K-Tipp-Leser wissen: Die Swisscom speichert künftig vermehrt persönliche Daten und handelt mit ihnen. Die Kunden erhalten dann persönlich auf sie zugeschnittene Werbung (siehe Ausgabe 6/2017). Dazu ermächtigt sich der Konzern im Kleingedruckten.
Wie kommt die Swisscom zu diesen persönlichen Daten? Ihre Kunden können nur fernsehen, wenn sie eine von der Swisscom zugesandte TV-Box benutzen. Mit ihr erhebt, sammelt und speichert der Telekomgigant das Nutzungsverhalten der Kunden: Die Swisscom speichert, welchen Sender und welche Sendung der Kunde angesehen hat. Zudem wird aufgezeichnet, wann und wie lange der Fernseher lief.
Die Swisscom ist mit diesem Vorgehen nicht alleine, aber besonders dreist. Kunden von UPC (ehemalige Cablecom) mit einem Abo «Horizon» können das Ausspionieren ihres Fernsehverhaltens immerhin direkt am Bildschirm unter «Einstellungen» mit «Ja» oder «Nein» zulassen oder ablehnen. Laut UPC-Sprecherin Sarah Nettel werden so gewonnene Kundendaten nur für hauseigene Werbung verwendet. Ausnahme: Daten, die sich aus der Ansicht von kostenpflichtigen Videos ergeben.
Auch Sunrise speichert das Verhalten der TV-Kunden. Laut Mediensprecher Roger Schaller werden diese Daten aber nur für Programmtipps benutzt und nach sechs Monaten wieder gelöscht. Die Kunden könnten diese Datensammlerei nicht verbieten, da Sunrise «keine permanente Datensammlung» anlege.
Kunden können Widerspruch einlegen
Francis Meier, Sprecher des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten, widerspricht: «Ob eine Datensammlung dauerhaft oder nur vorübergehend besteht, spielt in diesem Fall keine Rolle.» Den Datenbearbeitungen, die über den eigentlichen Zweck hinausgehen, müssen die Kunden zumindest widersprechen können, so Meier.
Auch wer ohne TV-Box mit einem einfachen Kabelanschluss fernsieht, wird ausspioniert. Der Grund: Die meisten modernen Fernsehgeräte empfangen nicht nur Signale, sondern senden auch Informationen zurück. Diese Funktion kann man ausschalten, wenn man im Fernsehgerät unter Einstellungen die Funktion HbbTV deaktiviert.
Datensammlerei auch bei Internet-TV
Wer am Computer fernsieht, kann das zum Beispiel über die Portale von Teleboy, Wilmaa und Zattoo tun: Diese Firmen haben jeweils ein Gratis-TV-Angebot sowie ein kostenpflichtiges Abo. Bei der Gratisvariante wird bei jedem Senderwechsel Werbung eingeblendet. Beim Abo kommt neben der sendungsunterbrechenden Werbung keine zusätzliche Werbung hinzu.
Auch diese Internet-TV-Unternehmen speichern persönliche Daten ihrer Kunden. Teleboy zum Beispiel fragt bei der Registrierung nach dem Geschlecht, der E-Mail-Adresse und dem Geburtstag. Zudem speichert die Firma, welche Sendungen sich die Zuschauer wann und wie lange ansehen.
Können die Kunden das Sammeln ihrer Daten verhindern? Teleboy-Sprecher Michael Wendt will sich nicht festlegen. Er schreibt, man werde «Anfragen von Kunden jeweils prüfen».
Auch rückwirkende Löschung ist möglich
Datenschützer Francis Meier hält aber eindeutig fest: «Es gilt der Grundsatz, dass Betroffene die Löschung ihrer Personendaten auch rückwirkend verlangen können.»
Zattoo erhebt ebenfalls, welche Sendungen angesehen werden. Für personalisierte Werbung speichert die Firma zudem Geschlecht, Alter, Sprache und das benutzte Gerät.
Auch die TV-Firma Wilmaa speichert den Zeitpunkt der Nutzung sowie das benutzte Gerät. Wilmaa-Sprecher Roger Reimann verspricht, dass Wilmaa keine Daten über das Verhalten der Kunden für Werbezwecke verwende. Und die Kunden könnten das Sammeln der Daten per E-Mail oder Brief verbieten.
Swisscom verwirrt Kunden
Der K-Tipp stellte seinen Lesern einen Musterbrief zur Verfügung, mit dem sie den neuen Swisscom-Vertrag ablehnen konnten. Die Swisscom hat mit unterschiedlichen Antworten darauf reagiert.
Die neuen Verträge mit neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und einer Datenschutzerklärung hatte die Swisscom ihren Festnetzkunden etappenweise geschickt. Wer sie ablehnte, erhielt darauf von der Swisscom einen Brief oder ein Telefon:
Einigen Kunden erklärte ein Callcenter-mitarbeiter am Telefon, die persönlichen Daten könnten wunschgemäss geschützt werden. Allerdings behauptete die Swisscom, die Vertragsänderungen müssten akzeptiert werden. Ein paar Tage später flatterte dann ein Swisscom-Brief ins Haus, in dem es heisst: «Es freut uns, dass Sie nun mit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses und den neuen Vertragsbedingungen einverstanden sind» – obwohl die Kunden nichts solches sagten. Swisscom-Sprecherin Sabrina Hubacher sagt dazu, es handle sich bei solchen Fällen um ein Versehen.
Anderen Kunden drohte die Swisscom mit einer Kündigung, falls sie den neuen Vertrag nicht akzeptieren. Dem K-Tipp ist bisher aber kein Fall bekannt, in welchem die Swisscom den Vertrag tatsächlich gekündigt hätte. Die Swisscom wollte sich dazu nicht äussern.
Wieder andere Kunden versucht die Swisscom zum neuen Vertrag zu überreden und schreibt: «Ohne Kündigung Ihrerseits bis zum 30. April 2017 gehen wir davon aus, dass Sie diese Erläuterungen nachvollziehen können und mit den neuen Vertragsbedingungen einverstanden sind.» Tipp: Wer einen solchen Brief erhält, sollte zur Sicherheit nochmals schriftlich klarstellen, dass er am bisherigen Vertrag festhält und nicht kündigen wird.
Link zum Musterbrief: www.ktipp.ch/a1107483