Die Sonne aus der Tube hat auch Schattenseiten
Inhalt
saldo 15/2001
26.09.2001
Wer ohne Hautkrebsrisiko und vorzeitige Falten gebräunt durch den Winter gehen will, greift zu Selbstbräunern. saldo sagt, ob die Produkte wirklich so gesund sind, wie die Hersteller versprechen.
Der Sommer findet höchstens noch auf den Ferienfotos statt, die Tage werden kürzer - und die Haut bleicher. Einigen macht der Anblick der zurückgekehrten Blässe im Spiegel arg zu schaffen. Das Schönheitsideal gebräunter Haut hält sich trotz Krebswarnung und vorzeitiger Hautalteru...
Wer ohne Hautkrebsrisiko und vorzeitige Falten gebräunt durch den Winter gehen will, greift zu Selbstbräunern. saldo sagt, ob die Produkte wirklich so gesund sind, wie die Hersteller versprechen.
Der Sommer findet höchstens noch auf den Ferienfotos statt, die Tage werden kürzer - und die Haut bleicher. Einigen macht der Anblick der zurückgekehrten Blässe im Spiegel arg zu schaffen. Das Schönheitsideal gebräunter Haut hält sich trotz Krebswarnung und vorzeitiger Hautalterung hartnäckig in den Köpfen. Sich im Solarium zu bräunen, liegt aber bei weitem nicht jeder oder jedem.
Bessere Produkte als noch vor wenigen Jahren
Eine Alternative bietet die Sonne aus der Tube. Sie hat sich in den letzten Jahren zu einer namhaften Konkurrenz der Solarien gemausert. Fast jede Kosmetiklinie bietet Selbstbräunungsprodukte für Gesicht und Körper an.
Mit neuen Wirkstoffen und veränderten Zusammensetzungen erreichen die Hersteller heute bessere Resultate als noch vor wenigen Jahren, als Selbstbräuner nur orangefarbene Flecken auf der Haut und Ernüchterung bei den Anwendern hinterliessen.
Dank ihrer verbesserten Wirkungsweise werden die Selbstbräunungsprodukte in- zwischen sowohl von der Kosmetikbranche wie auch von Dermatologen als gesunde Alternative zur natürlichen Bräune durch Sonneneinstrahlung propagiert.
saldo wollte wissen, ob die Sonne aus der Tube wirklich so gesund ist, und schickte zehn Produkte zum Test ins Labor. Die Selbstbräuner für den Körper wurden auf Anilin, Formaldehyd, polyzyklische Moschusverbindungen (PCM) und Phthalate untersucht. Resultat: Keines der Produkte enthielt Anilin, das im Verdacht steht, Krebs zu verursachen. Doch bei den anderen problematischen Stoffen wurde das Labor fündig.
Vier Produkte enthielten PCM, die als Parfümstoffe eingesetzt werden. «Diese Verbindungen können bei empfindlichen Personen Allergien und Hautekzeme auslösen», erklärt Professor Reinhard Dummer, leitender Arzt der dermatologischen Klinik am Unispital Zürich.
Nivea Sun enthielt weitaus am meisten Formaldehyd
Und nicht nur das. Moschusverbindungen können laut Dummer auch bleibende Farbveränderungen der Haut verursachen, die kaum zu behandeln sind. «Heute sind PCM deshalb weitgehend aus Kosmetika entfernt worden», sagt Dummer. Nicht so unter anderem bei den zwei teuersten Produkten im Test, Capital Soleil von Vichy und Lait Auto-Bronzant von Clarins, die am meisten PCM enthielten.
Die Migros hingegen hat vor kurzem reagiert und die Zusammensetzung ihres Selbstbräuners Sun Look Selftan überarbeitet. Das neue Produkt enthält jetzt keine Moschusverbindungen mehr. «PCM werden nur sehr langsam biologisch abgebaut und reichern sich in der Nahrungskette an», sagt Volker Kalhöfer, Leiter der Produkteentwicklung beim Grossverteiler. Deshalb ersetze die Migros PCM-haltige Produkte laufend durch neue Rezepturen.
Dreimal fand das Testlabor Formaldehyd in den untersuchten Cremes und Sprays. «Dieser Konservierungsstoff kann ebenfalls Allergien, asthmatische Beschwerden, Augentränen und Hautentzündungen verursachen», betont Reinhard Dummer.
Spitzenreiter in Sachen Formaldehyd ist der Selbstbräunungsspray von Nivea. Der Hersteller Beiersdorf zeigt sich jedoch erstaunt über das Ergebnis: «Unser Produkt enthält einen Stoff, der sehr kleine Mengen Formaldehyd über einen langen Zeitraum abspaltet. Bei der Anwendung des Produktes wird der vom Labor ermittelte Wert nie erreicht», betont Daniel Münster, Produktmanager bei Beiersdorf.
Frank Kuebart vom deutschen Eco-Umweltinstitut in Köln bestätigt, dass das Labor den Gehalt des Formaldehyds ermittelt hat und nicht prüfen konnte, was auf der Haut freigesetzt wird. Mit dieser Methode hat das Testlabor festgestellt, dass sieben Produkte überhaupt kein problematisches Formaldehyd enthalten.
In vier Produkten wurde Diethylphthalat entdeckt. Dieser Stoff dient dazu, den in den Produkten enthaltenen Alkohol ungeniessbar zu machen. Im Körper kann Diethylphthalat das menschliche Hormonsystem durcheinander bringen. Auch hier schnitten die beiden teuersten Produkte am schlechtesten ab. Doch Roger Piguet, Pressesprecher von L'Oréal Suisse SA, Herstellerin der Vichy-Produkte, nimmt das Testresultat gelassen auf: «Alle unsere Produkte sind mit den schweizerischen und europäischen Bestimmungen konform.»
Bundesamt für Gesundheit schafft Grenzwert ab
In der Verordnung über kosmetische Mittel gibt es tatsächlich nur einen Grenzwert für Formaldehyd, der von keinem der getesteten Produkte überschritten wird. Kein Grenzwert existiert für PCM und Diethylphthalat. «Der Grenzwert für Phthalate wurde bei der Anpassung an die europäischen Bestimmungen abgeschafft», bestätigt Judith Amberg, Expertin beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Bern. Amberg betont aber, dass das BAG allfällige neue Erkenntnisse über die Wirkung von Diethylphthalaten beim Menschen im Auge behalten wird.
Selbstbräuner nie auf verletzte Haut auftragen
Der Test macht deutlich, dass teure Produkte keinesfalls besser sind als günstige. Im Gegenteil. Sun Look Selftan von Migros und Jet Bronzer von Piz Buin, die beiden günstigsten Produkte im Test, enthielten keine der gesuchten Substanzen. Das Gleiche gilt auch für die Produkte Biotherm Bronze Beauté, Body Shop Fake it! und Clinique Self Sun.
«Wenn die Produkte in der Zusammensetzung stimmen, sind Selbstbräuner sicher besser als Sonne und Solarium», sagt Dermatologe Dummer. Auf keinen Fall dürfen die Präparate aber auf verletzte Hautstellen aufgetragen werden. «Das gilt für Akne genauso wie für Neurodermitis», betont Dummer. Die Schutzfunktion der Haut sei im Rahmen von Hautentzündungen beeinträchtigt und alles, was dann auf die Haut aufgetragen wird, dringe tiefer ein. Laut Dummer erhöht sich damit das Allergierisiko. «Dazu kommt, dass die Farbstoffe in tiefere Hautschichten gelangen können und es zu einer bleibenden Verfärbung der Haut kommt.»
Bräune aus der Tube schützt nicht vor UV-Strahlen
Der Dermatologe betont auch, dass die künstliche Bräune keinen Sonnenschutz bietet. «Selbst die Produkte mit Sonnenfilter haben zu niedrige Schutzfaktoren.» Dummer fordert mindestens einen Schutzfaktor 20. Erst dann sei die Haut ausreichend vor den tief eindringenden UV-Strahlen der Sonne geschützt.
«Prinzipiell finde ich, dass man sowieso vom Schönheitsideal Braun wegkommen sollte», betont Dummer. «Gute Selbstbräuner sind sicher besser für die Haut als ausgedehnte Sonnenbäder. Am besten wäre es aber, die Einstellung zur natürlichen Hautfarbe von vornherein zu ändern.»
Monika Balmer
Anwendung - Sorgfältiges Auftragen empfohlen
Die Anwendungsempfehlungen auf den Produkten sind meist sehr kurz gehalten. Doch so einfach wie versprochen zaubert die Sonne aus der Tube die künstliche Bräune nicht auf die Haut. Wer die Cremes und Sprays nicht sorgfältig anwendet, hat statt des erhofften Goldschimmers nach wenigen Stunden braune Flecken und Streifen auf der Haut.
Zum Auftragen des Produktes sollte man sich deshalb genug Zeit nehmen. Anfänger sind mit einem getönten Produkt gut beraten, bei dem unbehandelte Stellen schon vor der Bräunung sichtbar sind.
«Vor der Anwendung macht man am besten erst ein Peeling, damit der Selbstbräuner gleichmässig von der Haut aufgenommen werden kann», empfiehlt Edith Roth, Präsidentin des Schweizer Fachverbandes für Kosmetik in Aarau. So werden abgestorbene Hautschuppen entfernt und damit dunkle Flecken beispielsweise an Knien und Ellenbogen vermieden. Vorsicht nach dem Eincremen, die Selbstbräuner färben, solange sie nicht eingezogen sind, auch Kleider ein.
Die Haut kann bei häufiger Anwendung von Selbstbräunern leicht austrocknen. Deshalb rät Edith Roth, bei trockener Haut den Selbstbräuner vor dem Auftragen mit einer Feuchtigkeitscreme zu mischen.
Krönender Abschluss jeder Selbstbräunungsprozedur ist das gründliche Waschen der Hände und Nägel. Wer das vergisst, kann sich während zwei bis vier Tagen an der orangefarbenen Innenseite seiner Hände erfreuen.
Wirkung - So bräunen Selbstbräuner die Haut
Der Hauptwirkstoff Dihydoxyaceton (DHA) hat sich über Jahre hinweg in den Mixturen der Selbstbräunungsprodukte gehalten. Wegen seiner orangefarbenen Wirkung auf der Haut wird DHA heute jedoch mit neuen Zutaten kombiniert oder durch Pflanzenextrakte ersetzt.
Die Wirkungsweise ist die gleiche geblieben: DHA verbindet sich mit dem Keratin (Hornstoff) der obersten Hautschicht und färbt die Haut je nach Konzentration unterschiedlich dunkel ein. An Stellen, wo die Hornhaut dicker ist, wirkt das DHA tiefer und färbt die Haut entsprechend dunkler ein.
Innerhalb von zwei bis sechs Stunden ist die chemische Reaktion abgeschlossen. Begleiterscheinung des Bräunungsvorgangs ist ein unangenehmer Geruch, den die meisten Hersteller mit Parfümbeimischungen überdecken.
Die Färbung lässt sich nicht abwaschen. Sie hält zwei bis vier Tage an und geht mit der normalen Hautschuppung wieder verloren.