An die Lebensversicherung gefesselt
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Viele Kunden bereuen irgendwann den Abschluss einer Lebensversicherung. Sie vorzeitig aufzulösen, lohnt sich aber selten. Deshalb gilt vor allem für Junge: Hände weg!<br />
Inhalt
K-Geld 4/2003
27.08.2003
Nicola Waldmeier
Das hat mich teures Lehrgeld gekostet», klagt der 28-jährige Patrick G. (Name der Redaktion bekannt) gegenüber K-Geld. Grund für seinen Frust: 10 000 Franken kann er sich ans Bein streichen.
Wie konnte es soweit kommen? Kurz nach Abschluss seines Studiums machte ihm ein Finanzberater den Abschluss einer Lebensversicherung schmackhaft. 5000 Franken sollte der damals 26-Jährige während 39 Jahren - also bis zu seinem Pensionsalter - einzahlen. Zwei Jahre hielt Patrick G. durch....
Das hat mich teures Lehrgeld gekostet», klagt der 28-jährige Patrick G. (Name der Redaktion bekannt) gegenüber K-Geld. Grund für seinen Frust: 10 000 Franken kann er sich ans Bein streichen.
Wie konnte es soweit kommen? Kurz nach Abschluss seines Studiums machte ihm ein Finanzberater den Abschluss einer Lebensversicherung schmackhaft. 5000 Franken sollte der damals 26-Jährige während 39 Jahren - also bis zu seinem Pensionsalter - einzahlen. Zwei Jahre hielt Patrick G. durch. Dann wurde er aufgrund eines Artikels in K-Geld misstrauisch. Dort war zu lesen, dass Junge die Hände von den meist sehr langfristigen Lebensversicherungen lassen sollten. Also erkundigte sich Patrick G. bei K-Geld, ob er seine Police nicht besser vorzeitig kündigen sollte.
Eine Frage, die im Beratungsalltag von K-Geld oft auftaucht.
Versicherungen verkaufen nämlich häufig so genannte gemischte Kapitalversicherungen. Diese garantieren einerseits eine Todesfallsumme für Hinterbliebene und andererseits einen Sparbatzen im Erlebensfall. Dieser Betrag wird ausbezahlt, wenn der Versicherungsnehmer den Vertragsablauf erlebt.
Grundsätzlich ist es aber empfehlenswert, bei der Bank zu sparen und bei der Versicherung lediglich für den Fall vorzusorgen, dass man stirbt oder invalide wird. Solche reine Risikoversicherungen sind für relativ wenig Prämiengeld zu haben. An dieser Variante aber haben die Berater wenig Interesse, denn an der Vermittlung von Bankprodukten verdienen sie in der Regel nichts. Bei Lebensversicherungen mit Sparteil hingegen erhalten Berater fette Provisionen.
Auch Patrick G. vertraute seinem Fachmann, der damals nichts von dieser flexibleren Alternative zur kombinierten Lebensversicherung erwähnte. Heute aber ist Patrick G. überzeugt, dass es besser ist, Sparen und Versicherung zu trennen. Deshalb informierte er sich bei der Versicherungsgesellschaft nach dem so genannten Rückkaufswert, dem Betrag also, den er im Falle einer vorzeitigen Kündigung zurückerhielte.
Rückkaufswert: Null Franken
Die Auskunft traf ihn dann hart: Die Versicherung teilte ihm nämlich mit, dass sich der Rückkaufswert auf null Franken belaufe. Sie berief sich dabei auf ihre Versicherungsbedingungen, wonach frühestens nach drei bezahlten Jahresprämien ein Rückkaufswert bestehe.
Der Grund, weshalb Kunden bei vielen Gesellschaften erst nach dieser Zeit einen Teil der Prämien zurückerhalten: Die Gesellschaften ziehen die Provision des Versicherungsverkäufers und die bis zur Auflösung aufgelaufenen internen Verwaltungskosten ab. Auch die Kosten für den bereits geleisteten Versicherungsschutz gehen weg; die in der Police Begünstigten hätten ja die vereinbarte Todesfallsumme bekommen, wenn der Versicherte gestorben wäre.
Ebenso verhält es sich mit der in gemischten Lebensversicherungen fast immer mitversicherten Prämienbefreiung. Prämienbefreiung bedeutet: Wäre der Versicherungsnehmer invalide geworden, hätte ihm die Gesellschaft die Prämien bis zum Vertragsablauf weiterbezahlt; das Sparziel wäre somit auch dann erreicht worden.
Patrick G. entschied sich dennoch für die vorzeitige Auflösung seiner Police. Hätte er die Versicherung weitergeführt, hätte er bei Ablauf in 37 Jahren voraussichtlich etwa 270 000 Franken ausbezahlt erhalten. Seine Berechnung basiert auf einer steuerfreien Versicherungsrendite von 2 Prozent pro Jahr - bezogen auf die einbezahlten Prämien.
Um diese Nettorendite zu erwirtschaften, müsste die Gesellschaft mit ihren Kapitalanlagen effektiv etwas mehr als 3 Prozent Rendite erzielen; denn durchschnittlich rund 20 Prozent der Prämien zwackt die Gesellschaft für Verwaltung, Todesfalldeckung und Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit ab.
Zahlt G. die vorgesehenen Jahresprämien hingegen ab sofort in einen Fondssparplan bei der Bank ein, kommen bis zu seiner Pensionierung voraussichtlich knapp 410 000 Franken zusammen. Patrick G. rechnet dabei mit einer jährlichen Nettorendite des Fonds von 4 Prozent pro Jahr nach Steuern. Das entspricht etwa der langfristigen Renditeerwartung eines Strategiefonds, der zu je 50 Prozent in Aktien und Obligationen investiert.
Auch bei konservativ geschätzten 3 Prozent Fondsrendite betrüge G.s Endkapital nach 28 Jahren mit 330 000 Franken noch mehr als von der Versicherung erwartet. Den Verlust aus der vorzeitigen Auflösung der Police hätte er damit locker wettgemacht.
Invalidität separat versichern
Auf die Todesfallsumme, die mit der Kündigung der Police wegfällt, kann Patrick G. vorerst gut verzichten. Denn eine Familie will er frühestens in fünf bis zehn Jahren gründen. Eine reine Todesfallversicherung abschliessen kann er dann immer noch - vorausgesetzt, er bleibt gesund (siehe Kasten).
Auch die Prämienbefreiung bei Erwerbsunfähigkeit - einer der wenigen Vorteile von gemischten Lebensversicherungen - war für Patrick G. kein ausreichendes Argument, die Police weiterzuführen. Dafür hat er eine reine ErwerbsunfähigkeitsVersicherung abgeschlossen.
Mit der Rente, die er im Invaliditätsfall von der Gesellschaft erhielte, könnte er die Beiträge in den Fondssparplan weiterhin einzahlen. Damit hat Patrick G. genau das getan, was K-Geld empfohlen hat: Sparen bei der Bank und eine reine Risikoversicherung abschliessen.
Lebensversicherungen
Das sollten Sie beachten, bevor Sie aus einer Police aussteigen
Der Ausstieg macht nur Sinn, wenn man den Versicherungsschutz über mehrere Jahre nicht benötigt.
Versicherer berechnen auch bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung alle Abschlusskosten, vor allem die Provision des Agenten oder Finanzberaters, der die Police vermittelt hat. Wer vor Ablauf aussteigt, verliert deshalb einen namhaften Teil der bezahlten Prämien beziehungsweise seines Zinsertrages. Bei Kündigung in den ersten Jahren nach dem Abschluss erhält der Kunde oft gar nichts zurück.
Den Rückkaufsverlust kann man nur wettmachen mit einer Alternativanlage, die deutlich besser rentiert als die Lebensversicherung.
Weil die Zinserträge von Lebensversicherungen steuerfrei sind, ist das in der Regel nur mit Anlagen möglich, bei denen man auch höhere Risiken eingeht. Aktien oder Aktienfonds zum Beispiel rentierten in der Vergangenheit langfristig deutlich besser. Allerdings sollten nur Leute in solche Wertschriften investieren, die auch bei grösseren Kurseinbrüchen nervenstark bleiben und an eine Erholung glauben.
Andere Regeln gelten für Vorsorgepolicen in der Säule 3a: Sie haben nicht mehr Steuervorteile als andere 3a- Sparformen. Wer den Versicherungsschutz (Todesfallsumme, Erwerbsunfähigkeitsrente, Prämienbefreiung) in der Police nicht benötigt, fährt deshalb bereits mit einem verzinslichen 3a-Konto besser als mit der Police.
Wer eine Police kündigt und später erneut einen Versicherungsschutz beantragt, blitzt möglicherweise ab: Gesundheitlich angeschlagene Personen erhalten keine Versicherung mehr. Auch wird der Versicherungsschutz teurer, je älter man zum Zeitpunkt des Abschlusses ist. Es könnte sich deshalb lohnen, eine Police beizubehal-ten, auch wenn die Versicherungsdeckung im Moment überflüssig ist. Versicherungsbedarf entsteht spätestens, wenn man eine Familie gründet oder ein Eigenheim erwirbt. Fazit: Die vorzeitige Auflösung einer gemischten Kapital-Lebensversicherung lohnt sich nur, wenn man das Geld in eine besser rentierende Anlage steckt. Zudem sollte man den Versicherungsschutz während mehrerer Jahre nicht benötigen.