Fader Hirschpfeffer
Gastro-Kritik von Andrin C. Willi
Inhalt
saldo 14/2006
13.09.2006
Die Wildsaison ist eröffnet. Die Jäger pirschen durch die Wälder, schiessen wie wild - und essen das beste Bret gleich selbst. Den Rest verkaufen sie an Metzger, die lokale Restaurants und Privatkunden beliefern. Das wars. Viel gibt die einheimische Jagd nicht her, denn sie ist eine extrem limitierte Angelegenheit. So schafft es ein Bündner Steinbock nur selten bis nach Zürich.
Vorbei sind auch die Zeiten, als Köche noch Jäger waren und der selbst erlegte Bock im Keller an ...
Die Wildsaison ist eröffnet. Die Jäger pirschen durch die Wälder, schiessen wie wild - und essen das beste Bret gleich selbst. Den Rest verkaufen sie an Metzger, die lokale Restaurants und Privatkunden beliefern. Das wars. Viel gibt die einheimische Jagd nicht her, denn sie ist eine extrem limitierte Angelegenheit. So schafft es ein Bündner Steinbock nur selten bis nach Zürich.
Vorbei sind auch die Zeiten, als Köche noch Jäger waren und der selbst erlegte Bock im Keller an der Decke hing. Bei den strengen Hygieneregeln wäre das gar nicht mehr möglich. Die Jagd ist eine klinische Sache geworden.
Und für die Küchenchefs ein Risiko: Um sicher «Wild» im Angebot führen zu können, versorgen sich die meisten mit gefrorenen Hirscheinzelteilen aus Neuseeland. Die sind hygienisch unbedenklich, und es gibt erst noch genug davon.
Hirsche aus Neuseeland leben in Gefangenschaft, ihr Fleisch ist deshalb streng genommen gar kein Wildbret. Und weil das Tier nicht wild lebte, schmeckt es auch nicht so. Dummerweise haben sich die Konsumenten daran gewöhnt. Folge: «Richtiges» Wild schmeckt den meisten gar nicht mehr.
Ein Renner ist Wild trotzdem: In der Schweiz isst man 700 Gramm Wildbret pro Person und Jahr. Darum sieht man jetzt auch wieder vor jedem Restaurant den alten Spruch «Herbstzeit ist Wildzeit». Wenn ich ihn lese, vergeht mir ehrlich gesagt die Lust auf Wild. Wer halbfertige Convenience-Produkte einkauft, kocht auch entsprechend.
Als Feinschmecker lohnt es sich da, Verzicht zu üben. Der immergleiche Damhirschpfeffer, der nur nach Gewürzen schmeckt, und dazu die immergleichen Spätzli, Rotkraut und Preiselbeeräpfel - das ist kein Genuss.
Lieber einmal pro Saison Wild, dafür richtig. Wer das will, muss möglicherweise eine kleine Reise unternehmen. Mein Tipp: Konzentrieren Sie sich auf Gämse, Reh, Steinbock, Wildschwein und Murmeltier. Murmeltier? Jawohl! Im Posthotel in Bivio gibt es - am besten vorbestellen - Murmeltier aus der Surseser Bergwelt. Eine Delikatesse - und aufwändig in der Zubereitung. Drei Stunden pro Tier braucht der geübte Koch dafür. Im Posthotel am Julierpass kostet die Spezialität knapp 40 Franken. Und wenn Sie Glück haben, sitzen vorne am Stammtisch ein paar Jäger und erzählen sich Jägerlatein.