Ein beliebtes Rezept für Tintenfisch (Calamari) im Teig lautet: Den Tintenfischkörper in rund einen Zentimeter dicke Ringe schneiden, mit Knoblauch und Salz mischen und ziehen lassen. Danach wendet man Tintenfischringe in Mehl und Ei. Dann bäckt man sie in heissem Öl aus und serviert sie mit Zitrone.
Appetitlich abgebildet – goldgelb frittiert und mit einem Zitronenschnitz im Hintergrund – sind auch die Tintenfischringe auf der Verpackung der «Surfy Calamars à la Romaine» von Manor. Doch in diesem Tiefkühlprodukt finden sich keine geschnittenen Tintenfische: Die Ringe sind aus Tintenfischbrei zusammengesetzt. Damit lässt sich mehr Fleisch eines Tiers verwerten, weil auch weniger wertvolle Teile der Tintenfische hinzugefügt werden. Entsprechend mehr verdienen die Hersteller.
Auf den ersten Blick ist in den Läden nicht erkennbar, ob die Calamari in den Packungen aus Fischbrei fabriziert wurden. Nur wer die Zutatenliste auf der Verpackung genau liest, wird allenfalls fündig: Die «Surfy Calamars à la Romaine» zum Beispiel werden dort als «Backteig mit Tintenfisch» bezeichnet. Zudem ist unter der Bezeichnung «Verdickungsmittel» der Stoff E 461 oder Methylcellulose aufgeführt. Dieser dient als Verdickungsmittel und hilft, Tintenfischringe mit Panade zusammenzuhalten.
«Das ist wie ein Püree»
Andreas Altorfer hat für den K-Tipp die «Surfy»-Calamari sowie die «Islamar por calidad» von Aligro unter die Lupe genommen. Er ist Geschäftsführer bei der Dörig & Brandl AG in Schlieren ZH, die zu den grössten Fischimporteuren der Schweiz gehört. Altorfers Urteil: «Die Ringe sind wie ein Teig. Die Tintenfischfleischstruktur fehlt komplett, das Fleisch ist matt, ohne Glanz. Das ist wie ein Püree.»
Tiefgekühlte, geklebte Tintenfischringe sind bei Manor für Fr. 7.95 und bei der Migros-Tochter Leshop.ch für Fr. 6.50 im Sortiment. Manor hat nach der Recherche des K-Tipp zugesichert, die «Surfy Calamars» per Ende Oktober zu ersetzen. «In Zukunft führen wir nur noch richtige Tintenfischringe», verspricht Sprecherin Elle Steinbrecher.
Auch Leshop-Geschäftsleiter Dominique Locher will die «Surfy Calamars» auslaufen lassen und nicht mehr neu beziehen. Sie würden durch ein Migros-Produkt der Marke «Pelican» ersetzt. Dieses wird laut Migros nicht aus Tintenfischbrei hergestellt.
In den Läden der anderen Grossverteiler hat der K-Tipp keinen solchen Klebefisch gefunden. Die geklebten Tintenfischringe landen auch auf Tellern von Restaurantgästen: Der Grosshändler Aligro verkauft in der 2-Kilo-Packung das Produkt «Islamar por calidad» für Fr. 17.70. Auch Aligro gibt auf Anfrage zu: Es handelt sich um Ringe, die aus Tintenfischbrei geformt wurden.
Beide Produkte vom gleichen Hersteller
Der Hersteller wird weder bei «Surfy Calamars» noch bei «Islamar por calidad» auf der Packung angegeben. Anhand der Zulassungsnummer fand der K-Tipp jedoch heraus, dass beide Produkte von der gleichen Firma stammen – von Frinova aus dem spanischen Porriño in Galizien. Diese Firma gehört zu Pescanova, einem der weltgrössten Fisch- und Meeresfrüchteverarbeiter. Pescanova hat die Herstellung von Ringen aus zermantschten Tintenfischteilen schon in den Achtzigerjahren patentieren lassen.
Das Kleben von Tintenfischringen erinnert an die schon bekannte Klebefleischpraxis der Metzgereien (K-Tipp9/2010). Diese mischen ein Spezialpulver namens Transglutaminase mit kaltem Wasser und zerstückeltem Fleisch. Nach 18 bis 24 Stunden und bei einer Lagertemperatur von 3 bis 5 Grad entsteht daraus wieder ein Fleisch am Stück, das dann als Schnitzel oder Medaillon verkauft wird. Das Klebefleisch ist auf dem Etikett durch Bezeichnungen wie «Hergestellt mit Transglutaminase» oder «rekonstituiert» zu erkennen.
E 461: Risiko von Durchfall, Blähungen und Verstopfungen
Ein klares Indiz dafür, dass es sich um zusammengeklebte Tintenfischringe handelt, ist der Packungshinweis E 461 oder Methylcellulose. Dieser Stoff wird aus Zellstrukturen von Holz und Pflanzen wie zum Beispiel Baumwolle hergestellt. In der Lebensmittelindustrie dient er als Verdickungsmittel und Stabilisator (Emulgator).
Die K-Tipp-Warnliste zum Thema E-Nummern stuft Methylcellulose als «Risiko» ein – zu finden unter www.ktipp.ch/service/e-nummern.
Wegen der Gärung der Zellulose im Darm kann E 461 in hohen Dosen zu Durchfall, Blähungen und Verstopfungen führen. Zudem besteht das Risiko für eine Verwindung oder Verstopfung des Darms sowie schlechte Nährstoffausscheidung.
Tipp: Mit der Smart-phone-App des K-Tipp kann man beim Einkauf nachschauen, welche Bedeutung die einzelnen E-Nummern haben. Die App kostet 4 Franken und ist für iPhones und Android-Handys erhältlich.