Am kleinen Bahnhof in Kemptthal ZH halten nicht viele Züge. Doch die S-Bahn, mit der ich kürzlich von Effretikon ZH Richtung Winter­thur unterwegs war, hätte dort gemäss ­Fahrplan stoppen ­müssen – tat es aber nicht. Kurz darauf ertönte die Durchsage des hörbar aufgewühlten ­Lokomotivführers: «Das war mein Fehler. Ich habe vergessen anzuhalten. Zurückfahren kann ich jetzt nicht mehr.» Wer nach Kemptthal wolle, müsse bis Winterthur mitfahren und dann im gleichen Zug zurück nach Kemptthal. «Es tut mir wahnsinnig leid», fügte er noch an.

Kurz darauf setzte sich eine Frau zu mir ins ­Abteil. Sie wohnt in der Nähe von Kemptthal. «Warum machen die SBB nicht immer so ­ehrliche Durchsagen?», fragte sie. Zwar kam sie wegen des vergessenen Halts 20 Minuten später nach Hause. «Aber wenigstens weiss ich, was los war.»

Just in diesem Moment erfolgte eine zweite Durchsage, diesmal aus der Betriebszentrale. Nun hiess es: «Der Zug konnte in Kemptthal nicht anhalten», gefolgt von den üblichen ­geschliffenen Formulierungen.

An solche leeren Worthülsen sind wir Bahn­fahrer mittlerweile gewöhnt. Wir hören Sätze wie «Der Bahnverkehr ist beeinträchtigt», es liege eine «Störung an der Bahnanlage» vor oder die Verspätung habe «betriebliche Gründe». Schuld sind immer die anderen. Es gibt etwa eine «Störung am vorausfahrenden Zug», «eine technische Störung», «eine Signalstörung» oder Ähnliches.

Schade eigentlich! Denn die ehrliche ­Entschuldigung des Lokführers kam bei uns Passagieren viel besser an als all die üblichen Phrasen.