Das neue System der Grossverteiler zum Selbstabfüllen von Lebensmitteln und Getränken ist simpel: Bei der Migros bringen Kunden ein eigenes Säckchen in den Laden oder kaufen dort ein Baumwollsäckli für Fr. 4.95. An einer regalhohen Station füllen sie mit einer Plastikschaufel, oder indem sie einen Hebel drücken, eines von bis zu 70 Lebensmitteln wie Reis, Teigwaren und Müesli in das Säckchen. Dann wägen und etikettieren sie dieses und zahlen es mit den übrigen Einkäufen an der Ladenkasse.
Bei Coop stellen Kunden eine selbst mitgebrachte Flasche unter einen Wasserhahn. Via Computerdisplay wägen sie die leere Flasche, füllen sie per Knopfdruck, wägen sie erneut und bekleben sie mit der ausgedruckten Etikette. Bier können sie nur literweise zapfen. Und sie müssen dafür eine spezielle Metallflasche für Fr. 19.95 kaufen.
Die Migros-Stationen stehen in sieben Filialen, unter anderem in Zürich, Luzern und Baden AG. Bis Jahresende sind Abfüllgeräte in 15 weiteren Läden in der ganzen Schweiz geplant. Die Coop-Stationen gibt es seit Juni in drei Geschäften in Zürich, Basel und Baden AG, weitere sollen folgen. Discounter Aldi bietet Nüsse zum Selbstabfüllen an. Seit längerem gibt es bei Migros und Coop unverpackte Nüsse und Trockenfrüchte. 100 Gramm kosten in der Migros Fr. 2.60, bei Coop Fr. 2.50, bei Aldi Fr. 1.99. Coop plant demnächst, neue Abfüllgeräte für weitere Esswaren und Waschmittel zu lancieren.
Entweder massiv teurer oder nur bio
Coop brüstet sich auf seiner Website, mit den neuen Getränkestationen wolle man Abfall vermeiden. «Mit dem Zero-Waste-Ansatz verfolgen wir das Ziel, Einwegverpackungen und den dadurch anfallenden Abfall zu reduzieren.» Die Migros jubilierte im Juni im «Migros-Magazin»: «Weniger Abfall – das freut Natur und Umwelt.»
Doch den Grossverteilern geht es nicht nur um die Umwelt. Der K-Tipp verglich die Preise unverpackter Lebensmittel mit den Preisen der gleichen abgepackten Produkte. Ergebnis: Unverpackte Artikel sind viel teurer. Beispiele:
- Mineralwasser, Bier: Bei Coop können Kunden Mineralwasser der Marke Rhäzünser abfüllen. In der PET-Flasche verkauft Coop das Wasser für Fr. –.77 pro Liter, unverpackt am Abfüllgerät kostet es das Doppelte: Fr. 1.50. Auch das selbst gezapfte Bier stammt von einer teuren Marke. Am Abfüllgerät kostet Lagerbier der Marke Valaisanne Fr. 4.95 pro Liter – rund 24 Prozent mehr als in der Dose (Fr. 3.98).
- Haferflocken, Reis: Die Migros verkauft in den Abfüllgeräten nur teurere Bio- Produkte. Konventionelle Artikel und Billiglinien fehlen. Im normalen Warenregal finden die Kunden in Plastikfolie abgepackte Vollkornhaferflocken der Marke «M-Classic» für Fr. 1.40 pro Kilo. Im Abfüllgerät gibt es nur Bio-Vollkornhaferflocken für Fr. 2.40. Sie kosten 71 Prozent mehr. Auch Jasminreis gibt es nur als Bio-Artikel für Fr. 3.60 pro Kilo. Mehrpreis: 57 Prozent. Immerhin: Die Bio-Artikel im Abfüllgerät sind pro 100 Gramm gleich teuer wie die abgepackten Bio-Artikel im Regal.
Migros: Waschmittel gleich teuer
Die Migros schreibt dem K-Tipp, Kunden mit einem «nachhaltigen Lebensstil» würden Bio-Produkte bevorzugen. Eine Coop-Sprecherin sagt zu den hohen Preisen, die Abfüllgeräte müssten mehrere Male pro Tag gereinigt und aufgefüllt werden. Unverpackte Artikel seien «eine Ergänzung zum bestehenden Sortiment».
Abfüllen geht aber auch anders: In zwei Migros-Testfilialen in Bern und in Moosseedorf BE können Kunden leere Verpackungen für vier Flüssigwaschmittel und Geschirrspülmittel wieder auffüllen. Anders als bei den Lebensmitteln sind hier mit «Migros Plus» und «Handy» auch günstige Migrosmarken im Regal. Ob verpackt oder zum Auffüllen – die Kosten sind gleich hoch. Der Testbetrieb läuft seit über einem Jahr. Einen Ausbau plant die Migros nicht.