Fenster weit und nur kurz öffnen
Je dichter die Fenster, umso nötiger das Lüften. Wer falsch lüftet, verschwendet Energie, riskiert schlechte Luft und schimmlige Wände.
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Haus & Garten 1/2006
04.01.2006
Esther Diener Morscher
Die Mieter des alten Mehrfamilienhauses freuten sich riesig, als die neuen Fenster eingebaut wurden. Endlich würde es im Winter nicht mehr durch die ganze Wohnung ziehen. Doch die Freude war kurz: Als es dann kalt wurde, gab es zwar keine Zugluft mehr, doch plötzlich herrschte subtropisch feuchtes Klima in den Zimmern. Kondenswasser rann von den Scheiben - und schon bald sprossen die ersten Schimmelpilze.
Den Baubiologen und Architekten Béla Berke überrascht das nicht: «Bei d...
Die Mieter des alten Mehrfamilienhauses freuten sich riesig, als die neuen Fenster eingebaut wurden. Endlich würde es im Winter nicht mehr durch die ganze Wohnung ziehen. Doch die Freude war kurz: Als es dann kalt wurde, gab es zwar keine Zugluft mehr, doch plötzlich herrschte subtropisch feuchtes Klima in den Zimmern. Kondenswasser rann von den Scheiben - und schon bald sprossen die ersten Schimmelpilze.
Den Baubiologen und Architekten Béla Berke überrascht das nicht: «Bei dichten Fenstern kann die Feuchtigkeit nicht entweichen. Sie schlägt sich an den kühlsten Stellen der Wohnung nieder - meistens an Aussenwänden, in Ecken, hinter Möbeln oder in einem ungeheizten Zimmer», sagt er. Abhilfe schaffe da nur regelmässiges Lüften.
Winterluft ist sehr trocken, selbst wenn es regnet oder nieselt. Denn kalte Luft kann nur wenig Wasserdampf aufnehmen. Je mehr gelüftet wird, desto trockener wird also die Raumluft.
Doch Vorsicht: Das Dauerlüften mit Kippfenstern ist nicht nur eine grosse Energieverschwendung, der ständige kühle Luftzug macht auch kalte Füsse - und er nützt nichts gegen Schimmel. Denn rund um das geöffnete Kippfenster kühlen die Wände ab, und weil sich so Feuchtigkeit niederschlagen kann, bieten sie ideale Plätze für Schimmelpilzkulturen.
Mit Durchzug gehts am schnellsten
Deshalb sollten beim Lüften die Fenster möglichst weit, aber möglichst kurz offen stehen. So kann die feuchte Luft entweichen; die Oberflächen der Wände und Möbel kühlen jedoch nicht ab. Am schnellsten geht es mit Durchzug. Schon nach zwei bis fünf Minuten ist die Luft in der Wohnung komplett ausgetauscht.
Bloss: Nicht in allen Wohnungen wird so intensiv und regelmässig gelüftet. Nach Schätzungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ist fast ein Viertel der Schweizer Wohnungen zu feucht. Eine vierköpfige Familie produziert durch Atmen, Schwitzen, Kochen und Duschen über 10 Liter Wasserdampf pro Tag. Wer Topfpflanzen oder ein Aquarium in der Wohnung hat, sorgt für zusätzliche Feuchtigkeit.
Früher entwich dieser Dampf durch undichte Fenster, Rollladenkästen und Mauerritzen. Wird die Gebäudehülle bei einer Sanierung abgedichtet, kann die Luftfeuchtigkeit leicht auf 80 Prozent steigen. Das ist viel zu viel. BAG-Fachmann Roger Waeber empfiehlt während der Heizperiode maximal 50 Prozent Luftfeuchtigkeit. Einfache Feuchtigkeitsmessgeräte (Hygrometer) gibt es ab rund 30 Franken zu kaufen.
Ohne regelmässiges Lüften drohen nicht nur schimmelnde Wände, in den Zimmern sinkt auch die Luftqualität. Mögliche Folgen sind gereizte Schleimhäute, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Unwohlsein.
Wer in einem Radongebiet wohnt, muss aufpassen
In Gebieten mit erhöhter Radonkonzentration im Boden ist Lüften speziell wichtig: Das Gas reichert sich sonst im Haus an und kann Lungenkrebs verursachen. Ob Sie in einem Radongebiet wohnen, können Sie feststellen unter http://www. bag.admin.ch/strahlen/ionisant/ radon/generalites/d/carte.php.
Falsch ist die Vorstellung, dass ein Luftbefeuchter die Luft reinigt oder das Lüften erübrigt. Im Gegenteil. Ein Luftbefeuchter-Test der Zeitschrift «Öko-Test» zeigte: Trotz wöchentlicher Reinigung liessen fast alle Geräte die Zahl der Schimmelpilze und Bakterien in der Raumluft ansteigen. Ausserdem befeuchten manche Geräte die Luft oft übermässig.
Für Roger Waeber vom BAG ist deshalb klar: «Die gesundheitlichen Risiken von Luftbefeuchtern sind grösser als ihr Nutzen.» Nötig seien solche Geräte nur in speziellen Fällen.
Wer sich das Lüften sparen will, muss eine kontrollierte Lüftung einbauen, eine so genannte Komfortlüftung. Mit einer solchen Anlage wird pro Stunde etwa die Hälfte der Raumluft ausgetauscht, ohne dass es zieht und kalt wird. Komfortlüftungen übertragen die Wärme der verschmutzten Zimmerluft mit einem Wärmeaustauscher auf die Frischluft.
Komfortlüftungen senken Verbrauch von Heizenergie
Baubiologe Berke ist überzeugt, dass sich bei der heutigen dichten Bauweise solche Lüftungen durchsetzen werden. Der Komfort hat aber seinen Preis: Das Nachrüsten einer Altbauwohnung kostet 10 000 bis 15 000 Franken. Dem steht ein deutlich geringerer Verbrauch an Heizenergie gegenüber.
So lüften Sie richtig
Im Winter
- Mindestens dreimal täglich intensiv lüften.
- Die Fenster weit öffnen, am besten Durchzug machen.
- Fünf bis zehn Minuten offen lassen oder warten, bis sich die kalte Seite der Fensterscheibe nicht mehr beschlägt.
- Nach dem Lüften: Türen zu kühleren, ungeheizten Räumen (Schlafzimmer) geschlossen halten. Sonst schlägt sich die wärmere Luft aus den übrigen Räumen an den kalten Wänden nieder.
- Beim Baden, Duschen und Kochen Türe geschlossen halten und gut lüften, damit sich die feuchtwarme Luft nicht in der ganzen Wohnung verteilen kann.
- Möbel mindestens 10 Zentimeter entfernt von kalten Aussenwänden platzieren.
Im Sommer
- An heissen Tagen morgens und abends lüften. Tagsüber Fenster geschlossen halten - so wird es in der Wohnung nicht übermässig warm.
- Kellerräume nur an kalten Tagen lüften. An heissen Tagen kondensiert sonst die feuchtwarme Luft an den kalten Kellerwänden und lässt diese schimmeln.