Sunrise gewann in den letzten Jahren viele neue Mobilfunkkunden. Ihre Zahl stieg von 1,5 Millionen im Jahr 2008 auf über 2 Millionen im vergangenen Jahr. Dieser Sprung gelang vor allem dank günstiger Abos. Doch das ist Schnee von gestern. Heute verlangt Sunrise deutlich höhere Preise.
In einem saldo-Preisvergleich im März 2009 zahlte ein Handykunde mit dem Profil «SMS-Freak» (300 SMS, 10 Gesprächsminuten) mit dem Abo Sunrise zero 25 Fr. 33.50 pro Monat. Heute zahlt er mit dem vergleichbaren Abo Sunrise flex S 70 Franken im Monat. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2009.
Ähnlich sieht es beim Profil «Plaudertasche» aus (100 SMS, 180 Gesprächsminuten). Mit Sunrise zero 50 betrug im Jahr 2009 die Monatsrechnung 55 Franken, heute fallen für ein Abo mit Handy mindestens 82 Franken an.
Sunrise macht geltend, dass man heutige Preise nicht mit früheren Nutzungsprofilen vergleichen könne. Mediensprecher Tobias Kistner: «Datennutzung und Gespräche nahmen zu, da unsere Kunden dank Flatrates heute unbeschränkt telefonieren.»
Wer mit dem Handy nicht ins Internet geht, zahlt zu viel
80 Prozent der Mobiltelefone, die Sunrise verkauft, sind gemäss Kistner Smartphones, also internetfähig. Das heisst aber nicht, dass 80 Prozent aller Sunrise-Kunden ein Smartphone besitzen. So nutzte in Deutschland gemäss einer Umfrage der Gesellschaft für Sozialforschung und Statistische Analyse 2011 nur jeder Vierte ein Smartphone. Es gibt also durchaus noch eine Mehrheit von Besitzern älterer, nicht internetfähiger Geräte.
Trotzdem bietet Sunrise seit August 2011 nur noch Abos an, die Datenvolumen enthalten und sich an Smartphone-Nutzer richten. Zur gleichen Zeit hat Sunrise jene Abos gestrichen, bei denen es möglich war, die monatlichen Kosten auf 25 Franken zu beschränken. Dazu kommt: Die Preise für SMS hat Sunrise in den letzten Jahren schrittweise von 10 auf 15 Rappen erhöht. Und Gespräche werden nur noch pro volle Minute abgerechnet – statt wie früher pro 10 Sekunden. Die neuen Preise wirken sich vor allem für Kunden aus, die nur telefonieren und SMS schreiben und kein internetfähiges Handy besitzen. Sie zahlen für Leistungen – etwa Datenvolumen –, die sie gar nicht benötigen.
Für die höheren Preise gibt es auch noch weniger Qualität
Aber auch Smartphone-Benutzer werden von Sunrise immer stärker zur Kasse gebeten. Im April 2010 zahlte ein Kunde mit dem Profil «Alles-Nutzer» (500 MB Datenvolumen, 100 SMS, 360 Gesprächsminuten) mit Sunrise flat classic surf Fr. 95.20 (saldo 7/10). Heute sind es mit Sunrise sunflat 2 Fr. 112.40. Sogar der Extrem-Surfer (2 GB Datenvolumen, 100 SMS, 360 Gesprächsminuten) zahlt mit 140 Franken für das Abo Sunrise sunflat 6 21 Franken mehr als 2010 ein Nutzer mit Zero 50 und Surf flat. Allerdings würde er auch 140 Franken zahlen, wenn er deutlich mehr telefonieren und SMS schreiben würde. SMS, Gespräche und Daten sind bei Sunrise sunflat 6 unlimitiert inklusive.
Sunrise argumentiert, die Preise seien nicht erhöht worden, man biete mehr Leistung.
Nicht, dass die Konkurrenten Orange und Swisscom günstiger wären. Aber Sunrise hat sein Image als Tiefpreisanbieter verloren. Zugleich nahm die Qualität ab.
Beispiel Netz: Das Telekommunikations-Fachmagazin «Connect» führt jedes Jahr einen breit angelegten Netztest in der Schweiz und in Österreich durch. 2009 erhielt Sunrise das Prädikat «sehr gut», 2011 ein «befriedigend». Fazit der Tester: «Abgesackt ist Sunrise. Besonders bei den Smartphone-Messungen hinkt der Netzbetreiber hinterher.»
Ein Netztest der «Kassensturz»-Zuschauer von Februar bis August 2011 zeigt ebenfalls: Sunrise ist der Anbieter mit dem kleinsten Anteil moderner 3G-Antennen (3. Generation). Während der Anteil bei der Swisscom 91 Prozent beträgt, sind es bei Sunrise nur 64 Prozent. Vor allem auf dem Land ist mobiles Surfen für Sunrise-Kunden deshalb vielerorts nur beschränkt möglich.
Netzprobleme hat Sunrise nicht zuletzt deshalb, weil die Kunden das Netz wegen der Flatrates viel intensiver nutzen als früher. Hat Sunrise beim Netzausbau geschlafen? Sunrise will dazu keinen Kommentar abgeben.
Beispiel Kundendienst: Über Jahre war es Cablecom, die bei der saldo-Rechtsberatung mit einer Fülle von Kundenreklamationen mit mangelhaftem Service auffiel. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Die Reklamationen zur Cablecom liessen in den letzten Monaten nach. Dafür melden sich immer mehr unzufriedene Sunrise-Kunden, so Hans Ruedi Schmid, Leiter der saldo-Rechtsberatung.
Dies sind die meistgehörten Klagen:
- Kündigungen werden nicht fristgerecht ausgeführt. Es werden weiterhin Rechnungen zugestellt.
- Kunden erhalten keine Unterstützung bei Problemen mit Betreibern kostenpflichtiger Nummern.
- Überforderte Hotline. Kunden werden vertröstet und hören dann wochenlang nichts mehr.
- Internet- und Festnetzkunden klagen, dass die Umschaltungen bei einem Umzug nicht funktionieren. Die Leistung am neuen Ort erfolgt verspätet. Rechnungen landen an der alten Adresse oder werden doppelt versandt.
Sunrise ist sich gemäss Kistler der Probleme bewusst und hat ein Expertenteam gebildet, das sich um Kundenanliegen kümmere, die nicht im ersten Anlauf gelöst werden könnten.