«Es ist eine gute Sache», schwärmt Felice Adamo (Name geändert). Der Familienvater vertreibt ein Getränk namens Xango und hat einen vermeintlichen neuen Abnehmer des Fruchtsaftes für eine Präsentation zu sich nach Hause eingeladen. Tatsächlich handelt es sich beim Interessenten um einen saldo-Redaktor.
Xango habe bei ihm und seiner Familie wundersame Wirkungen gezeigt, erzählt Adamo. Seine Hüftarthrose sei geheilt, seine Kurzsichtigkeit verschwunden und seine Tochter leide nicht mehr unter Lactose-Intoleranz. Selbst der betagten Hauskatze gehe es viel besser, seit er den Fruchtsaft dem Futter beimische.
Happige Fr. 42.50 für eine Flasche mit 7,5 dl Inhalt
Es kommt noch dicker: Adamo zückt ein Infoblatt. Darin wird behauptet, Xango eigne sich zur Bekämpfung oder Vorbeugung von 44 Gesundheitsproblemen – von Alzheimer über Diabetes bis zu Krebs und Depressionen. Das angebliche Geheimnis des Saftes: Er wird hauptsächlich aus der südostasiatischen Frucht Mangostan gewonnen, die reich ist an sogenannten Xanthonen. Das seien hoch aktive Antioxidantien mit entzündungshemmenden Eigenschaften.
Wer Xango will, muss sich unter Angabe seines Anwerbers für 46 Franken online registrieren. Dann darf er den «Wundersaft» zum «Grosshandelspreis» von satten Fr. 42.50 pro 7,5-Deziliter-Flasche kaufen. Bei Einhaltung der empfohlenen Trinkmenge mache das pro Tag bloss Fr. 5.60 – weniger als ein Päckchen Zigaretten, rechnet Adamo vor.
Xango in der Schweiz nicht als Lebensmittel zugelassen
Vertrieben wird Xango durch das im amerikanischen Utah domizilierte Unternehmen Xango LLC. Es verspricht Xango-Bezügern saftige Gewinne, wenn sie weitere Leute anwerben, die monatlich einen Vierer-Karton Fruchtsaft beziehen. Adamo hat nach eigenen Angaben schon zwölf neue Kunden rekrutiert, was ihm einen Verdienst von monatlich 236 Franken einbringe. Seine Anwerberin aus den USA soll bereits 20 000 Franken pro Monat kassieren.
Das Xango-Vertriebskonzept enthält Merkmale eines Schneeballsystems. Dabei werden meist völlig überteuerte Produkte gehandelt. Jeder Käufer wird angehalten, weitere Personen anzuwerben, die ihrerseits wieder neue rekrutieren. Für diese Neueinsteiger kassieren die vorangehenden Käufer Provisionen. Da die Teilnehmerzahl lawinenartig anschwillt, wird die Sättigungsgrenze des Marktes schon nach wenigen Hierarchiestufen erreicht. Rolf Bracher vom Bundesamt für Justiz rät, die Finger von Xango zu lassen: «Die Gewinnversprechen sind eine Illusion. Die Positionen oben sind längst bezogen. Man riskiert, für ein geringes Einkommen viel Geld und Zeit zu investieren.»
In der Schweiz soll es schon über 500 Personen geben, die Xango-Saft beziehen und abgeben. Der Verkauf ist illegal, weil der Fruchtsaft in der Schweiz nicht als Lebensmittel zugelassen ist. Im Kanton Zug, wo Xango Schweiz seinen Sitz hat, ist die lebensmittelrechtliche Prüfung des Fruchtsaftes noch hängig. Gemäss Lebensmittelinspektor Ueli Krasser entspricht die Beschriftung noch nicht den Vorschriften. Zudem muss Xango die genaue Rezeptur hinterlegen.
Anpreisung des Saftes als Heilmittel verboten
Aber auch wenn Xango die Zulassung als Lebensmittel erhält, ist es verboten, den Saft als Heilmittel anzupreisen, wie das Verkäufer tun. «Lebensmittel können im Gegensatz zu den Heilmitteln keine Krankheiten heilen, sondern höchstens die Gesundheit positiv beeinflussen», hält das Bundesamt für Gesundheit fest. Die Firma Xango schreibt in einer Stellungnahme, dass sie ihr Möglichstes tue, um unzulässige Äusserungen ihrer Vertriebspartner hinsichtlich der Wirkung des Saftes zu unterbinden.
Ob die in Xango enthaltenen Antioxidantien sich positiv auf die Gesundheit auswirken, ist wissenschaftlich nicht mit Sicherheit nachgewiesen, sagt Frank Hesford von der Forschungsanstalt Agroscope. Er ist der Ansicht, dass die Heilversprechen von Xango «übertrieben und unseriös» sind. Er empfiehlt, statt Xango Grüntee zu trinken. Der enthält ebenfalls viele Antioxidantien, ist aber viel, viel billiger.