Aus den Bratkartoffeln droht Krebsgefahr
Seit einem halben Jahr bieten Coop und Migros Kartoffeln mit geringem Zuckergehalt an. Diese sollen weniger Acrylamid bilden. Doch mehr als die Hälfte der zehn getesteten Produkte hat zu hohe Zuckerwerte.
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Gesundheitstipp 4/2005
13.04.2005
Gabriela Braun - gbraun@gesundheitstipp.ch
Beim Frittieren, Backen und Anbraten verwandelt sich der Zucker in den Kartoffeln in krebserregendes Acrylamid - je mehr Zucker, desto mehr Acrylamid. Im vergangenen Oktober verkündete die Dachorganisation Swisspatat deshalb, es seien Kartoffeln mit «geringem Zuckergehalt» erhältlich. Von «griffigen Massnahmen, welche die schweizerische Kartoffelwirtschaft gegen die Bildung von Acrylamid umsetzt», war dabei die Rede.
Um die Zuckerwerte zu reduzieren, setzen die Produzenten a...
Beim Frittieren, Backen und Anbraten verwandelt sich der Zucker in den Kartoffeln in krebserregendes Acrylamid - je mehr Zucker, desto mehr Acrylamid. Im vergangenen Oktober verkündete die Dachorganisation Swisspatat deshalb, es seien Kartoffeln mit «geringem Zuckergehalt» erhältlich. Von «griffigen Massnahmen, welche die schweizerische Kartoffelwirtschaft gegen die Bildung von Acrylamid umsetzt», war dabei die Rede.
Um die Zuckerwerte zu reduzieren, setzen die Produzenten auf die zuckerarmen Sorten - etwa Agria und Victoria. Diese lagern die Produzenten zudem neu bei acht bis zehn Grad Celsius und nicht wie allgemein üblich nur bei vier Grad. Grund: Die Kälte lässt den Zuckergehalt der Kartoffeln ansteigen. Leider keimen sie bei höheren Temperaturen schneller aus. Die Produzenten sind deshalb versucht, mehr Keimhemmungsmittel mit dem Wirkstoff Chlorpropham einzusetzen.
Kartoffeln in falsche Säcke verpackt
Der Gesundheitstipp wollte wissen, wie hoch der Zuckergehalt bei den wärmer gelagerten Kartoffeln tatsächlich ist - und wie stark sie mit Chemie behandelt wurden.
Er kaufte bei Coop und Migros zehn Säcke mit Kartoffeln und liess sie auf Zuckergehalt und Chlorpropham testen: Sieben Produkte - «geeignet für Rösti, Pommes frites und Bratkartoffeln» - hatten die Produzenten wärmer gelagert. Weitere drei Proben analysierte das Labor zum Vergleich: Bei diesen handelte es sich um mehlig kochende Kartoffeln, die herkömmlich, bei vier Grad, gelagert worden waren.
Die gute Nachricht zuerst: Die Proben enthielten keine oder nur minime Spuren des Wirkstoffs Chlorpropham. Dafür lagen nur drei der getesteten Kartoffeln punkto Zuckergehalt unter dem Richtwert von 1 Gramm pro Kilogramm (g/kg). Alle drei stammten aus Coop-Filialen (siehe Tabelle unten).
Die drei Proben von Migros sowie eine von Coop enthielten zu viel Zucker. Die Messungen ergaben Werte zwischen 1,4 und 8,9 g/kg, wobei der schlechteste Wert von einer Migros-Probe stammte.
Konfrontiert mit den Laborergebnissen, gibt Migros-Sprecher Urs-Peter Näf zu: «Die Kartoffeln wurden in die falschen Säcke abgefüllt.» Die Kartoffeln mit dem schlechtesten Wert seien bei vier Grad gelagert gewesen. Deshalb hätten sie nicht in die grüne Verpackung mit der Bezeichnung «geeignet für Bratkartoffeln» gehört. Die Migros verkaufe diese nach der neuen Methode gelagerten Kartoffeln gar nicht mehr.
Ists im Laden zu warm, bildet sich wieder Zucker
Doch auch die anderen neuen Migros-Kartoffeln in blauen Säcken, die sich speziell für Pommes frites und Rösti eignen sollen, haben in der Stichprobe schlecht abgeschnitten. Dies begründet Urs-Peter Näf mit den kalten Temperaturen Anfang März: «Allein das Aufbewahren der Kartoffeln während weniger Stunden und bei tiefen Temperaturen kann zum Abbau von Stärke und damit zu einem Zuckeranstieg führen.»
Zum mehrheitlich guten Abschneiden der Coop-Proben triumphiert Sprecher Karl Weisskopf: «Das Konzept greift.» Den hohen Zuckeranteil der einen Probe rechtfertigt er mit der «längeren Verweildauer im Laden». Denn wenn es im Laden zu warm sei, würden Kartoffeln schneller auskeimen. «Dadurch bildet sich Keimungszucker», so Weisskopf.
Acrylamid wirkt auch als Nervengift
Die zu hohen Zuckerwerte haben für die Anbieter keine Konsequenzen: Ein gesetzlich vorgeschriebener Grenzwert existiert noch nicht. Dies, obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO von «Acrylamid als dem grössten Krebserreger in Nahrungsmitteln» spricht. Zudem gilt Acrylamid nicht nur als krebsauslösend. Der Stoff wirkt beim Menschen erwiesenermassen auch als Nervengift und kann das Erbgut schädigen. Gründe genug also, um die Belastung tief zu halten.
Kartoffeln bei mittlerer Hitze braten
Damit in Kartoffeln möglichst wenig Acrylamid entsteht, sollte man folgende Punkte beachten.
Sorte
- Agria, Victoria und Bintje enthalten von Natur aus wenig Zucker. Nicola und Charlotte haben hohe Werte.
Lagern
- Bewahren Sie Kartoffeln für Rösti oder Bratkartoffeln nicht im Kühlschrank, sondern bei knapp über zehn Grad auf.
- Kartoffeln sollte man zudem nur kurz lagern: Auch beim Auskeimen erhöht sich der Zuckergehalt und damit das Risiko für Acrylamidbildung.
Zubereitung
- Geizen Sie nicht mit der Ölmenge beim Braten.
- Braten Sie Rösti und Bratkartoffeln bei mittlerer Hitze. Darauf achten, dass die Rösti nicht zu dunkel wird.
- Geben Sie nicht mehr als 100 Gramm Pommes frites pro Liter Öl in die Fritteuse. Bei 170 Grad frittieren, bis die Spitzen leicht gebräunt sind.
- Wenn Sie Kartoffeln in Wasser zubereiten, bildet sich kein oder nur sehr wenig Acrylamid.