Ein Haus voller Musik
Es ist nicht mehr kompliziert, kostet kein Vermögen mehr und ist mittlerweile technisch ausgereift: Die Verwandlung der Wohnung in eine «vernetzte Musikbox».
Inhalt
Haus & Garten 2/2007
09.05.2007
KURT HAUPT
Aus dem Kinderzimmer wummert Punk, in der Küche informiert «Echo der Zeit», im Schlafzimmer säuselt Klaviermusik und in der Stube dröhnt Verdi. All diese Musik stammt dank vernetzter Unterhaltung von einem Ort - von der PC-Festplatte im Heimbüro.
Vor fünf Jahren waren für Musik noch das Radio und silberne CD-Scheiben zuständig. Inzwischen hat sich die Unterhaltungswelt gründlich verändert. Musik ist mobil geworden: Musikhandys, winzige Musikplayer und das universelle Mu...
Aus dem Kinderzimmer wummert Punk, in der Küche informiert «Echo der Zeit», im Schlafzimmer säuselt Klaviermusik und in der Stube dröhnt Verdi. All diese Musik stammt dank vernetzter Unterhaltung von einem Ort - von der PC-Festplatte im Heimbüro.
Vor fünf Jahren waren für Musik noch das Radio und silberne CD-Scheiben zuständig. Inzwischen hat sich die Unterhaltungswelt gründlich verändert. Musik ist mobil geworden: Musikhandys, winzige Musikplayer und das universelle Musikformat MP3 machens möglich.
Anderseits wird die Unterhaltung auch vernetzt. Das heisst, sie ist an einem Ort gespeichert und wird von dort überallhin verteilt. Der PC als zentrales Musikarchiv ist - als Nebenerscheinung der tragbaren MP3-Player - in vielen Haushalten bereits vorhanden. Denn wer heute eine CD kauft, kopiert sie meist als Erstes auf PC oder Mac. Nur so lässt sie sich nämlich dann auf den tragbaren Player kopieren.
Viele haben also ihre Musiksammlung sauber geordnet auf dem PC, suchen aber in der Stube immer noch verzweifelt in der CD-Sammlung nach der richtigen Scheibe.
Das muss nicht sein. Vernetzte Musikkonzepte nutzen ein zentrales Musikarchiv und verteilen den Sound via Funk, Ethernetkabel oder sogar über die Stromleitung im ganzen Haus. Dazu braucht es zwei Dinge:
- Ein Gerät, auf dem die Musik gespeichert ist. Dieses wird als Server bezeichnet.
- Das Gegenstück ist ein Kästchen, das auf diese Musik zugreifen und Daten wieder in Töne umwandeln kann, ein sogenannter Client.
Der Server steht bereits in den meisten Wohnungen. Ein Windows-PC mit Microsofts Media Player 11 ist nämlich nebenbei ein kompletter Musikserver. Auch ein Mac von Apple lässt sich mit Zusatzsoftware einfach zum Server ausbauen. Die Clients, also die Abspielgeräte, kann man für wenige hundert Franken kaufen (Gerätevergleich siehe Tabelle unten). Sie werden nicht nur laufend billiger, sondern auch komfortabler und einfacher zu installieren.
9000 Radiostationen aus aller Welt knisterfrei daheim
Klassisches Beispiel ist das Noxon iRadio von Terratec. Das Gerät sieht aus wie ein günstiges Küchenradio. Im Holzgehäuse befinden sich Lautsprecher, Textanzeige und eine Handvoll Drucktasten. Mit der kleinen Antenne werden Musikdaten aus dem drahtlosen Heimnetzwerk gefischt. Wer Elektrosmog befürchtet, kann das iRadio auch über ein Ethernetkabel anschliessen.
Das iRadio musiziert sofort nach dem Auspacken auch ohne PC. Ein Breitbandanschluss ins Internet genügt, damit der kleine Musikant aus über 9000 Internet-Radiostationen auswählen kann. Das Internet dient also als riesiger Musikserver. Auf dem Textdisplay des iRadios wählt man einfach via Länder oder Musikrichtung seinen Lieblingssound aus. Fünf Fixtasten können danach mit den Lieblingsstationen belegt werden.
Wird auf Windows-PCs zusätzlich der Media Player gestartet, erscheint wie von Geisterhand dessen MP3-Sammlung im Display des iRadios. Die Navigation durch Interpreten und Alben ist aber auf dem kleinen Radio-Display des Radios unübersichtlich.
Neu kann man auch zeitversetzt Radio hören. Radio DRS bietet zum Beispiel die Nachrichtensendung «Echo der Zeit» als Podcast an. Hat man die Sendung abends verpasst, klickt man am nächsten Morgen am iRadio auf den Podcast-Eintrag und hört die Infos als Konserve (siehe auch K-Tipp 2/2006).
Neue Stereoanlagen mit vernetzten Konzepten
Erstaunlich an diesem vernetzten Unterhalter ist der Preis: Bei Discountern ist der Alleskönner schon für unter 300 Franken zu haben. Die Luxusversion mit iPod-Dockingstation gibt es ab 450 Franken. Wem die integrierten Lautsprecher nicht ausreichen, kann das iRadio auch an die Stereoanlage anschliessen.
Wer mehr Geld investieren kann und eine neue Stereoanlage kaufen will, setzt gleich auf vernetzte Konzepte. So ist beispielsweise das WACS-System von Philips eine modulare Lösung, die sich aus einer zentralen Stereoanlage (Server) und «Satelliten» (Clients) in verschiedenen Räumen zusammensetzt. Die Zentrale verfügt neben den üblichen Unterhaltungsfunktionen (Radio, CD-Player) über eine eigene Festplatte. Auf diese können bis zu 1500 Audio-CDs kopiert werden. Die Satelliten haben eigene Lautsprecher sowie einen unabhängigen UKW-Empfänger.
Bis zu fünf Satelliten lassen sich drahtlos oder mittels Kabel ans Center anschliessen. Sie spielen dann in mehreren Räumen unterschiedliche Musik ab, die sie von der Festplatte der Zentrale abholen. Alternativ versorgen alle Satelliten das ganze Haus mit derselben Musik. Auf Wunsch «folgt» einem sogar die persönliche Musik in jeden Raum. Das Philips-System unterstützt bei Vernetzung den UPnP-Standard. Das heisst: Man kann ergänzend zur Festplatte an der Zentrale auch die MP3-Sammlung vom PC ins System einbinden.
Alte Stereoanlagen lassen sich nachträglich vernetzen
Auch die gute alte Stereoanlage lässt sich nachträglich vernetzen. Dazu wird sie einfach mit einem Netzwerk-Client ergänzt. Dieses kleine Kästchen hat einen Netzwerkanschluss, ein Display für die Musiktitelanzeige und einen Audioausgang für den Verstärker. Der Netzwerk-Client holt sich die Musik beispielsweise vom PC, wandelt sie in übliche Audiosignale um und speist sie dann über den Aux-Anschluss in die Stereoanlage ein. Gesteuert wird das Ganze meist über eine Infrarot-Fernbedienung.
Günstig und einfach sind in diesem Segment Lösungen von Slimdevices oder Pinnacle. Beide unterstützen den UPnP-Standard. Leider ohne UPnP, aber sehr komfortabel ist das System «Wireless DJ» von Logitech. An PC und Stereoanlage kommt bei dieser Schweizer Lösung ein kleiner Adapter, bedient wird das Ganze über eine Funk-Fernbedienung mit eigenem Display. Man steuert also bequem vom Sofa aus, welche Songs vom PC in der Stube erklingen sollen. Die Schwäche von Wireless DJ ist die beschränkte Reichweite und die zwingende Verwendung von Bluetooth-Technik (drahtlose Vernetzung von Geräten über kurze Distanz).
Kopiergesperrte Dateien funktionieren meist nicht
Zunehmend können auch tragbare MP3-Player in die vernetzte Unterhaltung integriert werden. So lässt sich etwa beim neusten Noxon 2 Radio für iPod der Taschenspieler direkt am Netzwerkplayer anstecken und die Musik so abspielen. Auch das Philips-System hat einen USB-Anschluss für MP3-Player.
In der Praxis empfiehlt sich ein langsamer Einstieg in die vernetzte Unterhaltung. Wenn man Geräte mit UPnP-Unterstützung kauft, lassen sich sogar Lösungen verschiedener Hersteller mischen. Dabei lernt man aber auch die Tücken vernetzter Unterhaltung kennen. Beispielsweise lassen sich kopiergesperrte Inhalte meist nicht nutzen.
Videoübertragung steckt noch in den Kinderschuhen
So kann Musik, die bei iTunes online gekauft wurde, nur mit Logitechs Wireless DJ oder Apples AirPort-Modulen abgespielt werden. «Gift» für vernetzte Unterhaltung sind ferner mit Kopiersperre verstümmelte Audio-CDs. Und dank Vernetzung macht man leider auch die Erfahrung, dass ein Web-Radio plötzlich «abstürzt» und erst durch Ein-Aus-Schalten wieder zum Leben erweckt werden kann.
Auf dem Sprung zur Alltagstauglichkeit ist die Übertragung von Video via Netzwerk. Vor allem, wenn es um Filme in hoher Qualität geht, ist die vorhandene Technik noch meist überfordert. Dagegen ist die Musikverteilung im ganzen Haus mittels UPnP oder herstellergebundener Systeme bereits eine ausgereifte Technik. Und wer den ersten Abend in der Stube mit seinem persönlichen Lieblingsmusikprogramm verbracht hat, fragt sich, wie er bisher darauf verzichten konnte.
Die Alternative: das Stromkabel
Wer seine Unterhaltung zu Hause vernetzen will, braucht ein Netzwerk. Billig und zuverlässig sind Ethernet-Kabel. Um sie zu verlegen, ist aber meist der Griff zu Kabelkanälen und Bohrmaschine nötig. Eine günstige, kabellose, aber strahlende Alternative sind Wireless-LAN (drahtlose Netzwerke). Deren Reichweite und Leistung leidet aber, sobald der Nachbar ebenfalls funkt.
Ein praktischer Mittelweg ist die Vernetzung via Stromkabel (Power Line Communication - kurz PLC, vergleiche K-Tipp 5/2007). Dabei führt man das Ethernet nur bis zur Stromsteckdose. Durch einen Adapter werden dann die Daten auf das Stromkabel übertragen. In einem anderen Raum werden sie dann mittels eines zweiten Adapters wieder aus dem Stromkabel entnommen.
Moderne PLC-Systeme versprechen 200 Megabit Leistung. Von diesem stolzen Versprechen bleiben in der Praxis zwar nur 10 Prozent übrig, für eine perfekte Musikübertragung reicht das aber alleweil. PLC-Adapter älterer Standards (14 oder 85 Megabit) sollte man heute nicht mehr kaufen, denn sie lassen sich nicht ohne weiteres gemeinsam mit den schnellen Adaptern der neuen Generation betreiben.
UPnP - jeder kann mit jedem
Dank dem Standard «Universal Plug and Play» (UPnP - einstecken und benützen) arbeiten Geräte verschiedener Hersteller in einem Netzwerk problemlos zusammen. Die Wiedergabegeräte (Clients) finden automatisch Datenspeicher (Server) und holen sich von dort Musik oder Videos. In einer Wohnung können mehrere PCs gleichzeitig als Server und als Clients dienen. Sie lagern also Musik und spielen Sound von anderen Rechnern ab. Alle Abspielgeräte greifen dabei unabhängig auf Server zu.
Inzwischen funktionieren sogar einzelne ADSL-Router nebenbei als UPnP-Server. An den Router wird einfach eine externe USB-Festplatte angeschlossen. Die darauf gespeicherten MP3-Dateien sind dann sogar bei ausgeschaltetem PC im Unterhaltungsnetz verfügbar.
UPnP hat jedoch auch seine Tücken: So kommt es vor, dass ein Client das Datenformat eines Servers nicht abspielen kann. Ein kompetenter Fachhändler sollte aber wissen, welche UPnP-Geräte problemlos kooperieren.