Eine Zuckerbombe am frühen Morgen
Viele Kinder essen am Morgen Flocken mit Milch. Doch die meisten Produkte enthalten Unmengen von Zucker. Deshalb taugen sie nicht als Frühstück, sagen Fachleute.
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Gesundheitstipp 9/2006
13.09.2006
Sonja Marti
Beim Einkaufsbummel bekam Regula Rohner (Name ge?ndert) ein Muster von Chokella in die Hand gedr?ckt. Das sind die neuen Kinder-Fr?hst?cksflocken von Nestl?. Zu Hause sah sich die Mutter von drei Kindern die Packung genauer an und war entsetzt: Die Flocken bestehen zu 35 Prozent aus Zucker. «Es darf doch nicht sein, dass Nestl? ein solches Fr?hst?cksprodukt f?r Kinder auf den Markt bringt», schreibt sie dem Gesundheitstipp.
In den Ladenregalen stehen neben Chokella noch viele an...
Beim Einkaufsbummel bekam Regula Rohner (Name ge?ndert) ein Muster von Chokella in die Hand gedr?ckt. Das sind die neuen Kinder-Fr?hst?cksflocken von Nestl?. Zu Hause sah sich die Mutter von drei Kindern die Packung genauer an und war entsetzt: Die Flocken bestehen zu 35 Prozent aus Zucker. «Es darf doch nicht sein, dass Nestl? ein solches Fr?hst?cksprodukt f?r Kinder auf den Markt bringt», schreibt sie dem Gesundheitstipp.
In den Ladenregalen stehen neben Chokella noch viele andere Fr?ckst?cksflocken f?r Kinder: Von Sugar Puffs ?ber Frosties bis zu Teddy Pops. Die Hersteller locken die Kleinen mit lustigen Comicfiguren und Spielsachen - und die Eltern mit Vitaminen und Vollkorn.
Fast so viel Zucker wie in Schokolade
Doch die Produkte sind alles andere als gesund. Sie bestehen bis zur H?lfte aus Zucker - wie zum Beispiel die Teddy Pops von Coop:
100 g Flocken enthalten volle 48 g Zucker. Das ergab eine Stichprobe des Gesundheitstipp. Er hatte im Labor den Zuckergehalt von zehn Kindercerealien messen lassen. Auch die Smacks von Kellogg’s sind wahre Zuckerbomben mit ?ber 40 Gramm pro 100 Gramm. Das ist praktisch gleich viel wie in einer Tafel Schokolade. Kaum besser sind Nesquik Knusperfr?hst?ck, Paddy, Choco Chips, Sugar Puffs und Ice Flakes. Sie bestehen zu rund einem Drittel aus Zucker.
F?r Bruno Kn?pfli, Chefarzt an der Alpinen Kinderklinik Davos, ist klar: «Solche Produkte taugen nicht als Kinderfr?hst?ck.» Die gezuckerten Flocken seien als S?ssigkeit zu werten. Als solche h?tten sie f?r die Ern?hrung keinen Wert und sollten nur «in ganz kleinen Mengen verzehrt werden».
Doch selbst die zuckerreduzierten Frosties von Kellogg’s - angepriesen mit «einem Drittel weniger Zucker» - enthalten noch ?ppige 26,4 g Zucker. Das ist kaum weniger als in den meisten konventionellen Flocken. In den USA l?uft deshalb eine Klage gegen Kellogg’s. Dem Konzern wird vorgeworfen, dass er die Cerealien als ges?nder anpreise, als diese in Wirklichkeit sind.
Innert k?rzester Zeit knurrt der Magen wieder
Einzig Rice Krispies von Kellogg’s haben mit 9,3 g deutlich weniger Zucker. Bruno Kn?pfli ist selbst das noch zu viel: «Fr?hst?ckscerealien f?r Kinder sollten ?berhaupt keinen zugesetzten Zucker enthalten.»
Der Grund: Dieser geht zu schnell ins Blut. So muss der K?rper eine Menge Insulin aussch?tten, um den Blutzuckerspiegel zu senken. Innert k?rzester Zeit knurrt den Kleinen deshalb schon wieder der Magen. Und dann k?nnen sie sich in der Schule kaum noch konzentrieren.
Doch f?r Eltern ist es schwierig zu pr?fen, wie stark gezuckert die Fr?hst?cksflocken sind. Denn der Zuckeranteil ist auf der Packung oft ungen?gend oder falsch deklariert. So ergab die Laboranalyse, dass Chokella sogar noch mehr als die angegebenen 35 g Zucker enth?lt, n?mlich 41,4 g.
Die Teddy Pops von Coop enthalten gar 15 Gramm mehr Zucker als deklariert. Der Grund: Bei diesem Produkt ist nur der Anteil an Kristallzucker angegeben. Cerealien enthalten aber oft auch Zucker in Form von Fructose, Glucosesirup, Invertzucker oder Honig.
Dessen ungeachtet behauptet Coop, «als eines der wenigen Unternehmen die Menge an zugesetztem Zucker zu deklarieren». Die ?brigen Zuckerarten seien oft «nat?rlicherweise in anderen Zutaten wie Honig enthalten», redet sich Coop heraus.
Aldi verzichtet bei den Knusperone Choco Chips sogar ganz auf eine Mengenangabe. Die Firma wolle das in Zukunft ?ndern, verspricht Aldi-Pressesprecher Sven Bradke auf Nachfrage des Gesundheitstipp. Der Zuckergehalt ihres Produkts sei aber «absolut markt?blich und gesetzeskonform».
Migros hingegen r?umt ein, dass der Zuckerantei- der Kindercerealien «relativ hoch» sei. Sie h?tte sich bem?ht, ges?ndere Produkte auf den Markt zu bringen - ohne Erfolg. Die Abweichungen des Zuckergehalts seien gering und «auf ?bliche Produktionsschwankungen zur?ckzuf?hren». Darauf beruft sich auch Flocken-Hersteller Kellogg’s.
Kohlenhydrate, Milch und Fr?chte sind am besten
Zudem w?rde sich Kellogg’s f?r einen gesunden Lebensstil und eine ausgewogene Ern?hrung einsetzen. Studien w?rden belegen, dass Kinder, die am Morgen Cerealien essen, weniger Gewichtsprobleme h?tten als solche, die nicht oder fettreich fr?hst?ckten. Was Kellogg’s allerdings verschweigt: In solchen Studien ist nicht von stark gezuckerten Fr?hst?cksflocken wie zum Beispiel Smacks die Rede.
Coop zieht sich ganz aus der Verantwortung: Die Firma ?berlasse es den Eltern zu beurteilen, «ob solche Produkte f?r Kinder sinnvoll sind oder nicht». Und Chokella-Hersteller Nestl? erkl?rt, dass die Abweichungen bei ihren Produkten im Toleranzbereich liege. Zu den ?brigen Kritikpunkten nimmt die Firma keine Stellung.
Zu einem gesunden Fr?hst?ck f?r Kinder geh?ren lang s?ttigende Kohlenhydrate wie dunkles Brot oder ungezuckertes M?esli. Dazu ein Glas Milch oder Milchprodukte wie K?se oder Joghurt und eine Frucht. Auf keinen Fall sollten Kinder auf das Fr?hst?ck verzichten.
Josef Laimbacher, Leitender Arzt am Ostschweizer Kinderspital in St. Gallen: «Das Fr?hst?ck ist die wichtigste Mahlzeit. Dabei sollten die Eltern ein Vorbild sein.» Das Fr?hst?ck versorge die Kinder am Morgen mit der n?tigen Energie, mache sie leistungsf?hig und trage zur Konzentration bei.
Wer morgens gar nicht auf Gezuckertes verzichten will, sollte dazu zum Beispiel Vollkornbrot essen - auf jeden Fall ein ballaststoffreiches Lebensmittel. Dadurch steigt der Blutzuckerspiegel weniger rasant an.