Schlapp und müde in den Frühling? Kein Problem, sagen Anbieter von Entgiftungs- und Entschlackungskuren. «Eine Detox-Saftkur ist für Ihren Körper wie die Chance auf einen Neubeginn», schreibt das Unternehmen Fit’n’tasty aus Pully VD auf seiner Website. Kosten für die 7-tägige Kur mit Säften aus Obst und Gemüse: 479 Franken.
Die Seegartenklinik in Kilchberg ZH will den Darm mit einer Spülung von alten Schlacken und Kotresten befreien. Ihr Versprechen: «Die Wirkung macht sich sofort am gesteigerten Wohlbefinden bemerkbar.» Kosten dieser Hydro-Colon-Therapie: 180 Franken. Man muss sie mehrmals wiederholen. Und Hersteller Purasana sagt über sein Pulver «Total Detox» mit Chlorella-Algenpulver, Weizen- und Gerstengras: Es «stärkt die Lebenskraft und hilft, Schwermetalle aus dem Körper zu eliminieren».
Entgiftungstherapien: Belege fehlen
Experten bewerten solche Versprechen kritisch. Johann Steurer vom unabhängigen Horten-Zentrum für praxisorientierte Forschung am Unispital Zürich sagt: «Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz für die Entgiftungstherapien.» Zu diesem Schluss kommt auch Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser.
Beispiel Chlorella-Algenpulver: Das Detox-Mittel soll mit Hilfe von Zellwandbestandteilen im Darm Giftstoffe – vor allem Schwermetalle – aufnehmen und wegtransportieren. Doch dafür gibt es nur schwache Belege. Studien beruhen entweder auf Laboruntersuchungen oder auf Tests an Tieren. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit kam 2010 sogar zum Schluss, es gebe keinen Beleg, dass Chlorella Schwermetalle ausleiten könne. Kommt dazu: Tests zeigten, dass Chlorella selber mit Schwermetallen belastet sein kann.
Präparate mit Schwefel: Nutzen umstritten
Viele Detox-Präparate enthalten Schwefel. Er spielt zwar eine wichtige Rolle im Immunsystem des Körpers und bei Stoffwechselprozessen. Der Körper nimmt aber mit dem Eiweiss in der Nahrung ausreichend Schwefel auf. Es ist umstritten, ob eine zusätzliche Einnahme einen Nutzen hat. Zum Beispiel das schwefelhaltige Glutathion: Es soll aggressive Moleküle, sogenannte freie Radikale, neutralisieren. Allerdings stellt der Körper selber Glutathion her. Es ist unklar, ob solche Präparate wirken.
Viele Pflanzenpräparate zum Entgiften enthalten Extrakte aus Bärlauch oder Knoblauch. Beide enthalten viele Moleküle mit schwefligen Verbindungen. Ihre Wirkung: ebenfalls umstritten. Drogerien und Internetanbieter verkaufen auch organischen Schwefel, das Methylsulfonylmethan oder MSM. Ob diese Verbindung einen Nutzen bringt, ist nicht untersucht.
Anbieter von Detox-Säften setzen auf die Wirkung des Chlorophylls. Es soll Schwermetalle binden können, Pestizide und andere Umweltgifte ausleiten und aggressive Moleküle neutralisieren. Im Prinzip sind es grüne Smoothies, wie man sie beim Grossverteiler kaufen kann: püriertes Blattgemüse.
Der Winterthurer Naturheilkundler und Pflanzenexperte Martin Koradi sagt: «Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, dass solche Produkte entgiften.»
Hydro-Colon-Therapie birgt erhebliche Risiken
Auch die Hydro-Colon-Therapie, wie sie die Seegartenklinik anbietet, ist umstritten. Dabei spült ein Wasserstrahl, angereichert mit Sauerstoff und Pflanzenextrakten, den Darm aus. Diese Prozedur sollen Patienten im Wochenrhythmus bis zu zehn Mal wiederholen.
Der Darmspezialist Michael Fried vom Unispital Zürich hält diese Form der Darmreinigung für potenziell gefährlich. Es gebe Berichte, dass die Sonde die Darmwand beschädigt habe. «Die Gefahr erheblicher Komplikationen ist gross.»
Für Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser braucht es im Frühling gar kein Entgiften oder Entschlacken. Im Körper gebe es keine «Müllhalden», die man entsorgen müsse. Der Körper komme selber klar mit Umweltgiften: «Jede einzelne Zelle unseres Körpers hat dafür Mechanismen entwickelt.»
Man kann im Alltag den Körper dabei unterstützen – dazu braucht es keine teuren Präparate. Beispiel Ernährung: Salat und Gemüse auf dem Teller bringen viel Chlorophyll in den Körper, regelmässige Bewegung oder Sport halten den Stoffwechsel in Schwung. Auch genügend Schlaf ist wichtig: Dänische Wissenschafter berichteten vor drei Jahren, dass das Gehirn beim Schlafen giftige Stoffwechselprodukte abbaue.
Everfood verkauft das Detox-Pulver «Body Cleanse», das Chlorella, Bärlauch und Koriander enthält. Die Firma schreibt dem Gesundheitstipp, Messungen hätten gezeigt, dass ihre Chlorella-Algen «alle Grenzwerte deutlich unterschritten». Die Algen kämen aus Bio-Betrieben. Purasana, Hersteller des Pulvers «Total Detox», schreibt, man verwende Bio-Chlorella aus Zuchtstationen, nicht aus dem Meer.
Die Seegartenklinik schreibt, die Hydro-Colon-Therapie zeige gute Erfolge bei chronischer Verstopfung, Reizdarm oder Durchfall. Eine Beschädigung der Darmwand sei nur möglich, wenn man die Prozedur falsch ausführe.
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