Auf der Seite der beklagten Partei sitzt am Bezirksgericht Bremgarten AG ein pensionierter Ökonom. Er wirkt wie ein Bankdirektor aus vergangenen Zeiten. Schwarzer Anzug, Seidenkrawatte, prallgefüllte Aktentasche. Er redet schnell und mit französischem Akzent. Der Rentner hat mehr als drei Ordner mit Unterlagen auf seinem Tisch abgestellt.
Seit 2016 zahlt er keinen Rappen mehr an die Verwalter seiner Liegenschaft. Sie stammen aus den Reihen der anderen Stockwerkeigentümer und kümmern sich im Auftrag der Eigentümerschaft um die Betreuung und den Unterhalt der gemeinschaftlichen Teile. Irgendwann wurde es den Stockwerkeigentümern zu bunt, und sie klagten vor Gericht. Sie fordern 6939 Franken.
Der Anwalt der Eigentümer erklärt vor Gericht, wie sich der Betrag zusammensetzt: Der Beklagte schulde den anderen Stockwerkeigentümern für die Jahre 2016 und 2017 für seinen Anteil an den Verwaltungskosten und für vereinbarte Akontozahlungen 5044 Franken. Dazu kämen Kosten für einen neuen Stromzähler von 1385 Franken, für Grundbuchauszüge von 137 Franken sowie Inkassokosten von 373 Franken. «Gegen diese Aufstellung hat sich der Beklagte nie beschwert», sagt der Anwalt. Zudem sei er unentschuldigt an mehreren Stockwerkeigentümerversammlungen nicht erschienen.
Der Beklagte macht Tricksereien und Urkundenfälschung geltend
Der Ökonom wehrt sich sichtlich aufgeregt. Es sei richtig, dass er die Rechnungen nicht bezahlt habe. «Aber die Stockwerkeigentümergemeinschaft trickst seit mehreren Jahren bei der Jahresrechnung.» Sein Anwalt ergänzt: «Für meinen Mandanten sind die Abrechnungen nicht korrekt. Er wies mehrmals auf Fehler bei Nebenkostenabrechnungen hin, die dann im Nachhinein verbessert werden mussten.» Solange er keine detaillierten Informationen erhalte, werde er keine Forderung bezahlen. Der Beklagte weist darauf hin, er habe gegen diverse Miteigentümer, die für die Verwaltung zuständig sind, Strafanzeige eingereicht. Es sei zu Verurteilungen wegen Urkundenfälschung gekommen.
Die Gegenseite spricht von «querulatorischem Verhalten»
Der Einzelrichter macht dem Rentner klar, dass die Strafanzeige für dieses Verfahren nicht relevant sei. Und er will wissen, warum er nicht an die Versammlungen gegangen sei. «Weil ich das Vertrauen in die Stockwerkeigentümergemeinschaft verloren habe», antwortet der Rentner. Man möge ihn nicht, weil er viele kritische Fragen stelle. Das sei kein Grund, unentschuldigt nicht teilzunehmen, entgegnet der Anwalt der Eigentümer: «Das querulatorische Verhalten des Beklagten hat ein dramatisches Ausmass angenommen.» Er bittet das Gericht, diesem «rechtsmissbräuchlichen Treiben Einhalt zu gebieten».
Der Richter bemüht sich erfolglos, die Parteien zu einem Vergleich zu bewegen. Zwei Wochen später fällt er das Urteil. Er weist die Klage der Eigentümergemeinschaft ab. Es sei unklar geblieben, wie sich die Forderung zusammensetzt. Zwar habe der Anwalt einzelne Beschlüsse und Rechnungen der Stockwerkeigentümerversammlung vorgelegt. Die eingeklagte Forderung sei aber nicht gleich hoch wie jene aus den Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung. Die Gemeinschaft habe auch die fälligen Akontozahlungen und die Abrechnung für den neuen Stromzähler nicht konkret begründen können.
Die Abweisung der Klage kommt die Stockwerkeigentümer teuer zu stehen. Sie müssen gut 1200 Franken Gerichtskosten und über 3400 Franken Prozessentschädigung an den Beklagten zahlen.
Vor Gericht zählen nur beweisbare Fakten
Wer jemanden einklagt, muss erstens dem Gericht die Höhe der Forderung genau begründen. Und zweitens den Betrag bis auf den letzten Franken beweisen, falls die Gegenpartei die Schuld bestreitet. Das Gericht selbst ist nicht verpflichtet, den Sachverhalt zu untersuchen. Das bedeutet: Wird aus der Begründung einer Klage für das Gericht nicht klar, wie sich der eingeklagte Betrag zusammensetzt oder sind die eingereichten Beweise nicht geeignet, die Behauptungen zu belegen, wird sie abgewiesen. Je umfangreicher und aussagekräftiger die schriftlichen Unterlagen sind, die man vorlegen kann, desto grösser ist die Chance auf einen Erfolg.