«Ein Medikament will ich nicht mehr nehmen»
Ein halbes Jahr lang schluckte Alice Rüegsegger Pille um Pille - 360 an der Zahl. Doch heute ist sie nur 2,5 Kilo leichter. Jetzt hört sie auf.
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Gesundheitstipp 7+8/2007
04.07.2007
Andreas Gossweiler
Meine Gesundheit macht mir Sorgen», sagte Alice Rüegsegger vor dem letzten Jahreswechsel. «Manchmal schmerzen meine Gelenke, und der Blutdruck ist an der oberen Grenze.» Deshalb entschloss sich die 57-jährige Fricktalerin, bei der Aktion «Fett weg» des Gesundheitstipp mitzumachen. Sie wollte 11 Kilo abnehmen - mit dem Medikament Xenical.
Bei einer Grösse von 164 Zentimeter und einem Gewicht von 107 Kilo betrug Alice Rüegseggers Body-Mass-Index (BMI) 40. Somit erfüllte sie eine wi...
Meine Gesundheit macht mir Sorgen», sagte Alice Rüegsegger vor dem letzten Jahreswechsel. «Manchmal schmerzen meine Gelenke, und der Blutdruck ist an der oberen Grenze.» Deshalb entschloss sich die 57-jährige Fricktalerin, bei der Aktion «Fett weg» des Gesundheitstipp mitzumachen. Sie wollte 11 Kilo abnehmen - mit dem Medikament Xenical.
Bei einer Grösse von 164 Zentimeter und einem Gewicht von 107 Kilo betrug Alice Rüegseggers Body-Mass-Index (BMI) 40. Somit erfüllte sie eine wichtige Voraussetzung für die Behandlung mit Xenical: Die Krankenkassen zahlen das Medikament nämlich erst ab BMI 35.
Bei Misserfolgen zahlt die Krankenkasse nicht mehr
Doch Ende Juni - nachdem Alice Rüegsegger monatlich 60 Pillen geschluckt hatte - war sie von ihrem Ziel noch weit entfernt: Nur 2,5 Kilo waren weg. Kurt Laederach, Spezialist für Übergewicht am Berner Inselspital, empfiehlt deshalb: «Die Patientin sollte Xenical absetzen und nach Absprache mit ihrem Arzt eine andere Abspeckmethode probieren.» Damit endet Alice Rüegseggers Teilnahme an der Aktion «Fett weg» vorzeitig.
Auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) geht davon aus, dass die weitere Einnahme des Medikaments nichts bringt, wenn es ein halbes Jahr lang kaum etwas genützt hat.
Es schreibt deshalb vor, dass die Behandlung mit Xenical nach sechs Monaten abgebrochen werden muss, wenn der Gewichtsverlust weniger als 10 Prozent beträgt. Ein BAG-Sprecher erklärt: «Wir wollen die Krankenkassen vor unnötigen Ausgaben bewahren.» Immerhin kostet Xenical pro Jahr rund 1440 Franken.
Alice Rüegsegger sagt: «Ich bin schon ein wenig frustriert, dass ich mit dem Medikament nicht mehr abgenommen habe.»
Xenical kann unangenehm sein: Wenn man stark fetthaltige Lebensmittel isst und gleichzeitig das Medikament einnimmt, folgt die «Strafe» sofort - ein öliger Durchfall. Der Grund: Xenical bewirkt, dass der Darm weniger Fett verdaut. Das Medikament zwingt einen also, den Fettkonsum zu reduzieren, wenn man öligen Stuhl vermeiden will.
Alice Rüegsegger spürte dies jedoch nur in milder Form: «Der Stuhldrang ist stärker geworden», berichtete sie im Januar. Das war aber kein grosses Problem. «Weil ich meinen gelähmten Ehemann pflege, bin ich oft zu Hause und kann jederzeit zur Toilette», sagt sie.
«Man kann auch von Kohlehydraten dick werden»
Ein Medikament zum Abnehmen - das klingt verlockend. Doch Kurt Laederach warnt vor unrealistischen Hoffnungen: «Ein Medikament wie Xenical garantiert keine dauerhafte Gewichtsreduktion. Abnehmen kann man nur dann, wenn man gleichzeitig das Essverhalten ändert und sich mehr bewegt.» Alice Rüegsegger räumt ein, dass sie dies zu wenig berücksichtigt hat: «Ich habe meine Ernährung nicht radikal umgestellt, seit ich Xenical einnehme. Ich glaubte, das sei nicht nötig, weil ich schon früher nie viel Fett gegessen habe.»
Doch Laederach sagt: «Es genügt nicht, den Fettkonsum einzuschränken. Man kann auch von Kohlehydraten dick werden. Vielleicht enthält Frau Rüegseggers Nahrung zu viele Kohlehydrate.»
Der Berner Arzt weiss: «Es ist schwierig, die eingeschliffenen Essgewohnheiten auf eigene Faust zu ändern.» Für Übergewichtige, die glauben, sich eigentlich gesund zu ernähren, und die es dennoch einfach nicht schaffen, abzunehmen, hat Laederach einen Tipp parat: «Gehen Sie zu einer Ernährungsberaterin. Sie wird mit Ihnen das tägliche Essverhalten unter die Lupe nehmen und Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen.»
An Disziplin fehlte es Alice Rüegsegger nicht
Xenical-Herstellerin Roche schiebt das Problem auf die Testperson ab: «Zeigt das Medikament kaum Wirkung, ist dies normalerweise auf eine mangelhafte Einnahmedisziplin zurückzuführen», sagt eine Roche-Sprecherin. «Im Durchschnitt nehmen Patienten mit Xenical in einem halben Jahr 10 Kilo ab.»
Doch an der nötigen Disziplin mangelte es Alice Rüegsegger nicht: Sie nahm Xenical - abgesehen von kurzen Pausen - jeden Tag zweimal ein. Jetzt will sie sich überlegen, welche andere Abspeckmethode für sie in Frage kommt. Bisher ist für sie nur etwas klar: «Ein Medikament will ich nicht mehr einnehmen.»
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Im Juni konnten die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer leicht abnehmen. Einige treiben mehr Sport - das hat ihnen geholfen.
Die ausführlichen Berichte lesen Sie im Forum der Aktion «Fett weg» unter www.gesundheitstipp.ch.
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