Mit 18 Jahren liess sich Anika von Bergen ein Piercing in die linke Brustwarze stechen. Sechs Jahre später war sie zum ersten Mal schwanger. Schon vor der Geburt sorgte das Piercing für Probleme, erzählt von Bergen: «Der Kanal entzündete sich.» Sie entfernte das Piercing und schob es seither nie mehr ein. Doch die künstliche Öffnung wuchs nicht mehr zu und führte nach der Geburt aller drei Kinder zu Problemen. «Jedes Mal hatte ich einen Milchstau», sagt sie.
Gepiercte Brust ist schlechter durchblutet
Mit ihren Erfahrungen ist von Bergen nicht allein: Ein Brustwarzen-Piercing führt oft zu Problemen beim Stillen. Bereits 2009 berichteten australische Forscher von Frauen, die wegen ihrer Piercings Schwierigkeiten mit dem Stillen hatten. Sie hatten zu wenig Milch. Den Grund offenbarte ein Ultraschalluntersuch: Die gepiercten Brüste waren deutlich schlechter durchblutet. Eine gute Durchblutung ist für die Milchproduktion wichtig. Bei einer der Frauen waren ausserdem die Milchgänge deutlich verengt.
Auch unter Schweizer Stillberaterinnen ist das Problem bekannt. «Die wenigsten Frauen denken daran, dass ihr Piercing später einmal zu Problemen beim Stillen führen kann», sagt Katrin Berger vom Berner Inselspital. Manchmal fliesse sogar Milch aus dem Einstich, auch wenn die Frau nicht am Stillen sei. Und wegen der Vernarbung könnten Schmerzen entstehen. In den meisten Fällen gebe es dann auch eine Lösung. «Fachfrauen geben der Mutter Tipps, wie sie ihr Baby richtig an die Brust anlegt», sagt Berger.
Im Fall von Anika von Bergen konnten die Hebammen den Milchstau lösen. Dennoch tranken die Babys lieber an der nicht gepiercten Brust, weil die Milch schneller und regelmässiger kam und sie sich seltener verschluckten. Wenn die Babys grossen Hunger hatten, gab sie ihnen lieber die nicht gepiercte Brust. Ein Teufelskreis setzte ein: Je weniger sie die Kinder an der gepiercten Brust ansetzte, umso weniger Milch floss dort.
«Piercing ist eine Verletzung der Brust»
Auch La Leche League, der Verein für Stillberatung, berät gepiercte Frauen mit Stillschwierigkeiten. «Ein Piercing ist eine Verletzung der Brust», sagt Präsidentin Christina Hurst-Prager. «Bevor sich eine junge Frau für ein Brustwarzen-Piercing entscheidet, sollte sie sich gut über die möglichen Konsequenzen informieren.» Angela Kuck, Chefärztin der Frauenklinik am Paracelsus-Spital in Richterswil ZH, wird deutlicher: «Ich rate jungen Frauen dringend vom Piercing der Brustwarzen ab.»
Auch Anika von Bergens Fazit lautet deshalb: «Ein Brustwarzen-Piercing würde ich nie wieder machen lassen.»