Dickes Geschäft mit dem Ultraschall
Bei gesunden Schwangeren reichen zwei bis drei Ultraschalle aus, sagen Experten. Doch viele Ärzte verordnen weitaus mehr dieser Untersuche - denn das ist schnell verdientes Geld.
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Gesundheitstipp 2/2007
21.02.2007
Gabriela Braun
Sonja Schumacher ging während ihrer Schwangerschaft jeden Monat zum Frauenarzt. Und jedes Mal machte dieser einen Ultraschall. «Es gehörte einfach dazu», erinnert sich Schumacher. «Der Arzt sagte, ein solcher Untersuch sei beruhigend - für mich und auch für ihn.»
Dies ist kein Einzelfall: Obwohl die Schwangere und ihr Baby gesund sind, machen viele Ärzte bis zu acht Ultraschall-Untersuche. Nur: Mehr als drei «bringen weder dem Kind noch der Mutter etwas», sagt Norbert F...
Sonja Schumacher ging während ihrer Schwangerschaft jeden Monat zum Frauenarzt. Und jedes Mal machte dieser einen Ultraschall. «Es gehörte einfach dazu», erinnert sich Schumacher. «Der Arzt sagte, ein solcher Untersuch sei beruhigend - für mich und auch für ihn.»
Dies ist kein Einzelfall: Obwohl die Schwangere und ihr Baby gesund sind, machen viele Ärzte bis zu acht Ultraschall-Untersuche. Nur: Mehr als drei «bringen weder dem Kind noch der Mutter etwas», sagt Norbert Fetkenheuer, Facharzt beim Spital Sanitas in Kilchberg ZH. Denn ob ein Arzt beim Baby eine Fehlbildung entdeckt, hängt zu einem grossen Teil von der Erfahrung ab. Der Arzt muss das Ultraschall-Bild richtig «lesen» können.
Lilian Saemann, Frauenärztin der Gruppenpraxis Paradies in Binningen BL, ergänzt: «Bei unauffälligen Befunden und normalem Schwangerschaftsverlauf kann die Frau danach davon ausgehen, dass keine weiteren Ultraschalle nötig sind.»
Die Krankenkasse bezahlt im Normalfall zwei Untersuche. Der erste Ultraschall wird meist zwischen der 11. und 14., der zweite zwischen der 20. und 23. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Der Arzt oder die Ärztin prüft, ob das Baby lebt und normal entwickelt ist.
Mehr als zwei Ultraschalle sind nur zur Sicherheit
Geht es darum, zusätzliche Ultraschall-Untersuche zu rechtfertigen, schieben Ärzte den schwarzen Peter gerne den Schwangeren zu: Arzt Matthias Meyer-Wittkopf behauptet, es entspräche «dem grossen Sicherheitsbedürfnis von schwangeren Frauen». Der leitende Arzt für Ultraschall an der Universitäts-Frauenklinik in Bern ist überzeugt: Viele Frauen würden sich schlecht betreut fühlen, wenn sie während der Schwangerschaft bloss zwei Ultraschall-Untersuchungen hätten. Saemann vermutet zudem, dass Ärzte sich so auch gegen Haftpflicht-Forderungen absichern wollen.
Hinter vorgehaltener Hand sprechen kritische Fachleute jedoch von Abzockerei. Denn mit UltraschallUntersuchen kann man leicht viel Geld verdienen: Für einen Untersuch - er dauert 10 bis 15 Minuten - verrechnet der Arzt 126 Franken. Für dasselbe Honorar müsste ein Arzt mit der Patientin ein Gespräch von 45 Minuten führen.
Oft rechnen Ärzte auch die zusätzlichen Ultraschalle über die Kasse ab. Sie müssen dafür nur einen medizinischen Grund angeben. Frauenärztin Saemann: «Will ein Arzt einen Grund finden, so findet er ihn auch.» So könne er zum Beispiel der Kasse mitteilen, das Kind scheine zu klein oder zu gross - darum sei ein weiterer Ultraschall nötig.
Die Zahlen des Dachverbandes der Krankenversicherungen Santésuisse sprechen für sich: Im Jahr 2004 betrugen die Kosten für Ultraschall-Untersuche 30 Millionen Franken. Ein Jahr später, so Sprecher Peter Marbet, waren es bereits 3 Millionen mehr.
Zudem gibt es eine grosse Dunkelziffer. Weil manche Gynäkologen überzählige Ultraschall-Untersuche unter anderen Posten abrechnen, tauchen sie in der Statistik gar nicht auf. Marbet ist überzeugt: «Bei den Ultraschall-Abrechnungen wird im grossen Stil geschummelt.»
Ultraschall zum Vergnügen - in 3D oder 4D
Wie viele Ultraschalle für das Kind gesund sind, ist umstritten. Denn Ultraschall kann auf das Gewebe einwirken, indem es warm wird oder ein Über- oder Unterdruck entsteht. Zwar setzen Ärzte die Methode seit fast dreissig Jahren ein, ohne dass man bei den Babys Schäden festgestellt hat. Für Matthias Meyer-Wittkopf ist dennoch klar, «dass ein Ultraschall nur dann anzuwenden ist, wenn wirklich nötig».
Trotzdem: Viele Gynäkologen und Firmen ködern schwangere Frauen mit Angeboten, die weit über den medizinischen Nutzen gehen - zum reinen Vergnügen. 3D-Ultraschalle sollen das Ungeborene wirklichkeitsgetreu zeigen. Das neueste sind 4D-Geräte: Mit der vierten Dimension, der Zeit, können Eltern während der Untersuchung die Bewegungen des Babys beobachten.
Im Internet preisen Anbieter die «spektakulären Baby-Aufnahmen». Auch der Zürcher Gynäkologe Pierre Villars ist überzeugt: «Zu sehen und zu wissen, dass es dem Kind gut geht, trägt viel zu einer entspannten und stressfreien Schwangerschaft bei.» Dies würden entsprechende wissenschaftliche Studien belegen, so der Arzt.
Der Preis für Fotos, CD und eine Aufnahme der gesamten Untersuchung auf DVD beträgt 350 Franken. Villars will einen solchen Untersuch klar vom medizinisch notwendigen Ultraschall trennen. Auf seiner Internetseite hebt er hervor, dass er sich beim Ultraschall für Erinnerungsfotos auf schöne Bilder konzentriere - nicht auf allfällige Missbildungen.
Das lukrative Geschäft mit den realitätsnahen Ultraschall-Bildern haben auch Firmen gewittert. In einem Lausanner Industrie- und Einkaufsquartier bietet die Firma Echobaby für 240 Franken «einen unvergesslichen und intimen Moment mit dem Baby» an. Freunde, Familie und Kinder können beim Untersuch dabei sein. Auch hier: Souvenirs in Form von Fotos, CD und DVD. Geschäftsführerin ist eine ehemalige Krankenschwester.
«Ultraschall nur zum Spass halte ich für bedenklich»
Norbert Fetkenheuer hält nichts von Ultraschall ohne medizinischen Grund. Auch Meyer-Wittkopf verurteilt diesen Trend: «Ultraschalle nur zum Spass zu machen, halte ich für bedenklich.» Er ist Mitglied einer Expertengruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Die Gruppe veröffentlichte Anfang Jahr neue Empfehlungen zum 3D-Ultraschall in der Schwangerschaft. Die Gruppe schreibt, dass Ärzte den Patientinnen von solchen Ultraschall-Terminen abraten sollen. Jede überflüssige Anwendung sollte man beim Ungeborenen vermeiden.
Ultraschall: Nötig, um Probleme beim Baby frühzeitig zu erkennen
- Ultraschall ist eine medizinische Untersuchung.
- Die Krankenkasse bezahlt zwei Ultraschall-Untersuche. Weitere übernimmt die Krankenkasse, wenn sie medizinisch nötig sind.
- Setzen Sie zusammen mit dem Arzt den Ultraschall nur ein, um Entwicklungsstörungen und Probleme frühzeitig zu erkennen.
- Es gibt keine Studie, die belegt, dass Ultraschall Babys schadet.
- Der Ultraschall-Befund kann Sie vor schwierige Entscheidungen stellen, wenn der Arzt bei Ihrem Kind eine schwere Behinderung erkennt. Bereiten Sie sich vor der Untersuchung darauf vor.
- 3D-Geräte sind nicht besser als ältere Modelle. 3D-Technik kann sinnvoll sein, wenn der Arzt eine Missbildung vermutet. Dann sollte er die Patientin an Ultraschall-Spezialisten verweisen (z. B. Unispital).
Machen Ärzte zu viele Ultraschall-Untersuchungen? Schreiben Sie uns Ihre Meinung:
Redaktion Gesundheitstipp, «Ultraschall», Postfach 277, 8024 Zürich oder redaktion@gesundheitstipp.ch
Sonja Schumacher (37), Julian ist 6-jährig
«Mein Arzt empfahl mir von Anfang an, bei jeder Kontrolle eine Ultraschall-Untersuchung zu machen. Er sagte, diese Tests seien sehr sicher und würden uns Eltern und ihn beruhigen. Er klärte mich auf, dass zwei Untersuche von der Kasse bezahlt werden. Für die restlichen vier musste ich nichts bezahlen. Ich fand keinen der Ultraschalle überflüssig, denn sie gaben mir Sicherheit.
3D-Ultraschall fände ich super. Ich hörte bereits davon, doch diese Geräte gab es damals noch nicht.»
Sabine Meier (38), Sven ist 7-, Kai 4-jährig
«Ich hatte drei Ultraschall-Untersuchungen. Zu diesen Arztbesuchen begleitete mich jeweils mein Mann.
Wir freuten uns, am Bildschirm zu sehen, wie sich unser Baby im Bauch entwickelte. Es beruhigte uns, dass es gesund war. Mein Arzt empfahl mir drei Ultraschalle. Ich war gesund, deshalb vertraute ich ihm. Doch ich hätte auch weitere Ultraschalle akzeptiert.
3D war damals noch kein Thema. Ich hätte mich aber über noch klarere Bilder gefreut.»
Astrid Mösle (32) mit Robin Walter, 7 Wochen
«Alle sechs Wochen besuchte ich meinen Frauenarzt.
Zu den insgesamt sechs Kontrollen gehörten die Ultraschall-Untersuche selbstverständlich dazu. Mein Arzt erklärte mir, dass er dadurch die beste Kontrolle habe. Ich war jedes Mal froh, zu hören, dass alles in Ordnung ist und das Herz richtig schlägt. Vor allem, weil ich die Bewegungen des Babys fast nicht spürte. Von 3D habe ich gehört.
Ich finde das nicht unbedingt nötig. Mir war wichtig zu wissen, dass mein Kind gesund ist. Mein Arzt nahm sich auch immer Zeit, meine Fragen zu beantworten.»
Tanja Petro-Ferrari (30), Jana ist 4-, Milo 1-jährig
«Mein Arzt sagte mir, dass er sich mit Ultraschall-Untersuchen sehr zurückhalte. Mir leuchteten seine Erklärungen ein. Weshalb soll man ein Baby stören, wenn alles in bester Ordnung ist? Ich wollte nicht wissen, wie es aussieht. Ein 3D-Ultraschall wäre für mich deshalb nie in Frage gekommen. Bei Jana hatte ich drei Ultraschalle. Bei Milo gab es während der Schwangerschaft Komplikationen - deshalb wurden es sechs. Ich hatte Blutungen, zudem überschritt er den Geburtstermin. Der Arzt wollte sichergehen, dass alles in bester Ordnung war. Auch mich beruhigte es sehr.»
(fs)