Als der Jurist Pierre Widmer in einer Berner Apotheke das Hustenmittel Mucosolvon kaufen wollte, war es nicht vorrätig. Die Pharma-Assistentin bot ihm als Ersatz Bisolvon an. Beide Präparate seien gleich. Was sie nicht sagte: Bisolvon ist doppelt so teuer. 10 Kapseln kosten Fr. 15.70 statt Fr. 7.05. Hersteller beider Produkte ist die Firma Boehringer Ingelheim. Sie will sich nicht zum Preisunterschied äussern.

Vielen Patienten droht in der Apotheke die gleiche Kostenfalle. Die Hersteller verkaufen so viele gleiche Arzneimittel unter verschiedenen Namen wie nie zuvor: Laut dem schweizerischen Heilmittelins­titut Swissmedic sind 959 Basismedikamente mit sogenannten Co-Marketing-Präparaten im Handel. Ein Original kann bis zu acht Klone haben.

«Pharmahersteller betreiben unlauteren Wettbewerb»

Doubletten gibt es bei Rheumasalben genauso wie bei Antibabypillen (saldo 5/07). Die Präparate wirken gleich. Denn sie enthalten die gleichen Inhaltsstoffe und stammen aus der gleichen Produktion. Insofern unterscheiden sie sich von Generika: Darin können ­andere Hilfsstoffe stecken als in den Originalmedikamenten. Beide werden oft auch von verschiedenen Unternehmen produziert.

Laut Josef Hunkeler, Ex-Mitarbeiter des Preisüberwachers, bringt die Industrie alte Medikamente in neuen Schachteln auf den Markt – kurz bevor der ­Patentschutz abläuft. Die Namen sind zum Verwechseln ähnlich, etwa Bioflorina statt Bioflorin. Viele solcher Arzneien sind neu frei verkäuflich. Die Hersteller können ungeniert Fantasiepreise verlangen.

Pierre Widmer wirft den Pharmaherstellern vor, mit ­ihrer Geschäftspraxis «unlauteren Wettbewerb» zu betreiben: Sie würden Patienten das Gleiche unter neuem Namen und mit höherem Preis unterjubeln.

Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz sagt, die ­Politik schiebe «dieser Preis­er­höhungs- und Verschleierungspraxis der Industrie keinen Riegel vor». Der Pharmaverband Vips schweigt dazu.

Für Patienten ist es schwierig, den Durchblick zu behalten. Einige Tipps:

  • In jedem dritten Fall stehen das ursprüngliche und das neue Präparat auf der Liste der kassenpflichtigen Medikamente. Die Krankenkassen vergüten beide. Dabei ist der Klon fast immer günstiger als das Original.
  • Drei Dutzend kassenpflichtige Co-Marketing-Präparate seien teurer als das kassenpflichtige Basismedikament, so Josef Hun­keler. Etwa 30 davon seien Generika-Klone. Vor drei Jahren gab es laut Hunkeler 110 Co-­Präparate, die «pervers überteuert» waren. Nach seinen ­Berechnungen belasteten sie die Krankenkassen mit Mehrkosten von jährlich 74 Millionen Franken. Das Bundesamt für Gesundheit hat in den letzten drei Jahren viele Co-Präparate ausgemustert – aber nicht alle.

Neues System der Vergütung könnte für Transparenz sorgen

Laut Preisüberwacher Stefan Meierhans könnte das Parlament leicht für Transparenz sorgen – mit einem neuen Betragssystem für Medikamente mit abgelaufenen ­Patenten: Die Krankenkassen würden dann stets den gleichen Betrag für den gleichen Wirkstoff vergüten, egal ob er in einem Generikum, Original- oder Co-Marketing-Präparat steckt. Laut Meierhans könnten die Krankenkassen so jährlich 100 bis 200 Millionen Franken sparen. Und die Patienten würden nicht mehr länger hinters Licht geführt.

Medikamente: Preise selber nachschauen

Um Preisfallen zu ent­gehen, können Patienten in der Apotheke nach­fragen, ob es Klone ihres Arzneimittels gibt und was diese kosten.

Oder man schaut selber nach auf der Website www.swissmedic.ch in der Liste der Co-Marketing-Arznei­mittel.

Das schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic nennt jedoch keine Preise. Patienten müssen sich diese selbst mühsam zusammensuchen, etwa auf www.mymedi.ch.