als «Schweizer Bienenschwärme» zu verkaufen.
Das ist nicht nur eine Täuschung von Imkern und Konsumenten, sondern auch eine Gefahr für die Umwelt: Der illegale Import von Bienenvölkern ist in der Schweiz laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen wegen Seuchengefahr ein grosses Problem. «Es können Krankheitskeime und Parasiten wie beispielsweise der Beutenkäfer eingeschleppt werden», sagt Nathalie Rochat vom Bundesamt. Daher müssen die illegal importierten Bienenvölker in den meisten Fällen vernichtet werden.
Eingeschleppte Bienenkrankheiten gelten als eine der Hauptursachen für das Bienensterben.